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Schön arrangiert: die Kanzlerin und die Unternehmensgründerin.

© Kevin P. Hoffmann

Start-up-Tour in Berlin-Mitte: Tauber schleppt Merkel zum Blumenhändler

Die Bundeskanzlerin hat sich am Donnerstagabend auf eine kleine Tour durch die Start-up-Szene in Berlin-Mitte begeben - auch auf der Suche nach Wahlkampfhelfern.

Zumindest dieser Teil von "Neuland" duftet ausgesprochen gut: Das dürfte Angela Merkel als erstes aufgefallen sein, als sie am Donnerstagabend den großen Büroraum der noch recht jungen Firma Bloomy Days betritt - über einen Hinterhof im schickeren Teil von Berlins Mitte. In fast jeder Ecke des Altbaus stehen frische Schnittblumen in Vasen. Dazwischen sitzen (an ihren Schreibtischen fast arbeitsrechtlich fragwürdig eng beieinander) rund 30 Menschen unter 40, die man gemeinhin nicht zur traditionellen Kernwählerschaft der Christlich Demokratischen Union zählen würde: Marketing- und Vertriebsleute, Softwareentwickler, Datenanalysten, Social-Media-Experten aus aller Welt.

Für die Kanzlerin ist der Termin eine leichte Aufwärmübung im Wahlkampf getarnt als Nachhilfestunde in der digitalen Welt. Für Franziska von Hardenberg, die Gründerin der Firma, ist dieser bisher wohl prominenteste Besuch der Firmengeschichte ein großes PR-Fest. Es wird gekrönt durch ein Gruppenbild mit Raute.

Die Aktion ausgedacht hat sich offenbar CDU-Generalsekretär Peter Tauber, ein Großkunde der Firma und ein Duzfreund der Gründerin, die er an diesem Abend mit Bussi begrüßt. Hardenberg berichtet, dass Tauber seit Mitte 2014 mehr als 220 Blumen-Lieferungen bestellt hat. „Mehr als die Hälfte davon waren für meine Mutter“, erklärt der 42-Jährige stolz. Wie viele Blumen von hier an die heute anwesende Dame gingen, die Teile der Republik schlicht „Mutti“ nennen, ließen Tauber und Hardenberg offen.

Merkel scheint der Termin zu gefallen. Sie nimmt sich mehr als die ursprünglich angesetzten 20 Minuten für Bloomy Days (hier ein Video-Porträt des Unternehmens) und findet noch Zeit für einen kurzen Wortwechsel mit den Gründern der kleinen Firma SecondHunt, die als Untermieter in einer Schreibtischecke im Büro der Blumenhändler eingezogen sind und einen Handel für Waffen und Jagdzubehör aufziehen. Unverhofft kommt Merkel so der alten CDU-Klientel doch noch näher.

Merkel war verspottet worden, als sie im Sommer 2013 erklärt hatte: „Das Internet ist für uns alle Neuland“. Heute ist es das nicht mehr. Sie legt - das muss man ihr lassen - bei diesem Termin mit mindestens zwei Fragen den Finger in die Wunden der Branche: Als Gründerin von Hardenberg berichtet, wie ihr Unternehmen wöchentlich die Blumen beim Großhandel in Holland kauft und dann daraus die Sträuße in einer Halle zusammenstellt, fragt Merkel, ob die Leute dort auch festangestellt sind. Hardenberg beteuert schnell, bevor Merkel groß nachbohren kann, dass es natürlich Festangestellte seien: Also Mini-Jobber. Viele davon seien vorher Langzeitarbeitslose gewesen.

Und als Merkel zu dem langen Tisch der Marketingabteilung geführt wird, fragt sie unter anderem nach, wie denn das Verhältnis von Marketingleuten zu anderen Angestellten ist. Tatsächlich mosern vor allem Hamburger und Münchener Beobachter der Berliner Gründerszene gern, dass Firmen der Hauptstadt zwar oft ausgezeichnet bei der Vermarktung sind, aber eher schwach aufgestellt bei der Technologieentwicklung. Hightech ist bei auch diesem digitalen Blumenverkauf nichts - oder wenig. Immerhin würde man die Software - anders als viele Firmen - im Haus entwickeln, erklärt Franziska von Hardenberg. Auch eine Frau habe dort im Team. Merkel gibt ihr die Hand.

Von Peter Tauber zusammengeführt: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Bloomy-Days-Gründerin Franziska von Hardenberg.
Von Peter Tauber zusammengeführt: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Bloomy-Days-Gründerin Franziska von Hardenberg.

© Kevin P. Hoffmann

Mit Blick auf das ganze Geschäft der 2012 gegründeten Firma möchte Merkel wissen: „Und. Verdienen sie auch schon was?“. Man stehe „kurz davor“, erklärt die Gründerin. Für das Jahr 2018 strebe man die Profitabilität an. Das soll dem Unternehmen unter anderem durch sein Blumenstrauß-Abo-Modell gelingen. „Abo ist ja auch eine sehr verlässliche Bank“, weiß Merkel. „Das ist ein seeehr gutes Geschäftsmodell“, bestätigt Hardenberg. Zudem sei sie auch mit dem französischen Öl-Konzern Total im Gespräch, ob der Bloomy Days „Flowers to go“ in seinen bundesweit 1200 Tankstellen verkaufen will.

"Der Belegschaft gibt das den Push"

Weing später rauschen Kanzlerin und Gründerin gemeinsam weiter zu einem anschließenden „Kamingespräch“ - ohne die Presse, dafür aber mit weiteren Gründern, darunter von den nicht mehr so kleinen Firmen Trivago (bereits 2005 gegründet), Westwing und Outfittery und Door2Door.

In der vorbereiteten Presseerklärung heißt es, die Kanzlerin wolle sich möglichst gut auf die Bedürfnisse der Branche einstellen und auch evaluieren, inwieweit sie im Wahlkampf auf Unterstützung der Industrie zählen können. Und das Ergebnis schon vorwegnehmend: „Dies ist offenbar der Fall, wie im Kreis der Teilnehmer des Kamingesprächs verlautete - die Führungsstärke Merkels sei beeindruckend und ihre Politik für mehr Innovation in Deutschland verdiene volle Unterstützung.“

Als der Merkel-Tross abgezogen ist, steht Franko Neumetzler, ein Investor aus Aachen, der rund 15 Prozent an Bloomy Days hält, noch in dem Büro zwischen den Blumen. „Marketingmäßig“ sei der Besuch der Kanzlerin natürlich gut. Aber viel wichtiger: „Der Belegschaft gibt das einen Push. Die haben ja auch große Tiefen erlebt“.

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