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Sein Stuhl ist bald vakant: DGB-Chef Reiner Hoffmann.

© dpa

Spitzenposten der Gewerkschaften: Querelen um die Nachfolge von DGB-Chef Reiner Hoffmann

Die Gewerkschaften sind uneins, wer Reiner Hoffmann nachfolgen soll. Die Wahl ist erst im Mai, doch die Kompromisssuche wird schwierig.

Personalfragen sind Machtfragen. Auch im Deutschen Gewerkschaftsbund. Acht Einzelgewerkschaften bilden den DGB, doch Führungspositionen entscheiden die drei Großen – IG Metall, Verdi und IG Bergbau, Chemie, Energie. An diesem Montag befassen sich die Gewerkschaftsbosse mit der Spitze des DGB.

Im Mai nächsten Jahres wird der Nachfolger von Reiner Hoffmann gewählt, besser noch: eine Nachfolgerin. Und im Januar bereits bestimmen die neun DGB-Bezirke ihr Spitzenpersonal. Wer gewählt werden soll, empfiehlt der Bundesvorstand – und hat damit diesmal ein paar Probleme.

Ärgerlich für die Industriegewerkschaften sind die Berliner Verhältnisse. Verdi, mit Abstand die größte Gewerkschaft im DGB-Bezirk Berlin-Brandenburg, will den hiesigen DGB-Vorsitzenden Christian Hoßbach, der von der IG Metall kommt, loswerden. Hoßbach, seit 2018 im Amt und zuvor acht Jahre stellvertretender Vorsitzender, ist den eher links tickenden Verdi-Funktionären zu sozialdemokratisch. Mit Ach und Krach haben sich die Gewerkschaftschefs deshalb auf eine neue Führung verständigt.

Das Problem in Sachsen

Die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger hat viele Jahr für Verdi gearbeitet und soll künftig der Arbeitnehmerschaft in Berlin-Brandenburg Stimme und Gesicht geben. Als Kargers Stellvertreterin ist Nele Techem von der Berliner IG Metall vorgesehen. Techem kennt sich aus in der regionalen Struktur- und Industriepolitik, und ihre Nominierung ist zwingend, um die Metaller letztlich zu besänftigen.

Das Berliner Problem ist damit aus Sicht von DGB-Chef Hoffmann gelöst. Anders als jenes in Sachsen. Die dortige Führung mit Markus Schlimbach (Verdi) und Anne Neuendorf (IG-Metall) hat nicht funktioniert. Neuendorf ist zurückgetreten, und Hoffmann hatte auch Schlimbach den Verzicht auf die Wiederwahl nahegelegt. Der will jedoch bleiben und stützt sich in seiner Beharrlichkeit auf den sächsischen Bezirksvorstand, der sich aus der Bundeszentrale des DGB nicht das Personal vorgeben lassen möchte. Schlimbach vermisst bei Hoffmann „Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Situation vor Ort“.

Hoffmann und die Industriegewerkschaften halten Schlimbach für unfähig. Der Bundesvorstand wird deshalb den Sachsen keine Empfehlung für die Wahl des Verdi-Mannes geben. Dagegen ist die Nominierung der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe für die Führung des Dresdner DGB unstrittig. Vielleicht auch deshalb, weil Kolbe sowohl Mitglied der IG Metall als auch von Verdi ist.

Die Stimmen aus Bayern

In Bayern dürfen sich die Delegierten der Bezirkskonferenz zwischen IG Metall und Verdi entscheiden. Der Münchener DGB-Chef Matthias Jena, ein Metaller, war im Mai verstorben. Für die Nachfolge bewerben sich Dominik Schirmer (Verdi) und Bernhard Stiedl (IG Metall). Bayern ist Industrieland und Stiedl leitet mit Ingolstadt (Audi) eine der größten Verwaltungsstellen der IG Metall, weshalb er als Favorit in das Rennen geht. Der Bundesverstand des DGB will sich nicht auf einen der beiden Kandidaten festlegen.

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Und auch nicht auf eine Person, die im Mai kommenden Jahres Reiner Hoffmann beerbt. Der 66-Jährige führt seit 2014 den Dachverband. Er kam von der IG BCE, für seine Nachfolge beansprucht nun die IG Metall das Vorschlagsrecht. Doch Personalangelegenheiten gehören nicht zu den Stärken des IG-Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann. Am liebsten hätte Hofmann die zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Christiane Benner, zum DGB wegbefördert. Doch die 53-Jährige will nicht und hat vielmehr den Herbst 2023 im Blick – dann wird der oder die nächste IG-Metall-Vorsitzende gewählt.

Eine Frau für die Spitze?

Benner will den Job an der Spitze der größten Gewerkschaften und stellt sich auf eine Kampfkandidatur gegen den erfahrenen Tarifpolitiker Roman Zitzelsberger ein, der den wichtigsten IG-Metall-Bezirk Baden-Württemberg führt. 2003 gab es schon einmal eine Kampfkandidatur. Die damalige Führungskrise und der verlorene Arbeitskampf um die 35-Stunden-Wochen im Osten ließ die IG Metall in ihre größte Krise taumeln.

Zurück zum DGB. Die Bosse der Einzelgewerkschaften hätte gerne eine Frau an der Spitze. Doch sie finden keine. Der Großteil der Spitzenfunktionen in den Einzelgewerkschaften ist mit Männern besetzt, auch deshalb ist es schwierig, eine Frau zu finden.

Vielleicht wagen die drei Sozialdemokraten an der Spitze von IG Metall (Hofmann), Verdi (Frank Werneke) und IG BCE (Michael Vassiliadis) eine doppelte Premiere: Erstmals eine DGB-Vorsitzende und dazu noch eine Grüne: Anja Piel, im bisherigen DGB-Vorstand für Soziales zuständig und zuvor Chefin der niedersächsischen Grünen, könnte und wollte.

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