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Nach oben: Die Koalition mit Angela Merkel und Olaf Scholz an der Spitze hat die Schuldenlast massiv erhöhen müssen.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Staatsschulden 2020: Was das erste Corona-Jahr kostet

Steuerminus und Virusbekämpfung - ohne neue Kredite ging es 2020 nicht. Die Schuldenlast fällt aber wohl geringer aus als gedacht. Doch was ist im neuen Jahr?

Das Coronajahr 2020 – es hat zu neuen Staatsschulden geführt, dass manchen wohl im Lauf der Monate schwindlig geworden ist angesichts der Zahlen. Aber es wächst auch die Gefahr, dass manche zu schwindeln beginnen, was die Schulden betrifft. Denn am 1. Januar beginnt ein Wahlkampfjahr. Wie also steht es um die deutschen Staatsfinanzen, vor allem die des Bundes? Als das Statistische Bundesamt kurz vor den Feiertagen meldete, dass die Summe aller öffentlichen Schulden einen neuen Rekordwert erreicht hatte, war endgültig klar, dass die Zeiten der Überschüsse, der schwarzen Null, der unbeschwerten Haushaltspolitik erst einmal vorbei sind. Auf knapp 2,2 Billionen Euro waren die Schulden Ende September gestiegen, knapp ein Sechstel (oder exakt 296 Milliarden Euro) mehr als Ende 2019. Allein die Bundesschuld war um 20 Prozent auf 1,43 Billionen Euro gewachsen.

Der Grund: Die Bewältigung der Coronakrise ist ohne neue Kredite nicht zu schaffen. Die hohen Defizite haben zwei Ursachen. Zum einen kam es – mittlerweile oft vergessen – wegen der Epidemie in China im ersten Quartal zu einem Produktionsrückgang in der deutschen Wirtschaft, weil Lieferketten unterbrochen waren. Schon deswegen brach die Konjunktur massiv ein, beginnend schon im März, im zweiten Quartal lag das Minus dann bei 9,8 Prozent.

Dazu trug dann auch der Frühjahrs-Lockdown bei, der beschlossen wurde, um eine zu schnelle Verbreitung des Virus in Deutschland zu unterbinden. Das Ergebnis waren zum einen massive Steuerausfälle. Vor allem die Unternehmenssteuern brachen ein, auch die Umsatzsteuer ging stark zurück, wegen Konsumzurückhaltung im Frühjahr und dann wegen der bis zum Jahresende befristeten Mehrwertsteuersenkung. Bei den großen Steuerarten – auf die Einkommen und die Umsätze – lag das Minus bis November bei mehr als neun Prozent. Schon das musste durch neue Kredite aufgefangen werden.

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Zum anderen aber hielt die Bundesregierung der Krise ein massives Unterstützungsprogramm für Unternehmen entgegen, und zwar über Kredithilfen wie auch mit direkten Zahlungen sowie einem Konjunkturprogramm im Sommer mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro. Zuletzt legte sie, um die Wirkung des aktuellen Lockdowns zu dämpfen, die November- und Dezemberhilfen auf. Vor allem der Bund war gefragt, er ersetzte unter anderem den Kommunen auch deren Gewerbesteuerausfälle.

Zwei Nachtragsetats

Um das zu finanzieren, brachte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zwei Nachtragshaushalte ein. Um neue Kredite aufnehmen zu können, wurde zum einen der Konjunkturspielraum der Schuldenbremse genutzt (bricht die Wirtschaft ein, darf sich der Bund über die im Grundgesetz festgelegte Grenze hinaus verschulden). Zum anderen wurde die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse aktiviert, die bei außerordentlichen Ereignissen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, noch zusätzliche Kredite erlaubt.

Alles in allem ließ sich Scholz vom Bundestag einen Kreditrahmen von 218 Milliarden Euro einräumen. Damit er seine „Bazooka“ laden und mit „Wumms“ reagieren konnte. Und wie sieht die Bilanz bisher aus? Dass die schlimmsten Befürchtungen, die man im Frühjahr hegte, nicht eintraten, war schon im Spätsommer klar. Die Wirtschaft lief besser als gedacht. Auf den Einbruch im zweiten Quartal folgte zügig wieder Wachstum, bis dann Ende Oktober der neue Lockdown beschlossen wurde. So ist eine echte Schuldenbilanz für 2020 noch nicht möglich.

Aber es sieht so aus, also ob die Bundesregierung den Kreditrahmen nicht voll ausschöpfen wird. Das Finanzierungsdefizit belief sich Ende November nach Angaben des Finanzministeriums auf 133,6 Milliarden Euro. Da wird bis Jahresende zweifellos noch einiges dazukommen, aber das ausgewiesene „Ist“ liegt doch sehr deutlich unter dem „Soll“ von 218 Milliarden. Der Bundesrechnungshof hatte schon vor Weihnachten geschätzt, dass der Bund etwa 50 Milliarden Euro weniger an neuen Schulden brauche als geplant.

2021 wieder Wachstum

Das Problem für Scholz und die Regierung wird daher eher das kommende Jahr werden. Denn dann wächst die Wirtschaft wieder, wie stark, ist unklar – es hängt auch von der Länge des Lockdowns ab. Und es werden weiterhin Hilfen für Unternehmen fließen. Da die konjunkturbedingte Verschuldung dann nicht mehr im Ausmaß von 2020 möglich sein wird, muss der Großteil der neuen Kredite dann mit einem Tilgungsplan versehen werden – die Schuldenbremse sieht das so vor, wenn die Ausnahmeregelung genutzt wird.
Während Scholz seine Defizitplanung für 2020 im Spätherbst deutlich nach unten korrigiert hatte, hat er für 2021 nachgelegt. 180 Milliarden Euro an neuen Krediten wurden daher zuletzt in den Haushalt geschrieben. Davon ist eine Summe von 35 Milliarden bisher mit keiner konkreten Planung belegt, sie ist eine Art Corona-Puffer.

Kritik der Kontrolleure

Bei allem Verständnis für das Nutzen der Ausnahmeklausel der Schuldenbremse sieht sich ein Kontrollgremium des Stabilitätsrats (in dem die Finanzminister des Bundes und der Länder ihre Schuldenpolitik koordinieren) veranlasst, warnend den Finger zu heben. Der Unabhängige Beirat, zusammengesetzt aus Wissenschaftlern und Vertretern etwa der Bundesbank und der Rentenversicherung, moniert in seiner jüngsten Stellungnahme, diesen großen Spielraum als „grundsätzlich problematisch“.

Zum Puffer von 35 Milliarden Euro schreibt der Beirat, eine „derart umfangreiche Vorratshaltung von nicht konkretisierten Kreditermächtigungen“ sei nicht nachzuvollziehen. Auch rügt er, dass für direkte Zahlungen an Unternehmen schuldenfinanziert 40 Milliarden Euro im Etat vorgesehen wurden. Ausgehend von den Erfahrungen in diesem Jahr stellt der Beirat fest: „Dass der Mittelbedarf im kommenden Jahr derart steigen wird, ist nicht offensichtlich.“

Scholz baut vor - finanziell und argumentativ

Kurzum: Während die Bundesregierung 2020 wohl mit weniger Schulden auskommt, als sie sich hat genehmigen lassen, genehmigt sie sich für 2021 – das Bundestagswahljahr – mehr, als sie möglicherweise brauchen wird. Scholz hat schon vorgebaut und erklärt, dass man wegen der geringeren Verschuldung in diesem Jahr sich im kommenden etwas mehr leisten könne. Aber Deutschland sei gut aufgestellt. Die Schuldenquote – also die Höhe aller Kredite im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – sei die geringste unter allen vergleichbaren Staaten. Und sie werde auch nach 2021 unter der liegen, die sich in der Finanzkrise nach 2008 angesammelt hat.

Allerdings muss die Bundesrepublik sich demnächst auch Schulden zurechnen lassen, welche die EU in der Coronakrise aufnimmt. Nach Berechnungen der Bundesbank sind das bis 2026 insgesamt 280 Milliarden Euro.

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