zum Hauptinhalt
Be der „Poznan Game Arena“ in Poznan (Posen) haben sich Cosplayer als Videospiel-Helden verkleidet.

© Poznan Game Arena/promo

Spielemesse "Poznan Game Arena": Posen in Posen

Polen mausert sich zum Standort der Computerspiele-Industrie. Auch Berliner Entwickler zeigten sich jetzt auf einer Messe in Poznan. Die Stadt liegt näher viel näher an Berlin als Köln, das die Gamescom veranstaltet

Mikolaj Kaminski ist der König von Poznan (ehemals Posen) – zumindest für drei Tage. Auf der Computerspielmesse „Poznan Game Arena“ zeigt Kaminski, Künstlername „Sos“, seine anarchischen Experimente. Er lässt Messebesucher wie wild auf einer Tanzmatte trippeln, damit eine Spielfigur ekstatisch mit dem Fuß wippt. Oder er setzt Spielern Helme auf, damit sie Tastaturen mit Kopfstößen zertrümmern und auf dem Bildschirm ein Pixel-Chaos anrichten. Den Besuchern scheint das zu gefallen: Kaminskis Stand ist permanent umlagert.

Die „Poznan Game Arena“ (PGA) ist Polens wichtigste Spielemesse – und sie wächst ununterbrochen. Zur diesjährigen PGA kamen zwischen Freitag und Sonntag rund 60 000 Menschen, 20 000 mehr als im Jahr zuvor, 100 Firmen stellten aus. Entsprechend voll war es in den vier gläsernen Hallen, so voll, dass in der gewaltigen Menschenmenge zeitweilig kaum ein Durchkommen war. Der Begeisterung tat das keinen Abbruch: Geduldig warteten die meist jugendlichen Besucher darauf, ihr Lieblingsspiel auszuprobieren oder eines der Souvenirs zu erhaschen, die von den Bühnen ins Publikum geworfen wurden.

Es gab E-Sport-Turniere, als Elfen verkleidete Cosplayerinnen und eine Entwicklerkonferenz mit 50 Vorträgen. Besonders lange Schlangen bildeten sich bei Games mit „Oculus Rift“: Die Virtual-Reality-Brille lässt Spieler tiefer ins Geschehen eintauchen als je zuvor.

Für Firmen gewinnt die PGA stetig an Bedeutung. Sie ist zwar immer noch viel kleiner als die Gamescom in Köln, die dieses Jahr 330 000 Besucher anlockte. Doch zählt der polnische Spielemarkt zu den dynamischsten in Europa. In Poznan stellen also Branchenführer wie Microsoft, Nintendo, Ubisoft und Crytek aus – und Spieleschmieden aus Berlin.

Mehr als gut besucht. Die Computerspielemesse „Poznan Game Arena 2014“ lockte rund 60.000 - meist jüngere - Besucher in die west-polnische Stadt.
Mehr als gut besucht. Die Computerspielemesse „Poznan Game Arena 2014“ lockte rund 60.000 - meist jüngere - Besucher in die west-polnische Stadt.

© Poznan Game Arena/promo

„Die polnische Gesellschaft ist sehr jung und technologiebegeistert, besonders bei Mobile- und Browsergames“, erklärt Michael Liebe. „Das passt einfach sehr gut zu dem, was hier in Berlin produziert und angeboten wird.“ Liebe ist Botschafter von Games.net, dem Firmennetzwerk der Berliner Spieleindustrie. Im April startete Games.net mit Unterstützung des Senats die Initiative „Berlin meets Poland“, um beide Seiten besser zu vernetzen. Zur PGA schickte Games.net eine Firmendelegation, die auch Firmen in Warschau besuchte. Auch das Computerspielemuseum aus Berlin-Friedrichshain warb in Poznan um Gäste.

Was Messen betrifft, sind Poznan und Berlin durchaus Konkurrenten. Die polnische 500 000-Einwohner-Stadt liegt nur zweieinhalb Autostunden von Berlin entfernt, mit mehr als 60 Events ist sie wichtigster Messestandort des Landes. Doch bei Spielemessen konkurrieren beide Städte nicht direkt miteinander: Die Berliner „International Games Week“ ist eine reine Business-Messe, während die PGA stärker die Spieler selbst anspricht.

Michael Liebe sieht in der Zusammenarbeit von Berlin und Polen viel Potenzial. „Die polnische Spieleindustrie wächst rasant, ständig entstehen neue Start-ups und Ideen. Diese jungen Firmen produzieren qualitativ hochwertige Inhalte, die sie weltweit vermarktet sehen wollen. Für Berliner Spielevermarkter wie Glispa, Gamegenetics oder Applift ist das hochinteressant.“ Liebe tritt der Meinung entgegen, das Geld fließe dabei vorwiegend von Deutschland nach Polen: „Berliner Unternehmen können durch die Zusammenarbeit viel Geld verdienen.“ Doch nicht nur für App-Vermarkter, Browser- und Mobilegame-Hersteller ist das Nachbarland interessant. Gerade die kleineren Berliner Spielestudios erhalten in Poznan mehr Aufmerksamkeit als bei der Gamescom, die von großen Spielefirmen dominiert wird.

Eines dieser kleinen Independent-Studios ist Maschinen-Mensch aus Friedrichshain. Riad Djemili und Johannes Kristmann arbeiteten lange beim renommierten Berliner Studio Yager, ehe sie ihr eigenes Start-up gründeten. Ihr erstes Werk heißt „Curious Expedition“ und soll noch dieses Jahr erscheinen: In dem Browser-Strategiespiel mit Retro-Ästhetik begeben sich berühmte Forscherpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts auf gewagte Entdeckungsreisen. „Wir hatten überlegt, auf der Gamescom einen Stand zu mieten“, erzählt Riad Djemili. „Das hätte aber unser gesamtes Jahresbudget für Marketing verbraucht. Die PGA ist für Aussteller dagegen unglaublich günstig.“ Ein kleiner Stand kostet in Poznan 250 Euro, in Köln dagegen mehr als das Zehnfache.

Für das Studio Maschinen-Mensch ist die PGA ein Experiment: „Uns interessiert, ob die Spielermentalität hier eine andere ist als in Deutschland“, sagt Djemili. „Man hört oft, dass osteuropäische Spieler komplexere Spiele mögen, etwa Strategiespiele. Damit könnten sie für uns als Zielgruppe sehr relevant sein.“ Florian Masuth vom Studio Black Pants besuchte die PGA vor allem, um Kontakte zu knüpfen. 2013 erhielt Black Pants für „Tiny & Big“ den Deutschen Computerspielpreis, für 2015 kündigte die Firma das Roboter-Abenteuer „On Rusty Trails“ an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false