zum Hauptinhalt
Schering - das war einmal. Heute prangt an der Müllerstraße in Wedding nur noch das Bayer-Kreuz. Der Umbau des Konzerns ist noch immer nicht abgeschlossen.

© dpa

Stellenabbau: Bayer schwächt Berlin

Bis zu 300 Stellen will der Pharma- und Chemiekonzern Bayer in der Hauptstadt streichen. Der Berliner Senat sieht das nicht als Entscheidung gegen den Forschungsstandort Berlin.

Es sind schlechte Nachrichten, mit denen die neue Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer begrüßt wird. Wenn die ehemalige Pharmalobbyistin und Ex-Bayer-Mitarbeiterin am kommenden Donnerstag ihren Job antritt, wird sie sich gerade mit der Branche auseinandersetzen müssen, für deren Interessen sie jahrelang kämpfte. Denn bei der Berliner Pharmatochter des Leverkusener Konzerns Bayer sollen bis zu 300 Stellen wegfallen oder verlagert werden. Nicht irgendwelche, sondern Jobs in Forschung und Entwicklung, die das strukturschwache Berlin so dringend braucht.

Der Konzern will die chemisch- pharmazeutische Entwicklung, in der nach Betriebsratsangaben in Berlin rund 350 Mitarbeiter beschäftigt sind, zum Großteil aus der Hauptstadt nach Wuppertal und Leverkusen verlegen. Am Sitz der Pharmatochter in der Müllerstraße, wo früher Schering ansässig war, gehen so bis zu 300 hochqualifizierte Jobs verloren. Diese Zahl gilt unabhängig von dem 2010 angekündigten konzernweiten Sparprogramm, über das bis Ende 2012 in Deutschland 1700 Stellen gestrichen werden. Am Dienstag habe man die Mitarbeitervertreter bei Bayer Pharma über die Umstrukturierungspläne informiert, sagte der Sprecher der Gesundheitssparte von Bayer, Oliver Renner. Wie viele Stellen verlagert würden, müsse nun zunächst mit den Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden. Den betroffenen Mitarbeitern werde aber angeboten, an die Bayer-Standorte Wuppertal oder Leverkusen zu wechseln.

Die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie IGBCE benennt die Pläne konkreter. Nach ihren Angaben sollen 170 Arbeitsplätze nach Wuppertal und Leverkusen verlagert werden, 130 Stellen sollen wegfallen – 90 in der Entwicklung, 40 im technischen Bereich. Insgesamt gingen laut der Gewerkschaft damit ein Viertel der 1200 Stellen in der Berliner Forschung verloren. Allerdings herrscht Uneinigkeit bei den Zahlen, Bayer selbst spricht von 2000 Forschungsarbeitsplätzen bei seiner Pharma-Tochter.

Die Gewerkschaft rechnet nicht mit einer hohen Zahl an Wechslern. „Erfahrungsgemäß sind es höchstens zehn Prozent, die einen Stadtwechsel mitmachen können“, sagte der Bezirksleiter der IGBCE, Oliver Heinrich.

Der Konzern begründet den Stellenabbau neben der Nähe zur Produktion in Leverkusen mit dem Kostendruck in der Branche. „Es gibt Doppelstrukturen, die noch aus der Schering-Übernahme herrühren, die wir abbauen müssen“, sagte Sprecher Oliver Renner. 2006 hatte Bayer das Berliner Pharmaunternehmen Schering übernommen. Zugleich betonte der Vorstandsvorsitzende von Bayer Pharma, Andreas Fibig, die hohe Bedeutung des Berliner Standortes für den Konzern (siehe Interview).

Die Arbeitnehmervertreter sehen das anders. Der am Dienstag verkündete Personalabbau treffe „ins Herz des Berliner Standorts“, sagte Bezirksleiter Heinrich. Man sei „aufs Höchste alarmiert“. Der wirtschaftliche Nutzen der Verlagerung sei „nicht nachvollziehbar“, sagte Heinrich. Detailfragen habe die Geschäftsleitung in der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses nicht beantworten können. „Es hieß nur, man wolle Synergien nutzen und Kosten einsparen“, sagte Heinrich.

Auch das Bekenntnis zum Standort will der Betriebsrat nicht so recht glauben. „Wir fürchten hier in Berlin eine Demontage auf Raten“, sagte der Betriebsratsvorsitzende in Berlin, Yüksel Karaaslan. Zwar werde immer wieder betont, Berlin bleibe wichtig. „Konkrete und feste Zusagen gibt es aber nicht. “ Nun will der Betriebsrat in harte Verhandlungen einsteigen. Denn bis Ende 2015 gilt eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Dann könnten die mindestens 130 Stellen in der pharmazeutischen Entwicklung gestrichen werden – wenn nicht zuvor schon Vereinbarungen über Abfindungen getroffen wurden.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, für die nach der Entlassung von Sybille von Obernitz derzeit Innensenator Frank Henkel (CDU) steht, nahm die Nachricht „mit Bedauern zur Kenntnis“. Man verstehe den Stellenabbau aber nicht als „Entscheidung gegen den Forschungsstandort Berlin, sondern für die Hebung von Synergien an den anderen Standorten.“

Zur Startseite