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Im Greifswalder Bodden wird bereits für Nord Stream 2 gebaggert.

© Stefan Sauer, dpa

Streit um Nord Stream 2: Was für die Ukraine übrig bleibt

Deutschland, Russland und die Ukraine verhandeln über die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Die Positionen liegen weit auseinander.

Der Dauerstreit um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hat inzwischen eine weltpolitische Dimension. Doch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist optimistisch. Er hält eine Einigung zwischen Russland, der Ukraine und der EU für möglich. Das erklärte der CDU-Politiker in Berlin, wo am Dienstag Verhandlungen über Nord Stream 2 begannen. In der ersten Runde sollten die Streitpunkte fixiert und ein Fahrplan für die Gespräche festgelegt werden. Die Zeit drängt, denn die Trasse soll schon Ende 2019 in Betrieb gehen, dann laufen auch die russisch-ukrainischen Transitverträge aus.

Die Ausgangspositionen der Streitparteien sind praktisch unvereinbar. Naftogas, der staatliche ukrainische Energiekonzern, hatte seine Vorstellungen am Montag veröffentlicht: Er sei bereit, die Gebühren um 20 Prozent zu senken, wenn Gazprom eine jährliche Durchleitung von 141 Milliarden Kubikmetern garantiere. Das wäre in etwa das Niveau von 1998, als die Ukraine praktisch das Monopol für den Transit russischen Gases nach Westen hatte. Eine solche Menge könnte heute allerdings nur erreicht werden, wenn Gazprom sein Exportmonopol aufgeben würde und Erdgas aus Zentralasien direkt durch russische Pipelines nach Westen gelangen könnte. Es scheint wenig realistisch, dass Gazprom seinen zentralasiatischen Konkurrenten einen solchen Marktzugang eröffnet.

Gegenseitige Klagen

Gazprom rechnet vor, dass die Kosten für einen „Transit“ durch die Ostsee um rund ein Drittel unter dem ukrainischen Preisvorschlag liegen. Kiew versucht, mit juristischen Mitteln Druck auf Russland aufzubauen – und ist dabei bislang recht erfolgreich. Naftogas verklagte Gazprom vor dem Stockholmer Schiedsgericht, wo traditionell wirtschaftsrechtliche Differenzen ausgetragen werden. Es geht um Schadensersatz für Vertragsverletzungen. Der russische Konzern antwortete mit Gegenklage. Stockholm entschied inzwischen für und gegen Gazprom. Die Zwischenrechnung ergibt per Saldo: Der russische Konzern schuldet den ukrainischen Partnern rund zwei Milliarden Dollar. Um die Summe einzutreiben, wurden kürzlich Gazprom-Vermögenswerte in der Ukraine beschlagnahmt.

Wie ernst Russland diese Schiedsverfahren nimmt, zeigte sich während des Gipfels. Dort erklärte der russische Präsident, ein neuer Gasvertrag mit der Ukraine sei möglich, „wenn die beiden Wirtschaftssubjekte ihren Streit vor dem Stockholmer Schiedsgericht beilegen“. Dass sich Gazprom und Naftogas zeitnah vergleichen, scheint jedoch eher unwahrscheinlich. Umso größer ist die Bedeutung der Gespräche, die jetzt in Berlin mit Beteiligung der EU und Deutschlands begonnen haben.

Ein letztes Hindernis

Deutschland hat ökonomische Interessen, die mit russischen Positionen übereinstimmen. Eine eindeutige Parteinahme für Gazprom würde jedoch zu politischen Verwerfungen nicht nur mit der Ukraine, sondern auch mit Polen und den baltischen Staaten führen. Auch ein letztes technisches Hindernis gibt es noch. Dänemark verweigert bislang eine Trassenführung durch seine Territorialgewässer. Kopenhagen will noch einmal in der EU über Nord Stream 2 diskutieren.

Die Ukraine hat in den vergangenen 30 Jahren stetig an Bedeutung für den Transit sibirischen Erdgases nach Westeuropa verloren. Nach dem Zerfall der Sowjetunion flossen rund 90 Prozent des Rohstoffexportes aus Russland durch das Nachbarland. Nach Fertigstellung der Trasse Jamal-Europa durch Weißrussland und Polen im Jahre 1999 waren es noch 75 Prozent, und mit Nord Stream (2011) sank der Anteil auf 50 Prozent. Nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und einer Leitung durch die Türkei dürften nur noch zehn Prozent der einstigen Menge für den Ukraine-Transit übrig bleiben. Damit wäre die Bedingung der Bundesregierung jedoch formal erfüllt: Es gäbe diesen Transit noch.

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