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Das ganz große Rad. Berlin ist der weltweit größte Produktionsstandort für Siemens.

© dpa

Siemens in Berlin: Die Gasturbine ist kein Auslaufmodell

3700 Menschen arbeiten im Berliner Gasturbinenwerk bei Siemens. Der Alstom-Deal könnte für sie eine Chance sein.

Mit Alstom oder ohne, das Geschäft wird weitergehen. „Die Gasturbinen-Technologie hat auf jeden Fall Zukunft“, sagt Oliver Paschereit, der den Bereich Experimentelle Strömungsmechanik an der TU Berlin leitet. „Mindestens in den kommenden 40 Jahren werden wir sie noch verwenden.“ Auf die Mitarbeiter des Siemens-Gasturbinenwerks in Berlin-Moabit könnte die Experteneinschätzung eine beruhigende Wirkung haben: Ganz egal, wie der Münchener Technologiekonzern sich im Fall Alstom im Detail positioniert – die Beschäftigten in Fertigung, Entwicklung und Service werden noch lange gebraucht. Ob allerdings alle 3700 Stellen am Standort erhalten bleiben, ist aus Sicht von Arbeitnehmervertretern keineswegs sicher.

„Wenn Siemens das Gasturbinen-Geschäft von Alstom übernimmt, könnte das durchaus negative Auswirkungen auf das Werk hier haben“, befürchtet Klaus Abel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. Verglichen mit 2012 sei das Auftragsvolumen bei Siemens um 20 bis 25 Prozent zurückgegangen, schätzt der Gewerkschafter. Beim potenziellen Partner Alstom gebe es ebenfalls „freie Kapazitäten“ im Gasturbinen-Segment. „Wenn – wie französische Medien berichten – im Fall der Übernahme zusätzliche Stellen in Frankreich entstehen sollen, muss man schon fragen: Was geschieht mit den Kapazitäten in Deutschland?“, gibt Abel zu bedenken. Nach einem Bericht der französischen Zeitung „Le Figaro“ will das deutsch-japanische Bündnis aus Siemens und Mitsubishi Heavy Industries (MHI) in Frankreich 1000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Den Münchenern geht es bei der Übernahme vor allem um das Gasturbinen-Geschäft, das sie erwerben wollen, während MHI ein Auge auf die Dampfturbinen geworfen hat. Wie beide Konzerne am Montag mitteilten, bietet Siemens 3,9 Milliarden Euro für das Gasgeschäft. Mitsubishi wiederum wolle drei Joint Ventures mit Alstom bilden und dafür 3,1 Milliarden Euro einbringen.

Gaskraftwerke gelten als gute Ergänzung zu erneuerbaren Energien, weil sie sich relativ schnell hoch- und herunterfahren lassen und kurzfristig zur Verfügung stehen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. In Kombination mit Dampfturbinen erzielen Gaskraftwerke Wirkungsgrade von mehr als 60 Prozent und sind damit effizienter als Kohlekraftwerke. Allerdings sind die relativ umweltfreundlichen Gaskraftwerke im Betrieb derzeit deutlich teurer als Kohlekraftwerke. Das liegt daran, dass der Preis für die Kohlendioxid-Emissionszertifikate sehr niedrig ist. Branchenkenner schätzen, dass CO2-Zertifikate um den Faktor vier bis fünf teurer sein müssten, damit Gaskraftwerke mithalten könnten.

Trotz der Bedenken ist die Gewerkschaft dem Siemens-Alstom-Deal nicht abgeneigt. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen das Geschäft“, betont Abel. „Aber wir wollen, dass es geregelt ist“ – und zwar im Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretern. Langfristig könnte der Deal sogar nützlich sein: Mit General Electric würde nicht nur ein Konkurrent aus dem europäischen Markt herausgehalten. Mit Alstom würde auch ein bestehender Konkurrent verschwinden. Damit würden die Kuchenstücke für die Verbleibenden sogar größer.

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