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Über Jahrzehnte war die Internationale Autoschau, die alle zwei Jahre in Frankfurt am Main stattfindet, die wichtigste Fahrzeugausstellung der Welt.

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Sinnkrise eines Dinosauriers: Auf der Automesse IAA geht die Zukunftsangst um

Weniger Aussteller, kleinere Flächen, neue Themen: Die Automesse IAA braucht ein neues Image. Und vielleicht einen neuen Standort. Wird es Berlin?

Bernhard Mattes ist pfeifend im düsteren Wald unterwegs. „Wir gehen mit Zuversicht auf die IAA!“, sagt der Präsident des Autoverbandes VDA. In Wirklichkeit ist er so nervös wie noch nie vor der Internationalen Autoschau, die alle zwei Jahren in Frankfurt am Main stattfindet und über Jahrzehnte die wichtigste Fahrzeugausstellung der Welt war.

Am heutigen Montag geht es los mit ersten Präsentationen, am Donnerstag eröffnet Angela Merkel die Messe und am nächsten Wochenende werden Zehntausende in Frankfurt erwartet. Aber aber nicht nur Besucher, die Freude am Fahren haben.

Am Mittwoch zieht die Umwelthilfe vor dem Messegelände „Zwischenbilanz zu zwölf Jahren Abgasbetrug und vier Jahren Dieselgate“. Nachdem Automausstieg und das Ende der Kohleverstromung beschlossen sind, haben die Ökologen jetzt die Autoindustrie im Visier.

Ausgerechnet jetzt, wo die Branche im Transformationsstress steckt: Neue Antriebe, Digitalisierung und autonomes Fahren sowie der Klimaschutz kosten gewaltige Summen, die verdient werden müssen. Und zwar ganz überwiegend mit Verbrennungsmotoren.

Viele Hersteller kommen nicht

„Driving tomorrow“ laute das diesjährige Motiv der IAA. Die Umfeldbedingungen sind schon schwer genug - mit großer Nervosität erwartet die Branche das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung am 20. September –, und nun ist auch noch die Leistungsschau selbst ins Gerede geraten. Die Cebit-Angst geht um, also die Furcht vor dem Siechtum einer einstigen Leitmesse bis zum Aus.

Viele Hersteller, darunter Toyota, Hyundai, Renault und PSA, Mazda und Volvo, kommen nicht. Alles in allem gibt es 800 Aussteller, vor vier Jahren waren es 1100. Schlimmer noch: Ein Platzhirsch wie BMW hat statt der üblichen 11.000 nur noch 3000 Quadratmeter gebucht. Die Münchener sparen nicht unbedingt am Marketingbudget, sie geben es anders aus, etwa für die „BMW Next Gen“, die im Juni drei Tage in München stattfand: Ein Tag Fachpresse, ein Tag für Händler, ein Tag für Influencer.

Neue Formate für Marken

Auch Audi und Volvo machen eigene Ausstellungen, zum Beispiel Roadshows in Städten. Direkte Ansprache der Zielgruppe statt ein Auftritt unter vielen auf der IAA mit ihren 800 000 Besuchern. Der Verband der Autoindustrie (VDA) veranstaltet die Messe und finanziert mit den Einnahmen der Schau die eigene Lobbyarbeit. Den Ton im Verband geben die Großen an, also VW, Daimler und BMW, Bosch und Conti. Wenn der VDA die IAA modernisieren will und neue Mobilitätsdienste, Softwarefirmen und Start- ups integriert, dann funktioniert das nur mit dem Einverständnis der großen VDA-Mitglieder. Das ist nicht einfach. Von „Verbrüderung mit dem Status Quo“, spricht ein IAA-Insider.

IAA auf vier Säulen

Immerhin gibt es seit 2015 die „New Mobility World“ auf der IAA als Plattform für Digitalisierung, Dekarbonisierung und neue Formen der Mobilität. Dieses Event legte zugleich die Grundlagen für die Säulen Conference, Exhibition und Experience, die in diesem Jahr neben der vierten Bereich Career die Messe tragen sollen. „Wir bringen Technologieunternehmen zusammen mit Herstellern, Zulieferern, Mobilitätsdienstleistern und Start-ups“, sagt VDA-Chef Mattes.

Die IAA ist zugleich Publikumsmesse für PS-Freaks und Fachveranstaltung für Autojournalisten und -händler. Es gibt Marketingleute, die das Konzept schwierig finden, weil die Aussteller sich die Aufmerksamkeit mit vielen anderen teilen müssen. Colja Dams von der Agentur Vok Dams findet dieses „Corporate-Festival-Concept“ dagegen prima. Die Fachmesse CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas, bei der alle Autohersteller vertreten sind, öffne sich gerade deshalb für das breite Publikum. Das an ein Festival erinnernde Flair, dazu Erlebniswelten wie Fahrparcours sowie Formate zum Diskutieren und  Mitmachen seien gerade im Trend, meint Dams.

Vertrag mit der Messe Frankfurt läuft aus

In die Richtung denkt wohl auch VDA-Präsident Mattes, wenn er die IAA attraktiver machen will für junge Leute und für Frauen. Und: „Erreichen wir die die relevanten Entscheider, Gestalter und Macher künftiger individueller und nachhaltiger Mobilität?“ Am 23. September wird Mattes das wissen.

Nach der Messe muss sich die VDA-Spitze auch mit der Frage beschäftigten, wo die nächste IAA stattfindet. Der Vertrag mit der Messe Frankfurt läuft aus, und andere Messestandorte würden sich nur zu gerne die 120 Jahre alten Veranstaltung angeln. Die erste IAA hatte es 1897 im Berliner Hotel Bristol gegeben, bis 1939 ging es weiter auf dem Messegelände unterm Funkturm; 1951 zog die IAA  dann teilungsbedingt nach Frankfurt um.

Kurz nach dem Fall der Mauer überlegten sich der damalige Berliner Messechef Manfred Busche und die VDA-Präsidentin  Erika Emmerich einen Coup: Die beiden wollten die wichtigste Autoschau der Welt nach Berlin zurückholen. Für die Nutzfahrzeuge schien Tempelhof ideal, für die Pkw wurde das Messegelände ausgebaut und aufgehübscht. Es blieb bei einer Idee. Die Nutzfahrzeugmesse verlegte der VDA nach Hannover, und die Pkw-IAA blieb bis heute in Frankfurt.

Jetzt ist eine andere Zeit. Die IAA schrumpft und käme nun auch in den Berliner Hallen unter. Event oder Festival kann Berlin wie keine andere deutsche Stadt. Hier hat sich eine hippe Szene mit Start-ups und Digitallaboren der Autokonzerne etabliert, die an der künftigen Mobilität arbeiten. Und demnächst gibt es wirklich einen Flughafen mit internationalen Verbindungen. „Berlin ist spannend“, heißt es beim VDA. Und eine Leitmesse für die deutsche Schlüsselbranche wird auch im nächsten Jahrzehnt gebraucht.

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