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Diskussionsfreudig sollten angehende Sozialpädagogen sein, die später mit Jugendlichen arbeiten wollen. Eine frühe Spezialisierung, zum Beispiel durch Praktika, hilft bei der Jobsuche.

© Imago/Busse

Sozialarbeiter: Die Menschen stark machen

Latzhose, Wollpulli, „Jesuslatschen“? Das Sozialarbeiter-Klischee aus den 1980er Jahren stimmt längst nicht mehr. Heute sind Sozialpädagogen in vielen Bereichen im Einsatz – von Jugendclubs über Kliniken bis hin zu Flüchtlingsheimen.

In seinem ersten Praktikum geriet Florian Fischer eines Tages in eine Prügelei zwischen 300 aufgebrachten Hertha- Fans der „Ultra“-Bewegung und der Polizei. Fischer stand mittendrin. „Dabei war ich nur der Sozialarbeitsstudent, der die Fans bei den Spielen begleiten sollte – und noch dazu Union-Fan“, erzählt der heute 31-Jährige und muss bei dem Gedanken ein wenig lachen. Er hatte sich für das Praktikum in einem Fanprojekt entschieden, weil ihn die Tätigkeit im Bereich Fußball und Jugendarbeit interessierte.

Ohne einen Kratzer hat er die Situation überstanden. „Die Fans waren fair zu mir. Sie haben selbst Vorteile darin gesehen, von Sozialarbeitern begleitet zu werden“, sagt Fischer. So konnte er zum Beispiel in Konfliktfällen einzelne Störer beschwichtigen und zwischen den Fans und der Polizei vermitteln.

Latzhose, Wollpulli, „Jesuslatschen“? Dem Sozialarbeiter-Klischee aus den 1980er Jahren stehen im Jahr 2015 Angestellte in Fußballtrikots, Kletterschuhen oder Malerkitteln gegenüber. Die alte Unterscheidung zwischen Sozialpädagogik als Jugendarbeit und Sozialarbeit als Armenfürsorge ist seit den 1990er Jahren aufgehoben. Heute ist Soziale Arbeit der Überbegriff für Studiengänge und Berufe, in denen an der „sozialen Entwicklung“ und „Stärkung und Befreiung der Menschen“ gearbeitet wird – so die Definition der globalen Sozialarbeiter-Organisation IFSW.

Absolventen finden in der Regel schnell eine Stelle

Der Beruf ist vielfältig: Sozialarbeiter leisten Schuldner- und Suchtberatung, unterstützen Flüchtlinge beim Ankommen in Deutschland, betreuen Menschen mit Behinderung, sitzen an Krisentelefonen, helfen in Frauenhäusern, klettern und malen mit Jugendlichen oder spielen mit ihnen Fußball oder Theater. Sogar in der Entwicklungszusammenarbeit kommen sie unter. Arbeitgeber sind zum Beispiel Kirchen, gemeinnützige Vereine, Kliniken oder Unternehmen.

Der Weg in den Beruf führt immer über ein Studium. In Berlin bieten die Katholische und die Evangelische Hochschule sowie die Alice-Salomon-Hochschule Studiengänge an. Ein Bachelor reicht in der Regel – danach bekommen Absolventen automatisch die staatliche Anerkennung. Florian Fischer musste nach seinem Abschluss nur drei Bewerbungen schreiben, dann hatte er einen Job in einem Sportjugendclub in Prenzlauer Berg. Dort können Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren Fußball spielen und klettern. Fischer ist für sie da, löst Konflikte.

„Absolventen finden in der Regel schnell eine Stelle, wenn sie in dem jeweiligen Arbeitsbereich schon Erfahrungen haben“, sagt Sabine Dietzsch, Beraterin für akademische Berufe der Agentur für Arbeit Berlin Süd. Studienanfängern rät sie deswegen, sich früh auf den Bereich zu spezialisieren, in dem sie später tätig sein wollen. „Wer zum Beispiel mit Flüchtlingen arbeiten will, sollte die Pflichtpraktika im Studium bei Flüchtlings- oder Migrationsorganisationen absolvieren und Sprachen lernen.“ Zusätzliche BWL-Kurse im Studium zu belegen mache dagegen Sinn, wenn man später eigenständig Projekte organisieren oder Fördergelderakquise betreiben wolle.

Man kann aufsteigen

Bei Florian Fischer passte alles: Er hatte die richtigen Praktika gemacht und kletterte selbst in seiner Freizeit. Bei seinem Arbeitgeber machte er noch eine Weiterbildung als Klettertrainer. Doch auch wenn der Arbeitsmarkt für Sozialarbeiter gut ist, sind unbefristete Vollzeitstellen wie die von Fischer selten: „Viele Stellen sind projektfinanziert, laufen also nach ein oder zwei Jahren aus“, erklärt Sebastian Kiedaisch, zweiter Landesvorsitzender des Deutschen Berufsverbands für soziale Arbeit (DBSH). Einige Sozialarbeiter hätten mehrere Teilzeitjobs gleichzeitig. Auch gebe es „nicht gerade Spitzengehälter“. Meist wird nach Tarif TV-L 9 bezahlt, Berufsanfänger bekommen also zum Beispiel 1600 Euro netto im Monat.

Doch man kann aufsteigen – indem man etwa einen Masterstudiengang wie „Sozialmanagement“ absolviert und dann nicht mehr mit Klienten, sondern in der Verwaltung arbeitet. In Mastern wie „Klinische Sozialarbeit“ oder „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ können Berufstätige sich spezialisieren. Selbst Absolventen anderer Studiengänge wie Ethnologie oder Geschichte satteln in weiterbildenden Masterstudiengängen auf Sozialarbeit um. Allerdings gibt es ohne den Bachelor keine staatliche Anerkennung; Quereinsteiger können deswegen nur in Führungstätigkeiten oder in der Weiterbildungsarbeit für Erwachsene tätig sein.

Florian Fischer will erst einmal keinen Master machen. An seinem Beruf gefällt ihm besonders, dass er selbst viel gestalten kann: Mit seinen Kollegen veranstaltet er zum Beispiel Spielnachmittage für die Kinder des benachbarten Flüchtlingsheims und organisiert Antirassismus-Trainings an Schulen. Seine jetzige Arbeit, findet er, unterscheidet sich gar nicht so sehr von der in dem „Ultras“-Fanprojekt: „Soziale Arbeit ist immer Beziehungsarbeit. Man bewegt etwas, indem man Leute vernetzt – und wenn man Glück hat, löst man dabei Probleme.“

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