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Höflichkeit. Das sollte im Job selbstverständlich sein. Wer aber zu freundlich ist, lässt sich leicht ausnutzen.

© Karolin Krämer/dpa-tmn

Sozialkompetenz: Kaffee gefällig?

Es ist ganz nett, auch mal an die Kollegen zu denken. Doch übertreiben sollte man es nicht. Wer beruflich vorankommen will, muss vor allem die eigenen Interessen im Blick haben.

Wer nett zu Kollegen ist, muss nicht alleine Mittagessen, plaudert locker in der Teeküche, bringt den anderen auch mal einen Kaffee oder was Süßes mit. Außerdem sorgt ein netter Kollege für eine gute Stimmung im Team. Wer nett ist, springt auch ein, wenn es mal eng wird. Nett sein heißt, gemocht werden, auch im Job. Klingt super, ist es aber nicht unbedingt. Für die Karriere kann es eher hinderlich sein – und einem sogar schaden.

Nett sein darf man nicht mit Freundlichkeit verwechseln: Ein höflicher Umgangston sollte im Job eine Selbstverständlichkeit sein, wie Karriereberaterin Ute Bölke aus Wiesbaden sagt. Mit nett sein ist gemeint, dass man ständig die Aufgaben übernimmt, die sonst keiner will. Oder den überarbeiteten Kollegen unter die Arme greift und für die Aufgaben selber Überstunden macht. Oder auch, dass man auf ruppige Ansagen oder unberechtigt heftige Kritik so freundlich wie immer antwortet.

Wer nett ist, wird oft als Ja-Sager wahrgenommen. „Das kann schnell ausgenutzt werden“, warnt Anne Forster. Sie ist Karriereberaterin und Coach in Zürich. Wer nur Ja sagt, nur macht, was er gesagt bekommt, ärgert sich oft und staut auf Dauer Frustration auf.

Immer mehr Aufgaben oben drauf

Coach Kristine Qualen aus Hamburg sieht bei diesen sehr netten Menschen, die zu allem Ja sagen, deshalb vor allem die Gefahr eines Burn-outs. „Sie bekommen immer mehr Aufgaben oben drauf“, erklärt die Diplom-Psychologin vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ja-Sager in der Firma meist kein gutes Standing haben und als nicht ernstzunehmend gelten. Für ihre Mühe bekommen sie somit in der Regel keine Anerkennung: Die Aufgaben, die keiner will, sind meist solche, mit denen man zwar lange beschäftigt ist, sich aber nicht profilieren kann. „Man bleibt unsichtbar“, erklärt Qualen. Im besten Fall gelte man als „fleißiges Arbeitsbienchen“. So bekommen die Netten immer mehr das Gefühl, ausgenutzt und mit Arbeit zugeschüttet zu werden. Das eigene Verhalten zu ändern, ist aber nicht leicht. Denn letztendlich hängt nett sein mit der Erziehung zusammen, erklärt Qualen. „Als Kind wurde man fürs nett, brav und lieb sein belohnt.“ In der Arbeitswelt bleibt die Belohnung dafür dann aber aus.

Es gibt einige Anzeichen, an denen Mitarbeiter merken, ob sie zu nett sind. „Man wird nicht nach seiner Meinung gefragt und bringt sie von selbst nicht ein“, nennt Bölke als Beispiel. Und: „Weiterbildungen, Beförderungen und interessante Aufgaben laufen ohne einen.“ Kollegen sind nur nett und kommen auf einen zu, wenn sie etwas wollen – und zwar nicht etwa einen Rat, sondern dass man ihnen Arbeit abnimmt. „Wenn das Berufsleben ein Stück weit an einem vorbeizieht, sollte man wachsam werden“, rät Bölke.

Sichtbar machen, was man tut

Qualen rät, zunächst seine Glaubenssätze zu überprüfen: So gehen nette Menschen meist davon aus, dass es schon gesehen und etwa in Form einer Beförderung gewürdigt wird, dass sie mehr als genug arbeiten. Meist stimmt das nicht. Dann sei ein inneres Selbstgespräch ratsam: „Ich muss mir überlegen: Was will ich, und was brauche ich?“

Bloß was ist dann zu tun? Bei Entscheidungen ist es besser, sich etwas Bedenkzeit zu verschaffen, als reflexhaft Ja zu sagen. Laut Qualen kann man das seinem Gegenüber so erklären: „Ich kann noch nicht direkt zusagen, ich möchte erst noch darüber nachdenken.“ So erspare man sich Situationen, in denen man einen Tag später „Hätte ich bloß nicht zugesagt“ denkt.

Oder man wagt es einfach mal und sagt Nein und widerspricht – das kann auch im Freundeskreis oder in der Familie sein. Das kann zum Beispiel heißen, dass man sich bei der Diskussion um Unternehmungen am Wochenende einbringt und die Vorschläge der anderen nicht einfach abnickt. „Man fängt an, Grenzen und Selbstbewusstsein aufzubauen, wenn man die Diskussion tatsächlich sucht“, sagt Forster. „Man beginnt mit Kleinigkeiten, aber man kann es auch zum Beispiel auf Gehaltsverhandlungen übertragen.“

Keine beleidigte Leberwurst werden

Auch Bölke rät, erst mal in seinem privaten Umfeld anzufangen, mit dem Ja-sagen aufzuhören. Hilfreich sei zum Beispiel das Feedback von Freunden, ob man sich in dieser Hinsicht verändert habe. Außerdem kann man mit ihnen bestimmte Situationen aus dem Arbeitsleben besprechen und alternative Verhaltensstrategien entwickeln – so ist man beim nächsten Mal besser gewappnet.

Wichtig ist: Wer Nein sagt oder jemandem in einer Diskussion Paroli bietet, sollte das nüchtern und sachlich tun. „Wer immer nett war und sich dann vornimmt, es nicht mehr zu sein, rutscht schnell in ein trotziges oder beleidigendes Verhalten“, sagt Qualen. Schraubt man seine Nettigkeit zurück oder sagt Nein, sollte man das immer sachlich erklären können. „Sonst erweckt man schnell den Eindruck einer beleidigten Leberwurst.“ dpa

Elena Zelle

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