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Der Stuttgarter Autobauer Mercedes will erst ab 2017 erste Modelle mit einer CO2-Klimaanlage ausstatten.

© dpa

Streit um Daimler-Kühlmittel: EU-Kommission verklagt Deutschland

Seit Jahren streiten Daimler und die EU-Kommission um ein klimaschädliches Kältemittel. Nun eskaliert der Konflikt.

Nach jahrelangem Streit um die Verwendung eines klimafreundlicheren Kühlmittels in den Klimaanlagen der Daimler-Marke Mercedes hat die EU-Komission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Der Vorwurf: Deutsche Behörden würden dem Stuttgarter Autobauer erlauben, ein Kühlmittel zu verwenden, dass seit mehr als vier Jahren in der EU verboten ist.

Schwelbrand gerät außer Kontrolle

Kern der seit 2011 andauernden Auseinandersetzung ist das Kühlmittel R1234a, das seit Jahrzehnten in Autoklimaanlagen, aber auch Dampfturbinen und Rauchmeldern, Verwendung findet. R1234a ist der populäre Name für das Fluorkohlenwasserstoff 1,1,1,2-Tetrafluorethan, das sowohl als Treib- wie auch Kühlmittel einsetzt wird.

R1234a zeichnet sich durch seine günstige Produktion und ein besonders geringes Brennpotenzials aus. 2011 beschloss Brüssel jedoch, das beliebte Kühlmittel zu verbieten. Der Grund: Das Klimapotenzial von R1234a liegt bei 1430 - und ist damit 1430mal schädlicher als das Treibhausgas Kohlendioxid. R1234a greift zudem es die Ozonschicht an.

Als Ersatz schlug die Kommission in ihrer Richtlinie das mit R1234a verwandte Mittel R1234yf vor. Das neue Kühlmittel, das die beiden US-Unternehmen Honeywell und Dupont zukünftig gemeinsam produzieren wollen, ist 99,7 Prozent klimafreundlicher als der bisher verwendete Stoff.

Mit einem Klimapotenzial von nur 4,4 erzeugt es deutlich weniger klimaschädliche Gase als sein Vorgänger - dafür ist es leichter entflammbar. Seit 2011 sind alle Neuwagen in Europa mit dem neuen Kühlmittel ausgestattet - bis auf die Modelle von Daimler und der Konzerntochter Smart.

Brennende Autos mit Abschreckpotenzial

Grund für den Widerstand von Daimler sind die Ergebnisse interner Versuche mit dem neuen Kühlmittel: Bei 10 von 14 2012 durchgeführten Crashtests mit hauseigenen Modellen gelangte R1234yf in den Motorraum. Bei Kontakt mit heißen Bauteilen wie dem Turbolader oder der Lichtmaschine kam es zu einer chemischen Reaktion und die hochgiftige Chemikalie Flusssäure entstand. Flusssäure wirkt stark ätzend auf die Haut, die Schleimhäute und die Bindehaut der Augen - eine große Gefahr für Fahrzeuginsassen und Ersthelfer. Einige Versuchsmodelle brannten sogar vollkommen ab.

Daimler widersetzte sich der EU-Anordnung und fügte stattdessen dem alten, klimaschädlichen R1234a das Edelgas Argon zu. Die farb- und geruchlose Substanz zählt zu den am häufigsten verwendeten Schutzgasen. Bei Modellen von Mercedes wird die Substanz in einem flaschengroßen Behälter gespeichert. Im Falle einer Kollision leiten Sensoren das Argon an besonders heiße Motorteile - und verhindern so ein Entflammen des Kühlmittels R1234yf.

Nach Einschätzung der EU-Komission ändert der Zusatz von Argon jedoch nichts der Klimaschädlichkeit von R1234a. In ihrer letzten Stellungnahme 2014 hielt das Kraftfahrtbundesamt (KBA) jedoch an ihrer Entscheidung fest, Mercedes die Verwendung von R1234a nicht zu verbieten - trotz bereits geltender EU-Richtlinie. Zwar konnte das KBA die Flammenbildung des neuen Kühlmittels reproduzieren - allerdings nur in Extremfällen. „Daher ist die EU gefordert, hier Lösungen zu finden", erklärte ein Behördensprecher.

CO2 zu teuer und unerprobt

Nach Meinung vieler Branchenexperten ist die EU-Richtlinie um R1234yf nur eine vorrübergehende Lösung. Bereits in wenigen Jahren sollen Auto-Klimaanlagen ausschließlich mit Kohlenstoffdioxid (CO2) kühlen. Die Vorteile liegen auf der Hand: CO2 ist kostengünstig herzustellen und nochmals deutlich klimafreundlicher als R1234yf. Doch bisher wehren sich viele Autohersteller gegen die neue Technik: Zu unerprobt und zu teuer sei die Entwicklung und Herstellung der Anlagen. CO2-Klimaanlagen verdichten mit speziellen Kompressoren Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft auf bis zu 120 bar. Ähnlich einem Kältespray kühlt CO2 durch die erneute Verflüchtigung ab. "CO2 kühlt sehr gut, ist kostengünstig, ungiftig und nicht brennbar", sagt Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamts, der obersten deutschen Umweltbehörde. Zudem ist es unbegrenzt verfügbar. Holzmann vermutet daher vor allem wirtschaftliche Interessenverstrickungen hinter dem Widerstand der Autoindustrie.

Mercedes zumindest scheute bisher die Serienproduktion - erst 2017 werden die teuren Modelle der S- und E-Klasse mit CO2 gekühlt werden. Sobald man in der Lage sei, eine größere Anzahl an CO2-Klimaanlagen herzustellen, werde man diese auch in weitere Modelle einbauen, so der Stuttgarter Autohersteller. Die Hürden bis dahin seien noch hoch, so Daimler weiter: Da die neuen Klimaanlagen mit einem 10mal höheren Druck arbeiten, sei eine komplette Neuentwicklung der Klimaanlage nötig. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) legte dagegen bereits die ersten Weichen für die neue Klimaanlagen: In einer 2014 verabschiedeten Spezifikationsreihe sollen die einzelnen Komponenten der CO2-Klimaanlagen aufeinander abgestimmt werden.

Nicht die erste gerichtliche Auseinandersetzung

Die Ankündigung der EU-Kommission, den Fall nun vor Gericht auszufechten, stellt eine neue Dimension in dem Streit dar. Für Daimler ist es jedoch nicht die erste gerichtliche Auseinandersetzung zum Kühlmittel: Bereits 2013 hatte ein französisches Gericht mit einer einstweiligen Verfügung den Verkauf von Daimler-Modellen mit dem klimaschädlichen Kühlmittel R1234a erwirkt. Kurz darauf hob eine höhere Instanz den Zulassungsstopp wieder auf. Der aktuelle Fall wird kommenden Jahres vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt - sollte sich Daimler bis dahin nicht von seiner bisherigen Kühllösung losgesagt haben.

Daniel Mosler

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