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Schicke Autos, wenig Gewinn. Share-Now ist in 16 europäischen Metropolen mit rund 11.000 Fahrzeugen vertreten.

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ShareNow wird verkauft: Lässt sich mit Carsharing überhaupt Geld verdienen?

BMW und Mercedes verkaufen ihr defizitäres Gemeinschaftsunternehmen Share-Now an die Opel-Mutter Stellantis. War es das mit Carsharing?

Mercedes-Benz und BMW steigen aus dem Carsharing aus. Das Gemeinschaftsunternehmen Share-Now, das 2019 aus dem Zusammenschluss von Car-2-Go und Drive-Now entstand, wird vom Opel-Mutterkonzern Stellantis übernommen. Die Unternehmen teilten am Dienstag mit, es sei eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet worden. Zu den Konditionen des Verkaufs wurde Stillschweigen vereinbart. Die Kartellbehörden müssen dem Deal aber noch zustimmen.

Angesichts der hohen Verluste, die Share-Now angehäuft hatte, war ein Verkauf schon länger erwartet worden. Nur in einigen Großstädten läuft das Geschäft profitabel. Zuletzt hatte Mercedes-Chef Ola Källenius bekräftigt, dass Mobilitätsdienste nicht zum Kerngeschäft des Stuttgarter Autobauers zählen. Allein Mercedes verbuchte für sein Tochterunternehmen einen Verlust von 329 Millionen Euro bei einem Umsatz von 260 Millionen Euro.

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Share-Now ist in 16 europäischen Metropolen mit rund 11 000 Fahrzeugen vertreten und kommt nach eigenen Angaben auf rund 3,4 Millionen Kunden. In Berlin werden 1600 Autos angeboten, 570 000 Kunden führt Share-Now in der Bundeshauptstadt in der Kartei.

Die Konzernchefs Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) starteten mit fünf Joint Ventures.
Die Konzernchefs Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) starteten mit fünf Joint Ventures.

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„Für Mercedes und BMW war der Ausstieg aus dem defizitären Carsharing rational. Beide verstehen sich inzwischen vor allem als Fahrzeughersteller“, kommentierte Dietmar Voggenreiter, Automotive-Experte beim Beratungsunternehmen Horváth und früherer Audi-Vertriebsvorstand, den Verkauf. Mit Free-Now behielten sie aber eine digitale Schnittstelle zum Kunden „und damit eine Buchungsplattform für Mobility-as-a-Service-Angebote der nächsten Stufe“.

Mobilitätsdienste habe Zukunft

Letzteres bleibt für Autohersteller strategisch wichtig, denn die Zukunft des autonomen Fahrens wird voraussichtlich auch Mobilitätsdienste deutlich attraktiver machen – für Nutzer und Betreiber. „Wer Mobilitätsdienstleistungen und künftig autonom fahrende Shuttle-Services anbietet, erschließt einen riesigen Markt“, sagt Voggenreiter.

Opel-Mutter Stellantis kann sein Mobilitätsangebot ausbauen, wenn die Kartellbehörde dem Verkauf zustimmt.
Opel-Mutter Stellantis kann sein Mobilitätsangebot ausbauen, wenn die Kartellbehörde dem Verkauf zustimmt.

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Horváth prognostiziert ein Marktvolumen für autonome Fahrzeuge für Mobilitätsdienste von jährlich 25 bis 40 Milliarden Euro allein für Deutschland. Carsharing sei eine Vorstufe dazu, die aber noch nicht wirklich attraktiv und für die Betreiber wegen hoher Personal-, Wartungs- und Logistikkosten zu teuer sei.

Zum ursprünglichen Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Mercedes-Benz gehört neben dem Carsharing auch der Taxi- und Mitfahr-Vermittler Free-Now sowie die Ladestationen-Plattform Charge-Now. 2019 kündigte das Unternehmen den Abschied aus dem Nordamerika-Geschäft an. Im März 2021 wurde die Parkplatz-App Park-Now an den schwedischen Konkurrenten Easypark verkauft. Die Mobilitäts-App Reach-Now wurde eingestellt.

[Lesen Sie auch: Chef der Berliner Mobility-Firma Miles: „Der Staat bremst Carsharing aus." (T+)]

„In gewissen Innenstadtlagen und für einige Anwendungen kann Carsharing heute schon funktionieren, aber der Markt ist klein und die Bereitschaft, das private Auto abzugeben, ist gering”, sagt Voggenreiter.

Was Mercedes und BMW nicht gelang, stellt sich für Volumenhersteller wie Stellantis oder Volkswagen anders dar. Sie operieren mit größeren Stückzahlen und entwickeln selbst Mobilitätsdienste, die künftig autonom unterwegs sein sollen. VW etwa will seinen Ridepoolingdienst Moia schon 2025 in einigen Städten automatisieren. Mit We-Share bietet VW in Berlin und Hamburg rein-elektrisches Carsharing an. Stellantis kooperiert mit dem US-Anbieter Waymo. Ein Zukauf wie Share-Now kann da attraktiv sein, um mehr Kunden und Größe zu erreichen – zumal, wenn der Preis stimmt.

Carsharing hat es in Deutschland schwer

„Für Stellantis mit seinem großen Markenportfolio dürfte es ein äußerst preisgünstiger Einstieg sein“, sagte Ferdinand Dudenhöffer. Im Volumenmarkt mit preisgünstigen Fahrzeugen habe Share-Now am ehesten eine Überlebenschance.

Stellantis mit Marken wie Opel, Fiat, Chrysler und Peugeot kann mit dem Erwerb das Angebot seiner Mobilitätstochter Free2move ausbauen. Deren Chefin Brigitte Courtehoux will das bisher defizitäre Geschäft mit der stationsunabhängigen Auto-Vermietung profitabel machen. Free2move bedient mit 2500 Leihautos zwei Millionen Nutzer an sieben Standorten in Europa und den USA. Stellantis hat sich vorgenommen, bis Ende des Jahrzehnts 15 Millionen aktive Kunden zu gewinnen und einen Nettoumsatz von 2,8 Milliarden Euro zu erzielen.

Die Kommunen spielen nicht mit

Carsharing dürfte es in Deutschland auch besonders schwer haben, weil die heimischen Autobauer starkes Interesse am Verkauf von Autos für den Individualverkehr haben. Hinzu kommen politische Hürden. Vor allem die stationsunabhängigen Anbieter wie Share-Now, We-Share, Sixt oder Miles beklagen, dass die Kommunen ihnen bei den Parkgebühren nicht entgegenkommen.

Die Politik verfolgt den Share-Now-Verkauf aufmerksam. Für den Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar unterstreicht die Bewegung am Carsharing-Markt dessen Bedeutung: „Im Pkw-Bereich gewinnt das Teilen von Fahrzeugen immer mehr eine strategische Bedeutung“, sagt der Grünen-Politiker aus Berlin.

Um Carsharing zu fördern, hat die damalige schwarz-rote Bundesregierung 2017 ein Carsharinggesetz verabschiedet, das im September 2019 in Kraft getreten ist. Es räumt den Kommunen die Möglichkeit ein, mehr Parkplätze für geteilte Fahrzeuge freizuräumen und die Parkgebühren für die Angebote zu reduzieren.

Berlin plant eine Sondernutzungsgebühr

Bisher machen nur wenige Städte von dem Gesetz Gebrauch. In Berlin plant der rot-grün-rote Senat sogar die Einführung einer Sondernutzungsgebühr für die Fahrzeuge. Oliver Mackprang, Chef des Berliner Carsharhing-Unternehmens Miles, beklagt deshalb immer wieder die Ungleichbehandlung: Die „Verteilung der Lasten” sei nicht angemessen, sagte der 34-Jährige dem Tagesspiegel. Das Halten eines privaten Pkw werde von den Städten auch noch gefördert.

Die FDP will das ändern: „Die Politik müsse bestehende Barrieren abbauen, um durch Deregulierungen verstärkt solche Mobilitätsangebote zu erleichtern“, sagt FDP-Verkehrspolitiker Valentin Abel.

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