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„Europas Investitionen in Digitalplattformen sind eine Bankrotterklärung“: Investor Klaus Hommels fordert am Rande des Mediengipfels auch neue Kartellregeln.

© Stefan Kny/Media:net Berlin Brandenburg

Starinvestor Klaus Hommels: „Wir haben ein gigantisches digitales Handelsdefizit“

Starinvestor Klaus Hommels warnt vor der wachsenden Macht der US-Techkonzerne und sagt, was Politik und Unternehmen dagegen tun sollten.

Klaus Hommels (50) zählt zu den bekanntesten deutschen Wagniskapital-Investoren. Gerade wählte ihn das US-Magazin „Forbes“ auf Platz drei der erfolgreichsten Investoren Europas. Er zählte zu den ersten Geldgebern von Skype, das war auch sein erstes großes Investment. Dafür musste Hommels über Wochen Gründer Niklas Zennström überreden, wie er kürzlich beim Mediengipfel des Media:Net Berlin Brandenburg erzählte. Er investierte zudem auch früh in Facebook. Hommels hat die Wagniskapitalgesellschaft Lakestar in Zürich gegründet. Die bekannteste Beteiligung ist der Musikstreamingdienst Spotify. Lakestar hat auch in verschiedene Berliner Start-ups investiert, darunter den Gebrauchtwagenhändler Auto1 und das Reisevergleichsportal GoEuro.

Herr Hommels, Berlin feiert sich gern als Start-up-Hauptstadt, zu Recht?

Ich habe neulich im Spaß gesagt, Berlin ist das Lourdes für alle an Digitalisierung interessierten. Insofern ist da schon was dran. Die Stadt ist gleichauf mit London, Paris oder Stockholm und das ist auch gut so, denn es braucht immer ein Zentrum.

Also ist die Strategie der Bundesregierung kontraproduktiv, die gerade sogenannte „digitale Hubs“ in 16 Städten fördert?

Die Politik muss auch auf Dinge Rücksicht nehmen, die nicht durch Effizienz motiviert sind. Idealerweise würde man sich auf einige Zentren konzentrieren.

Die Konzentration ist auch die Stärke des Silicon Valley. Holen wir denn im internationalen Vergleich etwas auf?

Momentan haben wir ein gigantisches digitales Handelsdefizit und ich sehe nicht, dass sich das ändert.

Das müssen Sie erklären. Schließlich schimpfen doch alle über die deutschen Exportüberschüsse.

Ja, aber wir sind nur Exportweltmeister in alten Industrien. Schaut man sich an, was wir an digitalen Gütern konsumieren und selbst produzieren, verzeichnet Deutschland allein ein digitales Handelsbilanzdefizit von 26 Milliarden Dollar. In ganz Europa sind es 68 Milliarden.

Was sollte man dagegen tun?

Wir brauchen mehr Selbstvertrauen und Mut zur eigenen Identität. Alles aus Amerika wird immer mit Hosianna begrüßt, eigene Firmen dagegen skeptisch beäugt. Da muss man sich nur Spotify und Zalando anschauen, die zwei großen Firmen, die wir in Europa haben. Wie lange hat das denn gedauert, bis die in der Öffentlichkeit die verdienten Meriten bekommen haben? Zudem müssen wir gucken, dass die zarten Pflänzchen, die wir jetzt großziehen, nicht unter die Räder der Oligopolisten aus den USA kommen. Da müssen die Regeln des Fair Play konsequent eingehalten werden.

Welche Verstöße befürchten sie?

Schauen Sie sich das Angebot von Amazon an. Das reicht von der Lieferung über Musik und Film bis zum Sprachassistenten Alexa. Das sind verschiedene, komplizierte Geschäftsmodelle, die sehr ineinander verwoben sind und zum Teil quersubventioniert werden. Da muss es eine faire Plattformneutralität geben.

Den Behörden sind oft die Hände gebunden. Brauchen wir ein neues Kartellrecht?

Wenn die Ausnutzung einer Machtposition nicht nur über die Größe, sondern die Verquickung von Technologien erfolgt, ist das in unseren Gesetzen gar nicht abgebildet. Aber bis wir das in Gesetze gegossen haben, ist das Thema schon erledigt. Wir müssten also eine schnellere Antwort darauf finden.

Woran denken Sie da?

Das ist schwierig, denn ich bin kein Experte dafür, wie man so etwas politisch und juristisch verankert. Aber ich denke wir sind uns einig, dass nötige Reaktionen bisher zu lange dauern.

Zuletzt hat die EU eine hohe Strafe gegen Google verhängt und macht in Steuerfragen Druck auf Apple und Irland. Ist das der richtige Weg?

Das war überfällig. Allerdings wurde Google mit dem Gewinn von 31 Tagen bestraft, beziehungsweise 0,3 Prozent der Marktkapitalisierung. Dagegen wurde die Deutsche Bank in der Finanzkrise mit sieben Milliarden bestraft, als sie 35 Milliarden wert war. Das entspricht also 20 Prozent vom Marktwert. Und da hat sie Verluste gemacht. Das fühlt sich noch unausgewogen an.

Was sollte Europa sonst tun, um nicht gegen die US-Konzerne zu verlieren?

Regulierung ist das eine, aber wir müssen auch sehen, wie wir schneller selbst wieder Marktführer kreieren. Dafür müssen wir aber unsere Denkmuster ändern, gerade bei den großen Unternehmen vermisse ich den Mut.

Was würden Sie sich wünschen?

Ein Beispiel: General Motors war pleite und hat zwei Jahre später 500 Millionen in den Uber-Konkurrenten Lyft gesteckt. Da hätte doch Daimler mit 13 Milliarden Gewinn viel mehr in MyTaxi investieren können. Die haben am Anfang alles richtig gemacht, mit mehr Kapital hätte das eine Plattform werden können, die Europa dominiert. So werden oft nur homöopathische Dosen investiert.

Agiert die deutsche Autoindustrie inzwischen richtig?

Ich kenne die internen Zahlen nicht, aber darüber hinaus geht es auch hier darum, mit alten Denkmustern zu brechen. Denn in der Autobranche geht es künftig auch darum, wer mit einer Plattform den Großteil der Wertschöpfung herauszieht. Die Deutschen liefern genug Autos und haben dazu alle Macht, sie müssten jedoch zusammenarbeiten.

So wie beim Kartendienst Here?

Genau. Das Problem ist natürlich, dass dabei schnell das Kartellamt kommt. Das wäre kontraproduktiv. Die deutschen Autobauer müssten eine gemeinsame Plattform bauen dürfen. Denn Google, Apple oder wer auch immer als neuer Konkurrent kommt, ist wahrscheinlich viel mächtiger, nur nicht nach der Definition der Kartellbehörden.

Was müsste so eine Plattform leisten?

Der Verkauf ist künftig nicht mehr wichtig, sondern es geht um den Betrieb von Sachen. Auch die Autoindustrie und die Mobilität werden sich ändern. So hat künftig vielleicht eine Firma die Mobilitätshoheit in einer Stadt und stimmt selbstfahrende Autos mit Zügen, Bussen, Taxis und „Ubers“ ab.

China hat große Wettbewerber zu Google & Co. aufgebaut. Kann man davon lernen?

Ich will hier sicher nicht dem Protektionismus das Wort reden. Aber ist stringente Industriepolitik schon Protektionismus? Von den großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen ist keines mehr europäisch, auch die Investmentbanken wurden hier im Prinzip abgeschafft. Das ist alles eine Folge der amerikanischen Industriepolitik.

Was sollte Europa davon nachahmen?

Zum Beispiel die Rolle des Staates als Nachfrager. Das Silicon Valley ist dadurch entstanden, dass es am Anfang große Staatsaufträge gab. Ähnlich war es in Israel. Dagegen liegt das EU-Budget für Landwirtschaft bei über 100 Milliarden, für Digitales bei zwei Milliarden Euro. Warum man einen historischen Wirtschaftszweig so subventioniert und den zukünftigen so wenig, erschließt sich mir nicht. Und es gibt noch so eine erschreckende Zahl.

Nämlich?

1,4 Prozent. Das ist der Anteil europäischen Kapitals an den 20 größten digitalen Plattformen. Das ist eine Bankrotterklärung. Von der weltweiten Wirtschaftsleistung muss Europa da einen Anteil von mindestens 20 Prozent haben. Stattdessen werden auch bei Spotify & Co. die letzten großen Finanzierungsrunden von Amerikanern gemacht.

Und wie bekommen wir mehr hiesiges Geld in das System?

Es gibt ganz effiziente Möglichkeiten, um Rieseneffekte zu erzielen. Deutschland ist ja gut darin, über steuerliche Förderung Strukturen zu verändern. Das haben wir nach der Wiedervereinigung gesehen oder bei Solar und Windrädern. Wenn man das gelernte Instrumentarium auch auf den Digitalbereich anwendet, kann das massiv etwas bewegen.

Viele geförderte Firmen im Wind- oder Solarbereich sind jetzt aber pleite und das Geschäft machen die Chinesen.

Das stimmt und daraus kann man auch lernen. Aber wir brauchen erstmal ein paar führende Firmen, dann können wir überlegen was man tun muss, damit sie es auch bleiben. Von mir aus können auch 400 Firmen scheitern . Solange zwei, drei übrigbleiben, die danach eine globale Bedeutung haben, ist doch alles fein.

Was sind Technologietrends wo solche Firmen entstehen können?

Kryptowährungen sind faszinierend, und je mehr man sich damit beschäftigt, desto faszinierender werden sie. Wie immer gibt es einen Superhype und dann knallt es. Doch dann wird es sich in der Masse durchsetzen und massive Umwälzungen geben. Dafür die richtigen Gesetze zu geben, ist unglaublich wichtig. Die Schweiz ist da sehr fortschrittlich und deswegen sind auch viele Kryptowährungen aus den USA in der Schweiz domiziliert.

Sie sehen also keine Blase und würden immer noch in Bitcoin & Co. investieren?

Man muss auch Wetten eingehen, die in die Hose gehen, denn dabei baut man das Wissen auf, um nachher die richtigen Wetten einzugehen. Bei den Suchmaschinen war es nicht Yahoo, nicht Lycos, sondern erst später kam Google. Bei Sozialen Netzwerken gab es erst Friendster, dann MySpace und dann Facebook. Bei den Kryptowährungen sind wir jetzt noch in der Lycos-und MySpace-Phase. Doch wer da Trockentheoretiker bleibt, wird nie die Kriterien verstehen, die letztlich der entscheidenden Firma zum Durchbruch verhelfen.

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