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Zum letzten Mal und zum ersten Mal Verhandlungsführer: Verdi-Chef Frank Bsirske (li.) geht im September in Rente, der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz dagegen hat als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder noch einige Tarifrunden vor sich.

© dpa

Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Weit auseinander

Die Tarifverhandlung für gut drei Millionen Angestellte und Beamte der Bundesländer beginnen in Berlin. Streiks in Kitas möglich.

Ohne Show geht es nicht. Begleitet von ein paar hundert Protestlern begannen am Montag in Berlin die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes die diesjährige Einkommensrunde. Die Gewerkschafter begründeten ihre Forderung, die Arbeitgeber wiesen die als zu teuer zurück, und nach wenigen Stunden vertagte man sich auf den 6. Februar. Bis dahin haben Verdi und die Gewerkschaften der Lehrer und Polizisten nun Zeit, mit Warnstreiks für ihre Vorstellungen zu trommeln: Sechs Prozent mehr Geld für die Beschäftigten der Bundesländer, mindestens aber 200 Euro im Monat. Dazu noch 300 Euro extra für Pflegekräfte, mindestens 100 Euro für Azubis und Verbesserungen in der Eingruppierung der Arbeitnehmer.

Die Arbeitgeber sprechen von zehn Prozent

Nach Berechnungen der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) macht das ganze Forderungspaket zehn Prozent aus; jedes einzelne Prozent erhöhe die Personalkosten der Bundesländer um 1,3 Milliarden Euro, sagt Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der erstmals die Verhandlungskommission der Arbeitgeber anführt. Im gegenüber sitzt Verdi-Chef Frank Bsirske. Es ist seine letzte Tarifrunde; im September geht der dann 67-Jährige in Rente. Nachfolger wird Frank Werneke, der bislang als Bsirskes Stellvertreter amtierte.

Größte Tarifrunde in 2019

Der Tarifkonflikt bei den Bundesländern ist mit Abstand die größte Einkommensrunde in diesem Jahr. Formal geht es nur um die Gehälter von gut eine Million Angestellten der Länder ohne Hessen, das nicht Mitglied der TdL ist und gesondert Verhandlungen mit den Gewerkschaften führt. Zu den Angestellten kommen aber die rund zwei Millionen Beamten und Versorgungempfänger der Länder hinzu, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Das kann also teuer werden für die Bundesländer, die zwar in den vergangenen Jahren ebenso wie der Bund Haushaltsüberschüsse erzielten, aber auch auf gut 570 Milliarden Euro Schulden sitzen. Von 2020 an gilt die Schuldengrenze. Und die Länder argumentieren mit ihrem Schuldenberg und dem endgültigen Greifen der Schuldenbremse ab 2020. Der TdL-Vorsitzende Kollatz betonte zu Beginn der Verhandlungen in der Berliner Landesvertretung von Baden-Württemberg den Zielkonflikt der Tarifpartner: Attraktiv sein als Arbeitgeber und deshalb auch die Gehälter erhöhen; dem Investitionsbedarf der Länder Rechnung tragen und Schulden zurückzahlen.

Die Situation der Länder ist heterogen

Kollatz führt die Verhandlungen auf Seiten der Arbeitgeber gemeinsam mit den Finanzministern aus Niedersachsen und Sachsen. Dabei sind unterschiedliche Kassenlagen und Beschäftigtenstrukturen in den Ländern zu berücksichtigen, was von Kollatz viel Geschick erfordert. Und Kollatz muss sozusagen „sein“ Tarifergebnis anschließend als Berliner Finanzsenator umsetzen und dabei Besonderheiten berücksichtigen: Das Kita-Personal in Berlin fällt unter den Tarifvertrag der Länder, in den Flächenstaaten dagegen unter den Tarif der Kommunen.

Und zum anderen ist Berlin noch nicht vollständig auf dem Niveau der anderen Bundesländer, weil die Stadt viele Jahre nicht TdL-Mitglied war und ihren Angestellten und Beschäftigten weniger zahlte. Im Beamtenbereich beträgt die Differenz noch einige Prozentpunkte, gegenüber Bayer noch deutlich mehr. So bekommt der Berliner Feuerwehrbeamte nach Angaben von Verdi rund zwölf Prozent weniger als der bayerische Kollege.

Personalkosten machen 35 Prozent aus

Im Durchschnitt aller Bundesländer machen die Personalkosten einen Anteil von 35 Prozent aus. Das liegt über dem Niveau der Kommunen (Anteil an den Gesamtkosten von 27 Prozent) und dem Bund mit elf Prozent. Arbeitgeber und Gewerkschaften stimmen überein in dem Ziel, bestimmte Mangelberufe besser vergüten zu wollen. Neben Pflege und Erziehung gehören Justiz- und Polizeikräfte dazu, ebenso Techniker und IT-Fachleute. Verdi zufolge sind die Tarifentgelte in der Gesamtwirtschaft in den vergangenen 20 Jahren um 4,4 Prozent stärker gestiegen als im öffentlichen Dienst der Länder. Um die Nachwuchsprobleme zu lösen, müsse man nun aufschließen. „Geld ist da, jetzt muss noch vorausschauende Personalpolitik und guter Wille dazu kommen“, sagt Verdi-Chef Bsirske. Kollatz dagegen warnt vor einem „Bezahlwettlauf mit dem Privatsektor“, denn der sei von den Ländern nicht zu gewinnen. Die öffentlichen Arbeitgeber könnten dagegen Punkte machen mit Teilzeitmöglichkeiten und der Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf. Rund ein Drittel der Länderbeschäftigten arbeiten Teilzeit.

Bis zur Fortsetzung der Verhandlungen Anfang Februar wird es nun Warnstreiks geben – vermutlich in Unikliniken, Straßenmeistereien und in Berlin auch Kitas.

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