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Beschäftigte des Industrieparks Höchst protestierten vor Beginn der Tarifverhandlungen für höhere Löhne.

© dpa

Tarifkompromiss in der Chemie: 1400 Euro zwischendurch

Eine Übergangslösung für 580 000 Beschäftigte soll die hohen Preissteigerungen teilweise ausgleichen und gleichzeitig die Firmen nicht überlasten.

Einmalzahlung statt dauerhafte Lohnerhöhung - auf diese Zwischenlösung haben sich die Tarifparteien in der chemischen Industrie für rund 580 000 Beschäftigte verständigt. Im Mai gibt es mit der Gehaltszahlung 1400 Euro zusätzlich - es sei denn, dem Unternehmen geht es schlecht. In diesem Fall kann die so genannte Brückenzahlung auf 1000 Euro reduziert werden. Wie viele der rund 1900 Firmen das betrifft, ist nicht bekannt. Wenn die Umsatzrendite 2021 oder 2022 absehbar unter drei Prozent liegt, dürfen die Unternehmen die Einmalzahlung reduzieren.

Chemie verbraucht 15 Prozent des Gas

Die Chemie, nach dem Maschinen- und dem Fahrzeugbau der drittgrößte Industriebereich hierzulande, ist besonders stark betroffen von den Folgen des Krieges und den hohen Energiepreisen. Rund 15 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gas entfällt auf die Chemie.

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Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG<TH>BCE) hatte ursprünglich das Ziel ausgegeben, mit einem neuen Tarifvertrag mindestens die Realeinkommen zu sichern. Da inzwischen für 2022 eine Inflationsrate von rund sechs Prozent erwartet wird und gleichzeitig energieintensive Branchen wie die Glas- oder Ammoniakherstellung kaum noch wirtschaftlich produzieren, verständigte sich die Gewerkschaft mit den Arbeitgebern auf den Kompromiss:<TH>Es gibt jetzt eine Einmalzahlung und im Oktober werden die Verhandlungen über Lohnprozenten fortgesetzt. Nach Angaben der IG<TH>BCE macht die Einmalzahlung von 1400 im Durchschnitt 5,3 Prozent eines Jahresentgeltes aus; Azubis bekommen 500 Euro.

Lob für die Sozialpartnerschaft

„In dieser Zeit großer Unsicherheit für Beschäftigte wie Unternehmen mussten wir eine Lösung finden, die Inflationslinderung mit Beschäftigungssicherung verbindet“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis. „Unser Ziel bleibt die dauerhafte Steigerung der Entgelte noch in diesem Jahr.“ Vassiliadis betonte ferner, dass niedrige Lohngruppen überdurchschnittlich von der Einmalzahlung profitierten. „Sie sind es, die besonders unter den aktuellen Preisschüben leiden.“ Gewerkschaft und Arbeitgeber hoffen nun auf ein Ende des Krieges und damit auch auf mehr Klarheit über die wirtschaftliche Entwicklung im Herbst. „Die Folgen dieses Krieges werden unsere Branche auf Jahre hinaus vor große Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist, dass die Sozialpartner an einem Strang ziehen“, meinte Arbeitgeberpräsident Kai Beckmann.

Höhere Nachtzuschläge

Neben der in Tarifverhandlung vorrangig zu regelnden Gehaltskomponente befassten sich die Sozialpartner auch mit strukturellen Aspekten, um die Branche für Arbeitskräfte attraktiv zu machen. Für die Nachtschichten werden die Zulagen vom 1. Juli an auf 20 Prozent vereinheitlicht; bislang liegt der Wert im Schnitt bei 15 Prozent. In der Metallindustrie liegen die Zuschläge in der Nacht zwischen 25 und 35 Prozent. Zuschläge bis zu 25 Prozent sind steuerfrei. Die Altersfreizeit, eine Spezialität der Chemie, gilt nun auch für Teilzeitkräfte: Wer älter als 57 Jahre ist bekommt pro Woche 2,5 Stunden zusätzliche Freizeit, bei Schichtarbeitern sind es vom 55 Lebensjahr an sogar 3,5 Stunden. Diese Regelung wird auf Teilzeitkräfte übertragen. Die Arbeitgeber bekommen im Gegenzug mehr Flexibilität: Der Anspruch auf Altersfreizeit kann ersetzt werden durch flexibleren Übergang in den Ruhestand, Einzahlung in die betriebliche Altersversorgung, Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung oder Einbringung in das Langzeitkonto.

Mit dem Förderprogramm „AusbildungPlus“ wollen die Tarifparteien die Ausbildung in kleineren Unternehmen stärken und Pandemie-bedingte Defizite ausgleichen. Auszubildende erhalten bei Bedarf eine zusätzliche Lernunterstützung und Prüfungsvorbereitung. Dafür werden die Instrumente des Unterstützungsvereins ausgeweitet; das Fördervolumen beträgt drei Millionen Euro.

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