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Reine Luft. Das Fürstentum – hier das Schloss in Vaduz – hat sein Image gewandelt. Statt Reichen beim Steuerhinterziehen zu helfen, bemüht man sich jetzt um Finanz-Start-ups und Industriearbeitsplätze. Foto: Fabrice Coffrini/AFP

© AFP

Steueroase Liechtenstein: Keine schmutzigen Geschäfte mehr

Liechtenstein galt einst als Paradies für Steuerhinterzieher. Doch diese Zeiten sind vorbei, behauptet der Regierungschef. Man versuche einen Neuanfang.

In der Rush-Hour morgens zwischen sieben und acht und abends zwischen 17 und 19 Uhr kann es an den Grenzübergängen nach Österreich und in die Schweiz schon mal zu kleinen Staus kommen. Liechtenstein zählt zwar nur 38.000 Einwohner, aber genauso viele Arbeitsplätze. Da die Wohnrechte streng limitiert sind, wohnt die Hälfte der Arbeitnehmer in Österreich, der Schweiz und in Deutschland und fährt nach Liechtenstein zur Arbeit.

Profis mit Schlagbohrern

Das sechstkleinste Land der Welt ist vor allem als Finanzplatz bekannt. Doch die meisten Pendler arbeiten in der Industrie, die 40 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Größter Arbeitgeber ist der Autozulieferer Thyssen-Krupp Presta, der hier seinen Sitz hat und in Liechtenstein 2200 Mitarbeiter beschäftigt. Internationales Aushängeschild ist der Befestigungstechnik-Spezialist Hilti. Er ist für seine Profi-Bohrhämmer bekannt und hat weltweit 25.000 Mitarbeiter, davon 1700 am Firmensitz in Schaan. Die modernen Firmengebäude aus Stahl, Beton und Glas ziehen sich über einen Hang hin, der einen weiten Blick in das Rheintal und auf schneebedeckte Berge bietet. Gerade ist für 100 Millionen Euro ein neues Forschungszentrum fertiggestellt worden. Hinter einer großen Plane klafft eine neue Baugrube.

Michael Hilti hat „nie daran gedacht, hier wegzugehen“. Zwar machen hohe Lohnkosten und der starke Franken dem Unternehmen zu schaffen. Doch die „sehr gute Ausbildung der Arbeitskräfte“, niedrige Steuern und der freie Zugang zur EU kompensierten dies, sagt der 71-Jährige, der keine operativen Aufgaben mehr wahrnimmt. Anders als die Schweiz ist Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum. Da man gleichzeitig mit den Eidgenossen in einer Zollunion ist, hat das kleine Land freien Zugang zu den relevanten Märkten. Eine Sonderregelung begrenzt die Zuwanderung, weil der Ausländeranteil mit fast 34 Prozent sehr hoch ist und nur wenig Siedlungsraum vorhanden.

Die neue Transparenz

In Liechtenstein versteckten reiche Ausländer lange ihr Vermögen vor lästigen Steuerbehörden oder wuschen schmutziges Geld. Das ist vorbei. Nachdem Whistleblower Disketten mit Daten an deutsche Steuerfahnder verkauft hatten und der damalige Postchef Klaus Zumwinkel aufflog, stand das Land am Pranger und zog die Konsequenzen. Schneller als andere schloss sich das Fürstentum dem internationalen Standard zum automatischen Austausch von Kontoinformationen an. Zum Umdenken beigetragen hat auch Michael Hilti, der „negative Folgen für den Standort“ fürchtete. Hiltis Wort zählt hier. Er kennt Fürst Hans Adam II seit Kindertagen. Mit seiner Hilti Art Foundation setzt er in der Hauptstadt Vaduz in einem auffälligen weißen Kubus auch in Sachen Kunst mit Werken von Weltgeltung Akzente.

Gelegentlich gibt es noch negative Schlagzeilen. So wie jüngst, als der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichts wegen der Veruntreuung von Anlegergeldern in zweistelliger Millionenhöhe zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Oder als die Steuerfahndung in Wuppertal angeblich belastendes Material gegen Treuhandgesellschaften gefunden hat, die Beihilfe zum Steuerbetrug geleistet hätten. Das seien bedauerliche Einzelfälle: „Wir stehen für einen transparenten Finanzplatz und ahnden solche Handlungen strikt“, sagte Regierungschef Adrian Hasler dem Tagesspiegel.

Chancen in Nischen

Der Finanzsektor wächst wieder stabil. Die 14 Banken, allen voran die LGT, die dem Fürstenhaus gehört, haben sich vor allem auf das Vermögensmanagement konzentriert. Sie verzeichnen hohe Zuflüsse. Mit der Allianz-Tochter ART und W.R. Berkley haben sich neue Versicherungen angesiedelt. Und der Brexit bietet nach Ansicht Haslers „gewisse Chancen in Nischen“. Liechtenstein wirbt mit seiner Expertise bei Finanzthemen, Rechtssicherheit und Stabilität. „Die nächste Krise kommt bestimmt“, unkt Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands.

Hasler geht in die Offensive. Nach der Sanierung des Staatshaushalts habe das schuldenfreie Land Mittel, in den Ausbau des Glasfasernetzes zu investieren. „Mit kurzen Wegen und schnellen Antworten“, attraktiven Steuern, potenziellen Investoren sowie einem speziellen Regierungslabor innerhalb der Finanzmarktaufsicht „rollen wir Fintechs den roten Teppich aus“. 15 Fintechs zählt Liechtenstein bereits. „2016 hatten wir eine Anfrage pro Woche. In den letzten drei Monaten waren es zwei bis drei“, berichtet Patrick Bont von der Finanzmarktaufsicht FMA. Wirtschaftlich läuft es prächtig. Und politisch ist das Land stabil. Seit Langem regiert eine Große Koalition. Und Fürst Hans-Adam II, dessen Familie ein Privatvermögen von acht Milliarden Euro haben soll, hat das letzte Wort. Er hat nach wie vor ein Vetorecht bei Entscheidungen des Landtags und bei Volksabstimmungen. Als es vor einigen Jahren Bestrebungen gab, es abzuschaffen, drohte das Fürstenhaus mit Abwanderung. Das half. Die Mehrheit der Bevölkerung hielt zu ihm.

Info: Liechtenstein

Das Fürstentum Liechtenstein, unabhängiger Staat seit 1806, ist mit rund 160 Quadratkilometern Fläche etwas kleiner als der Berliner Bezirk Treptow-Köpenick – und hat insgesamt gut 37000 Einwohner, das sind so viele wie Bernau bei Berlin. Die Bevölkerung hat sich seit 1970 nicht einmal verdoppelt, das Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum aber um das 15-fache gewachsen: 2015 betrug es 6,2 Milliarden Dollar. Das entspricht der Wirtschaftskraft von Ländern wie Somalia oder Kosovo mit deutlich größeren Bevölkerungen. Regierungschef der parlamentarischen Erbmonarchie ist seit März 2013 Adrian Hasler.

Gerhard Bläske

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