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Steht nicht zum ersten Mal in der Kritik: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.

© dpa/Hannibal Hanschke

Skandale um Julia Klöckner und Co: Wenn Minister Werbung machen

Klöckner kocht für Kaufland, Müller kauft bei Lidl, Bär empfiehlt Lego-Sets: Wo sind die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und Schleichwerbung?

Julia Klöckner strahlt in die Kamera, in der Hand eine überdimensionierte schwarze Pfeffermühle. Neben der Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung steht breit grinsend der Fernsehkoch Johann Lafer und schwenkt Gemüse in der Pfanne. Woher dieses Gemüse kommt, ist deutlich gekennzeichnet: „Präsentiert von Kaufland“, steht in großen Buchstaben neben der CDU-Politikerin.

Mit diesem Foto bewirbt die „Bild“-Zeitung ein Video aus ihrer Reihe „Kochen mit Lafer“, das am Sonntag ausgestrahlt wurde. Der Shitstorm für die Ministerin folgte prompt, auch zahlreiche Politiker äußerten sich kritisch. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) versuchte sich in Schadensbegrenzung.

Das Sponsoring durch Kaufland sei der Ministerin nicht bekannt gewesen, hieß es in einer Stellungnahme. In der Sendung habe Klöckner zu Lebensmittelverschwendung und anderen politischen Themen sprechen wollen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Politiker wegen Vorwürfen der Schleichwerbung und des Lobbyismus in die Schlagzeilen geraten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) war im März 2019 zu Gast in einer Lidl-Filiale und zeigte sich beeindruckt von deren Fairtrade-Produkten. „Lidl hat erkannt wie es geht. Ich kaufe bei Lidl!“, erklärte er.

Nicht immer sind solche Auftritte von den Unternehmen erwünscht: 2018 posierte der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke auf Twitter mit Vita-Cola – der Hersteller distanzierte sich kurz darauf.

Klöckner stand schon früher in der Kritik

Auch Julia Klöckner stand bereits vor der Kochsendung in der Kritik. 2018 posierte sie, damals „Bierbotschafterin“, mit einem Kasten Bier eines Onlinehändlers, der ihr, laut Erklärung des BMEL, „unaufgefordert“ zugeschickt worden sei. Das Logo des Händlers ist auf dem Foto deutlich zu sehen.

Im Juni 2019 hatte das BMEL auf Twitter ein Video veröffentlicht, in dem Klöckner gemeinsam mit Marc-Aurel Boersch, dem Deutschland-Chef des Lebensmittelkonzerns Nestlé für weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten warb.

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Kritik kam unter anderem vom SPD-Politiker Karl Lauterbach, der das Video als „peinlich, ja bitter“ bezeichnete, und der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart. Klöckner ging in die Offensive, bezeichnete kritische Kommentare als Hassrede. „Schlichter geht es nicht“, twitterte die Ministerin, „hasserfüllt Politikern pauschal Lobby zu unterstellen, wenn sie ihre Arbeit machen und gute Ziele für die Bevölkerung erreichen.“

Rund 20 Beschwerden wegen Schleichwerbung gingen wegen des Nestlé-Videos damals bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ein. Die unabhängige Einrichtung ist unter anderem für die Regulierung von privatem Rundfunk und teilweise auch Internetmedien zuständig.

Sie kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Video nicht um Wirtschaftswerbung handelte, weil die Ministerin sich nicht bei der Ausübung eines Gewerbes oder freien Berufs geäußert habe. „Wenn ich selbst nicht gewerblich tätig bin, liegt in der Regel keine Schleichwerbung vor“, sagt Marco Holtz, Stellvertretender Direktor der MABB. In dem Nestlé-Video habe es keinerlei werbliche Äußerungen der Ministerin gegeben.

„Es darf nicht einmal der Eindruck von Korruption entstehen“

„Wenn Geld fließen würde, wäre das ein Problem“, sagt Holtz. Bisher habe er aber nicht erlebt, dass Unternehmen Politikern Geld für Werbung gezahlt hätten. Die verfassungsrechtlichen Grenzen für eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung würden überschritten, wenn der informative Gehalt des Videos eindeutig hinter werblichen oder unterhaltenden Aussagen zurücktrete.

Die MABB hatte nach dem Nestlé-Video angekündigt, Richtlinien zu den Grenzen der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit des Staates zu entwerfen. Im neuen Medienstaatsvertrag, der im September in Kraft treten soll, ist dies aber von der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten ausgenommen, die Aufgabe übernimmt das Parlament.

Die Transparenzorganisation Abgeordnetenwatch.de kritisiert, dass nicht bekannt sei, welche Folgen Verstöße von Politikern in diesem Bereich haben. Grundsätzlich seien Regierungsmitglieder im Rahmen des Neutralitätsgebots angehalten, sich nicht mit wirtschaftlichen Interessen einzelner Firmen gemeinzumachen, sagt Léa Briand, Sprecherin der Organisation. Abgeordnetenwatch.de klage seit 2019 auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes, um Auskunft über entsprechende Sanktionen zu erhalten.

Neben den rechtlichen Fragen stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung von Politikern. „Es darf nicht einmal der Eindruck von Korruption entstehen“, sagt Briand. Die Organisation sieht insbesondere in der Lebensmittelbranche ein strukturelles Problem, da das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung Industrie- und Verbraucherinteressen vereine.

Für Influencer und Politiker gelten andere Regeln

Streitthema sind auch die unterschiedlichen Regulierungen, die in den sozialen Medien gelten. Influencer müssen Postings mit Produkten oft als Werbung kennzeichnen, selbst wenn sie kein Geld dafür erhalten.

Dorothee Bär bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises.
Dorothee Bär bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises.

© picture alliance / dpa/Tobias Hase

Für Politiker gelten diese Regeln nicht. Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) etwa postet auf ihrem als privat gekennzeichneten Instagram-Account, auf dem ihr über 40 000 Menschen folgen, regelmäßig Fotos von Markenprodukten und spricht Kaufempfehlungen für Sets von Lego oder Playmobil aus. Prominent in vielen Bildern ist die Applewatch der Digitalministerin. Auf die Frage eines Instagram-Users, ob sie mit ihrer Uhr zufrieden sei, antwortete die Ministerin mit „sehr zufrieden!“.

„Influencer sind in der Regel gewerblich tätig“, sagt Marco Holtz. Sie leben von ihren Posts in den sozialen Medien, was für die Vermutung spreche, dass sie eine Werbeabsicht haben. „Das kann man bei Politikern nicht so pauschal unterstellen.“ Während Influencer häufig Kooperationsverträge mit Unternehmen eingehen, sei dies bei Politikern in der Regel nicht der Fall. „Natürlich muss man trotzdem genau hingucken“, sagt Holtz.

Andererseits gebe es auch das Problem der Überkennzeichnung. Momentan wird Influencern oft verwehrt, sich als Privatpersonen positiv über Marken oder Unternehmen zu äußern. Es gelte sowohl das öffentliche Medienrecht als auch das private Wettbewerbsrecht, Verwaltungsgerichte fällen andere Urteile als Landgerichte. „Das ist immer noch ein Flickenteppich“, sagt Holtz. Ein Urteil vom Bundesgerichtshof zum Influencermarketing gibt es noch nicht.

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