zum Hauptinhalt
Das Legespiel «Die Siedler von Catan» ist eines der beliebtesten. Immer häufiger bringen Verlage Erweiterungen heraus.

© dpa

Spieletage in Essen: Jeder zweite Deutsche spielt Brettspiele

Die Spielemesse in Essen feiert neue Rekorde. Gesellschaftsspiele sind in Deutschland so verbreitet wie nirgendwo sonst. Doch der Erfolg stellt die Branche vor Herausforderungen.

Von Maris Hubschmid

900 Aussteller, 63 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, 160 000 Besucher – die „SPIEL’15“, besser bekannt unter dem Namen „Spieltage“, die aktuell in Essen läuft, erreicht 2015 Rekordzahlen. Dass die größte Spielemesse der Welt in Deutschland stattfindet, hat seine Berechtigung: In keinem anderen Land der Welt ist die Tradition des Gesellschaftsspiels so fest verankert. Umfragen zufolge spielen gut 39 Millionen Bundesbürger Gesellschaftsspiele, das ist jeder zweite. Ein toller Erfolg für die Branche – aber auch ein Problem: Der Markt gilt als gesättigt, pendelt seit Jahren um die Marke von 400 Millionen Euro Gesamtumsatz. Zugleich wollen immer mehr Firmen daran partizipieren.

Lediglich 30 von 1000 Entwürfen werden herausgebracht

Weil fast jeder Malefiz und Tabu schon zu Hause hat, wird das meiste Geld mit neuen Spielen verdient. „Zwei von drei verkauften Spielen sind jünger als 24 Monate“, sagt Hermann Hutter, Vorsitzender des Verbands Spieleverlage. Rund 1300 Neuerscheinungen kommen jedes Jahr auf den Markt.

Doch der Weg dahin ist weit: „Wir bekommen jährlich 500 bis 1000 Entwürfe zugeschickt“, sagt Hutter, der auch Geschäftsführer des Verlags Huch & Friends ist. „Herausgebracht werden vielleicht 30.“ Schätzungsweise 1000 Spieleentwickler gibt es in Deutschland, nur an die 40 können davon leben. Wird ein Spiel veröffentlicht, ist das schon ein enormer Erfolg. Das höchste Glück aber ist es, eine Auszeichnung wie den seit 1979 vergebenen Preis „Spiel des Jahres“ zu bekommen. Damit verkauft sich ein Produkt bis zu zehnmal besser. Für die Autoren, die wie Schriftsteller Tantiemen beziehen, bedeutet das mehr Geld, mehr Zeit und Spielraum, Neues zu erfinden.

60 Spieleverlage kämpfen um die Gunst der Fans

Die drei größten deutschen Spieleverlage sind Ravensburger, Kosmos und Schmidt. Es gibt rund 60 andere. Simple Spiele sind ab sieben Euro erhältlich, die komplexeren kosten gerne mal 40. Doch nicht einmal in der Finanzkrise ging die Nachfrage zurück.

So sehr gehört das Gesellschaftsspiel für viele Deutsche zu einem gemütlichen Abend zu Hause dazu, dass der Kulturrat es Anfang des Jahres zum deutschen Kulturgut erklärt hat. Dabei unkten mit dem Aufkommen von Computerspielen schon viele, dass die Tage des Brettspiels gezählt seien. Tatsächlich sind die Verkaufszahlen von Computerspielen und Konsolen leicht rückläufig.

Der größte Konkurrent ist der Fernseher

„Das Brettspiel funktioniert generationenübergreifend“, sagt Hutter. „Man kann zusammen sein und lachen.“ Der größere Konkurrent ist tatsächlich der Fernseher: „Guckt die Familie abends einen Film, oder setzt sie sich an den Tisch und spielt?“ Besonders froh ist der Verband über die Entwicklung im Segment Kinderspiele, das der gesamten Branche dieses Jahr wieder ein Plus beschert. Hier verzeichnen die Händler ein Umsatzwachstum von zwölf Prozent.

Wer schon als Kind ans Brettspiel gewöhnt wird, sagt Hutter, bleibe oft ein Leben lang treu. „Als Teenager werden viele abtrünnig. Aber spätestens im Studentenalter kommen sie zurück.“ Dann seien Kommunikations- und Partyspiele gefragt. Spieleabende, sagt man in der Branche gern, sind das Grillen des Winters.

Zur Startseite