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Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main

© dpa

Stresstest der Aufseher: Wie krisensicher sind Europas Banken?

Erneut müssen Europas Banken beweisen, dass sie für Krisen gerüstet sind. Stresstests sollen Vertrauen schaffen. Bisherige Erfahrungen sind durchwachsen.

Wie krisensicher sind Europas Banken? In den vergangenen Monaten haben Europas Bankenaufseher die großen Geldhäuser durchrechnen lassen, was im schlimmsten Fall passieren würde. Die Ergebnisse des Stresstests wollen die europäische Bankenaufsicht EBA und die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Freitag (18.00 Uhr deutscher Zeit) veröffentlichen. Die wichtigsten Fragen und Antworten vorab:

Was ist ein Stresstest?

Auf Verbraucher übertragen könnte der Test so aussehen: Reichen Einnahmen, Ersparnisse oder Versicherungsschutz auch dann, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber pleitegeht und man erst im nächsten Jahr einen neuen Job findet? Oder auf Hausbesitzer gemünzt: Was wäre, wenn gleichzeitig der Blitz einschlägt, der Strom ausfällt, es einen Wasserrohrbruch gibt und Einbrecher in die eigenen vier Wände einsteigen?

Was sollen solche Krisentests bei Banken bringen?

Weltweit überprüfen Aufseher regelmäßig, wie anfällig Banken im Krisenfall wären. Die Tests sollen Risiken in den Bilanzen offenlegen. Gegebenenfalls können Aufseher dann einzelnen Instituten frühzeitig auftragen, ihre Kapitalpuffer zu verstärken.

Wie viele Institute haben die Aufseher in Europa durchleuchtet?

Stellen mussten sich dem EBA-Test 48 Banken aus 15 Staaten. Sie stehen für 70 Prozent des Bankenmarktes in der Europäischen Union. Unter den 48 Instituten sind 33 im Euroraum, die von der EZB beaufsichtigt werden. Zusätzlich nahm die EZB im Frühjahr die 4 großen griechischen Banken unter die Lupe. Für sie wurden schon im Mai Ergebnisse veröffentlicht. Parallel zu dem EBA-Test hat die EZB als zentrale Bankenaufsicht für den Euroraum einen nahezu identischen Stresstest für weitere 54 Institute durchgeführt, die sie direkt beaufsichtigt. Unter diesen 54 Instituten sind 11 deutsche, beispielsweise die Dekabank als Vertreter des Sparkassenlagers.

Für welche deutschen Banken gibt es detaillierte Ergebnisse?

Aus Deutschland mussten in dem EBA-Test 8 Banken Daten liefern: Die beiden großen Privatbanken Deutsche Bank und Commerzbank, die DZ Bank als Spitzeninstitut des genossenschaftlichen Sektors, die 4 führenden Landesbanken LBBW, BayernLB, Helaba und NordLB sowie das staatliche Förderinstitut NRW.Bank. Für diese 8 deutschen Institute werden am Freitag ausführliche Ergebnisse veröffentlicht.

Was wollten die Aufseher wissen?

Die Institute mussten auf Basis ihrer Bilanz Ende 2017 ein Krisenszenario durchrechnen: Wie sehr schrumpft die Kapitalbasis innerhalb von drei Jahren, wenn die Konjunktur einbricht, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Immobilienpreise in den Keller gehen - mit der Folge, das dann möglicherweise mehr Kredite nicht zurückgezahlt werden?

Wie sehen die genauen Stressfaktoren aus?

Im Krisenszenario wird unterstellt, dass Europas Wirtschaft in den Jahren 2018 und 2019 um 1,2 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent schrumpft und 2020 wieder um 0,7 Prozent wächst. Über den Drei-Jahres-Zeitraum ergibt sich somit ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in der EU um 2,7 Prozent. Verglichen mit dem günstigeren Basisszenario wäre das ein Einbruch um 8,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote läge in dem sogenannten adversen Szenario im Jahr 2020 in der EU bei 9,7 Prozent, eine Steigerung um 3,3 Prozentpunkte zur Basisannahme. Die Preise für Wohnimmobilien würden in dem Krisenszenario über die drei Jahre um 19,1 Prozent abrutschen.

Werden alle Länder über einen Kamm geschoren?

Neben den übergreifenden Zahlen gibt es länderspezifische Vorgaben. So wird zum Beispiel für Deutschland ein kräftigerer Wirtschaftsabsturz simuliert als etwa für Frankreich oder Italien. Damit haben die Aufseher versucht, der unterschiedlichen Stärke der jeweiligen Volkswirtschaft und ihrer Banken gerecht zu werden.

Wird der Brexit als Risikofaktor berücksichtigt?

Dass Großbritannien voraussichtlich Ende März 2019 die EU verlassen wird, ist nach EBA-Angaben zumindest indirekt berücksichtigt: Das nachteilige Szenario umfasse „ein breites Spektrum makroökonomischer Risiken, die mit dem Brexit verbunden sein könnten“.

Wird es Durchfaller geben?

Formal nicht. Wie bereits beim Stresstest 2016 wird es kein Urteile im Sinne von „bestanden“ oder „durchgefallen“ geben. „Es gibt keine Aussage, ob eine Bank gut oder schlecht ist“, erklärt Dirk Jäger, Geschäftsführer Bankenaufsicht beim Bundesverband deutscher Banken (BdB). Wie beim Test vor zwei Jahren verzichteten die Aufseher auf die Vorgabe standardisierter Kapitalquoten, die die Banken in der Prüfung erfüllen mussten. Schneiden Banken schlecht ab, können die Aufseher sie aber durchaus verpflichten, Kapitalpuffer zu verstärken.

Auf welchen Wert schauen die Aufseher besonders?

Entscheidend ist, dass Banken ausreichend hartes Kernkapital haben. Kapital also, das im Fall von Verlusten uneingeschränkt zur Verfügung steht. Aufseher sehen einen Wert von 5,5 Prozent als Minimum dessen, was Banken in Krisenzeiten noch vorweisen sollten. Beim Test 2014 hatten EBA und EZB verlangt, dass die Kapitalquote auch im Krisenszenario nicht unter diese Schwelle fällt. Im Euroraum fielen damals 25 von 130 untersuchten Instituten durch.

Sorgen solche Tests für Beruhigung?

Die Erfahrungen sind durchwachsen. Beim europäischen Stresstest 2010 - noch vor Gründung der EBA - fielen nur Institute durch, von denen es erwartet worden war: beispielsweise der mit Steuermilliarden gerettete Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE). Kurz nach dem damaligen Test musste der Staat zunächst unauffällige irische Banken auffangen. 2011 schnitt im EBA-Test etwa die belgisch-französische Dexia-Bank glänzend ab. Sie wurde wenig später als erstes großes Opfer der Euro-Schuldenkrise zerschlagen.

Sind Stresstests also sinnlos?

Kritiker bemängeln, dass etwa das Risiko eines Ausfalls von Staatsanleihen im aktuellen Test nicht ausreichend berücksichtigt sei. Zudem profitierten Banken mit hohem Anteil ausfallgefährdeter Kredite („Non-Performing Loans“/NPL) von den Kriterien, weil Banken Zinseinkünfte aus solchen Krediten im diesjährigen Test einrechnen dürfen. Beides spielt zum Beispiel Italiens Banken in die Hände. Diese halten nicht nur hohe Bestände an Wertpapieren ihres Heimatstaates, auch der Berg von Problemkrediten in ihren Büchern ist im Vergleich zu Banken in anderen Euroländern besonders hoch.

Was sagen Befürworter?

Sie meinen, solche Tests seien wichtig, um Transparenz über mögliche Gefahren zu schaffen. Ein Stresstest als Diagnoseinstrument könne „durchaus zur Beschleunigung des Lösens von Problemen beitragen“, meint BdB-Fachmann Uwe Gaumert. Als positives Beispiel führen Experten den ersten Stresstest in den USA 2009 an: Die US-Regierung nahm die 19 größten Geldinstitute des Landes unter die Lupe. 10 davon wurde verordnet, sich frisches Geld zu besorgen. Wer das am Markt nicht schaffte, bekam Staatshilfen aufgebrummt.

Warum sind beim aktuellen Test mehrere Behörden beteiligt?

Die EZB beaufsichtigt seit November 2014 die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum direkt, derzeit sind es 118 Institute im gemeinsamen Währungsraum. Unterstützt wird sie von den nationalen Aufsehern, in Deutschland sind das Bafin und Bundesbank. Die EBA ist die oberste Bankenaufsichtsbehörde der EU und damit auch für Banken in Nicht-Euro-Staaten wie Großbritannien oder Dänemark zuständig. (dpa)

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