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Johannes Teyssen ist seit zehn Jahren Vorstandsvorsitzender von Eon.

© REUTERS

Sigmar Gabriel und Johannes Teyssen feiern Eon: Die Marktwirtschaft gelernt

Vor 15 Jahren war Eon das wertvollste deutsche Unternehmen. Ein Jubiläumsbuch blickt zurück auf äußerst turbulente Zeiten.

Launig und locker haben die Herrschaften aus der Energiewirtschaft erst mit der Zeit gelernt. Ulrich Hartmann, der erste Chef von Eon, sei „stocksteif“ gewesen, erzählte Hans- Willy Bein am Montagabend im Gasometer des Euref-Campus, der gut gefüllt war mit honorigen älteren Männern in dunklen Anzügen. Gastgeber Johannes Teyssen, seit zehn Jahren Vorstandsvorsitzender und fast nur noch mit offenem Hemd unterwegs, trug ausnahmsweise Krawatte. Es wurde ein runder Geburtstag gefeiert, und mit Sigmar Gabriel kam ein ehemals wichtiger Politiker zum Gratulieren vorbei. Im Mittelpunkt aber stand das maßgeblich von dem Journalisten Bein im Auftrag von Eon geschriebenen Jubiläumsbuch „Changing Energy – Wie der Eon-Konzern sich neu erfindet“ über die vergangenen 20 Jahre.

100 Milliarden Euro bewegt

Da gibt es viel zu erzählen über Irrungen und Wirrungen und das Jonglieren mit Milliarden. „Akquisitionen liefen zumeist schlecht“, erzählte Bein, „aber das wurde wettgemacht durch die sehr guten Verkäufe“. Kaufen und Verkaufen in einem atemlosen Tempo – das kennzeichnet die ersten Jahre. Eon war 2000 entstanden durch den Zusammenschluss von Veba und Viag. Damals zählte die Belegschaft 190 000 Köpfe. Durch Unternehmensverkäufe verließen binnen fünf Jahren 150 000 Beschäftigte den Konzern, 43 000 kamen dazu. „Durch Transaktionen wurden 100 Milliarden Euro in den fünf Jahren bewegt.“

75 000 Beschäftigte sind übriggeblieben

Heute, nach der Übernahme von Innogy vom „Erzfeind RWE“ (Gabriel) beschäftigt Eon noch 75 000 Personen – und erzeugt keine Energie mehr. Aus dem riesigen Gemischtwarenladen ist ein Konzern mit zwei überschaubaren Geschäftsfeldern geworden: Kundenlösungen und Netzinfrastruktur. Nach eigenen Angaben betreibt Eon mit 1,5 Millionen Kilometern das größte Stromverteilnetz in Europa, die „Lebensader der grünen Energiewende auf dem Kontinent“. Die Konzerngeschichte der vergangenen 20 Jahre ist auch eine Geschichte deutscher Wirtschafts- und Energiepolitik. „Zickzackkurs“ ist dafür eine sehr wohlwollende Beschreibung.

Die Katastrophe Fukushima

Um 2005 war Eon mit einem Börsenwert von 100 Milliarden Euro das wertvollste deutsche Unternehmen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung verlängert 2010 die AKW- Laufzeiten, ein Jahr später passiert der GAU in Fukushima und die Merkel-Regierung beschließt, bis 2022 aus der Kernkraft auszusteigen. Für die Stromkonzerne ein GAU.

Das Kernkraftwerk Grohnde im Landkreis Hameln-Pyrmont (Niedersachsen) gehörte mehrheitlich zu Eon.
Das Kernkraftwerk Grohnde im Landkreis Hameln-Pyrmont (Niedersachsen) gehörte mehrheitlich zu Eon.

© DPA

Sowohl Teyssen als auch Gabriel erinnerten an die Liberalisierung der Märkte und die Privatisierung ehemals staatlicher Versorger. Teyssen sprach von einer „völligen Stümperei, als es darum ging, Liberalisierung zu lernen“. Die Gebietsmonopole hatten den Energiekonzernen wunderbare Profite beschert – ohne lästige Wettbewerber. „Wir mussten Marktwirtschaft lernen“, blickte Teyssen zurück. Die ersten zwei, drei Jahre im Wettbewerb habe man nur deshalb Gewinne ausweisen können, weil Rückstellungen aufgelöst worden waren.

Milliardenprofit mit CO2-Rechten

Ein Geschenk des Himmels, auch an dieser Stelle war der Eon-Chef bemerkenswert offen, war die Einführung des CO2-Zertifikatehandels. Die Energiebranche bekam kostenlos Verschmutzungsrechte zugeteilt, erhöhte aber trotzdem – und mit Verweis auf den neuen Zertifikatehandel – die Preise. Allein Eon machte dadurch 2,5 Milliarden Euro Extraprofit, wie Teyssen erzählt. „Betriebswirtschaftlich war das richtig, politisch war es falsch.“ Und in der Nachbetrachtung sogar eine „Katastrophe“, weil das Verhältnis zur Politik schwer belastet wurde.

Zu lange auf Kernkraft gesetzt

Gabriel wiederum hält Eon und RWE vor, zu lange auf Kernkraft gesetzt zu haben. „Da war gesellschaftlich etwas unterwegs, gegen das man langfristig nicht bestehen kann“, würdigte der ehemalige Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister die Anti-AKW-Bewegung. Als Umweltminister in der ersten Merkel-Regierung (2005-2009) habe er sich bisweilen über Schreiben der Energiewirtschaft gewundert, die wortgleich inklusive identischer Rechtschreibfehler aber eben mit anderem Briefkopf aus dem Wirtschaftsministerium gekommen seien, das damals von dem CSU-Politiker Michael Glos geleitet wurde. „Es gab schon eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen Energiewirtschaft und Wirtschaftsministerium“, erinnert sich Gabriel an den Einfluss der Konzerne.

Träger der Energiewende

Eon und RWE seien aber gleichwohl als internationale Player auch wichtig für den Erfolg der deutschen Energiewende. „Andere müssen bei uns erkennen können, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen“, sagte Gabriel, der etwas neidisch auf Teyssen Bemerkung reagierte, dass Veba und später Eon über all die Jahrzehnte nur sechs Vorstandsvorsitzende gehabt hätten. Das sei bei der SPD leider anders, meinte Gabriel. „Soll ich mich da bewerben“, fragte Teyssen. „Es kann nur besser werden“, antwortete der frühere SPD-Vorsitzende.

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