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Ein Zimmermädchen macht in einem Hotel das Bett.

© Oliver Berg/dpa

Streit um Arbeitszeiten: Gewerkschaft beklagt Überstundenberg im Gastrobereich

Die Deutschen machen eine Million Überstunden - ohne Geld dafür zu bekommen. Und in der Gastronomie sollen die Zeiten noch mehr ausgedehnt werden.

Manchmal schlief sie im Keller. Ihre Schicht an der Rezeption dauerte bis Mitternacht. Die nächste begann am Morgen um acht. Müde vom Tag wollte die junge Frau nicht noch 50 Minuten nach Hause fahren, quer durch Berlin, und so ging sie die Stufen hinab. Legte eine Matratze auf den Boden, blieb, wo sie war. Dies ist keine einmalige Geschichte. Ein anderer Angestellter aus der Sternegastronomie berichtete von 16-Stunden-Tagen in der Küche.

Im Gastgewerbe arbeiten die Menschen mehr als im Durchschnitt und oft zu Zeiten, wenn andere frei haben. Insgesamt haben die Deutschen im vergangenen Jahr rund 2,15 Milliarden Überstunden geleistet, eine davon sogar ohne Bezahlung. Damit haben sie den Unternehmen quasi 25 Milliarden Euro geschenkt. Zumindest sagte das der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Er stellte in Berlin am Donnerstag den sogenannten „Überstunden-Monitor“ mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor, die gleichzeitig ihre bundesweite Kampagne #fairdient startete. „Von der Küchenhilfe bis zum Kellner – hier arbeiten Menschen, die auf jeden Cent angewiesen sind“, meinte Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft.

Der Dehoga findet Vorwürfe ungerecht

In diesem Kontext kritisierten beide Männer, dass der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die Bundesregierung dazu dränge, Arbeitszeiten noch flexibler zu gestalten. Schon jetzt würden die Mitarbeiter in Bars und Hotels zu allen möglichen Zeiten arbeiten. Bald könnten aber Tage von 13 Stunden locker möglich sein. „Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass zu viel Arbeit krank macht“, mahnt Zeitler. Jeder dritte Beschäftigte in Deutschland klage in dem Fall über Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen.

Der Dehoga findet diese Vorwürfe ungerecht. Es ginge den Arbeitgebern nicht um Mehrarbeit, sondern „um die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Lebenswirklichkeit“. An anderer Stelle drückte sich der Verband aber schon direkter aus: „Die simple Wahrheit: Es muss dann gearbeitet werden, wenn die Arbeit anfällt!“ Eine Flexibilisierung sei insbesondere im Veranstaltungsgeschäft nötig. Eine Hochzeit beginne zum Beispiel am Nachmittag. Das Ende der Feier war für ein Uhr nachts verabredet. Wegen der guten Stimmung möchten die Gäste spontan bis vier Uhr verlängern. Doch das Gesetz sage: Geht nicht. Der Gastronom stünde vor derWahl: Die Party pünktlich beenden oder ein Bußgeld von bis zu 15000 Euro zahlen. „Allerdings werden die Unternehmen so gut wie nie kontrolliert“, sagte Günther, „und das wissen sie auch.“ Laut seiner Analyse müsse ein Berliner Betrieb alle 400 Jahre damit rechnen.

Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hatte vor wenigen Wochen entschieden, dass Arbeitgeber nicht nur Überstunden, sondern die gesamte Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen müssen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fand das Urteil gut, während Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezweifelt, dass deutsche Gesetze geändert werden müssten. Dafür will er ein Gutachten erstellen lassen. „Wir werden das Ergebnis abwarten müssen“, sagte Zeitler am Donnerstag. Angesichts der Bedingungen im Gastgewerbe sehe er aber „selbstverständlich Handlungsbedarf“.

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