zum Hauptinhalt
Leben in Zeiten des Coronavirus: Die einen bestellen Essen bei ihren Lieblingsrestaurant. Andere bestellen Sexspielzeug wie den Womanizer, um sich die Zeit zu vertreiben.

© Michael Kappeler/dpa und imago images/ HRSchulz

Sextoys, Lieferpizza, Videostreaming: Wer vom Coronavirus profitieren könnte

Die Wirtschaft bricht ein in der Coronavirus-Krise. Doch es wird auch Gewinner geben. Ein Überblick.

Leere Regale in den Supermärkten und Drogerien – wer dieser Tage noch Nudeln oder Handdesinfektionsmittel ergattern konnte, hat Glück. Auch Konservendosen sind zurzeit beliebt. Doch nicht nur deren Hersteller können sich in Zeiten der Corona-Krise über steigende Umsatzzahlen freuen. Vor allem viele digitale Angebote erleben einen starken Aufschwung.

Lieferservices werden stark gesucht

Um den Kontakt zu vielen anderen Menschen zu vermeiden, bestellt man seine Lebensmittel am besten online. Beim Lebensmitteleinzelhändler Rewe sind die Bestellzahlen per Lieferservice gestiegen, bestätigt ein Sprecher des Unternehmens. 

Um wie viel Prozent genau, darüber wollte das Unternehmen keine Auskunft geben. Ein Blick auf die Website zeigt: In Berlin sind schon jetzt die Liefertermine bis Ende März ausgebucht. Normalerweise sind sonst immer einige freie Termine am nächsten oder übernächsten Tag zu finden. 

Auch was gekauft wird, ändert sich. Das Unternehmen bestätigt: Wer jetzt einkauft, setzt auf Haltbarkeit. “In der Zusammensetzung des Warenkorbs der Bestellungen waren verstärkt lang haltbare Lebensmittel, Nährmittel, Konserven und Drogerieartikel”, teilte ein Sprecher mit. Allerdings plane Rewe nicht, den Lieferservice auszuweiten.

Tatsächlich suchen Menschen auch vermehrt auf Google nach „Rewe Lieferdienst“. Den Daten von Google Trends zufolge stiegen diese Suchanfragen in der vergangenen Woche um 80 Prozent. Spitzenreiter ist dabei übrigens Berlin. 

Auch nach “Konserven” wird vermehrt gesucht, besonders stark in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Suchanfragen „subway lieferdienst“ (+150 Prozent), „aldi lieferdienst“ (+90 Prozent) und „lieferando“ (+50 Prozent) liegen nun ebenfalls hoch im Kurs.

Die kontaktlose Lieferung

Bisher habe Lieferando keine sichtbaren Auswirkungen auf die Bestellungen feststellen können, heißt es vom Unternehmen. Gleichzeitig kündigt man an, von nun an das Essen ohne physische Kontakte übergeben zu wollen. 

Als Vorsichtmaßnahme und Reaktion auf die Verbreitung des Virus würden die Kuriere nun klingeln und dann das Essen vor der Tür abstellen. So soll die Ansteckungsgefahr für die Kuriere minimiert werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

[Das Virus in Echtzeit: Lesen Sie hier die wichtigsten Zahlen zu Ansteckungen in Deutschland und weltweit]

Ähnliches kommt auch von der Restaurantkette Domino’s, die hauptsächlich Pizza ausliefert. Bisher könne man noch keine signifikanten Veränderungen bei Bestellungen beobachten. “Wir verzeichnen zwar bundesweit ein leicht steigendes Bestellaufkommen, doch war dies auch schon vor der wachsenden Ausbreitung von COVID-19 in Deutschland kontinuierlich der Fall”, teilte das Unternehmen mit. 

Man wolle aber angesichts der Situation, etwa in Berlin, die Entwicklung im Blick behalten. Wie Lieferando hat Domino’s angesichts der Ansteckungsgefahr für Kunden und Mitarbeiter die kontaktlose Lieferung eingeführt. Wählen Kunden diese Option, legt der Fahrer die Pizza an einem angegeben Ort ab und wartet zwei Meter entfernt, bis das Essen hereingeholt wurde.

Fragwürdig ist bei der kontaktlosen Lieferung allerdings, inwiefern das auch diejenigen schützt, die sich das Essen liefern lassen. Denn alle Essenspakete wurden ja gleich von mehreren Menschen angefasst. Und die Kuriere sind kontinuierlich in der ganzen Stadt unterwegs.

Können die Streamingdienste profitieren?

Wie ändert das Virus das Konsumverhalten der Menschen? Wer zu Hause bleibt, muss sich und seine Nächsten vermehrt selbst beschäftigten. 

Zum Beispiel durch Filme. Inwiefern Unternehmen wie Netflix vom Coronavirus profitieren könnten, ist noch unklar. Zwar hatten Analysten den Aktien Kursanstiege für diese Woche vorausgesagt, weil die Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen würden. Andere Analysten zweifeln diese Zugewinne an. 

Sie sehen Netflix als Luxusprodukt, dass viele abbestellen könnten, wenn sie durch das Virus Gehaltseinbußen zu verzeichnen hätten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sicher ist, dass Netflix, wie andere Unternehmen in der Filmindustrie, bereits Drehtermine absagen musste. “Wir nehmen das Thema Corona sehr ernst”, teilte das Unternehmen auf Anfrage des Tagesspiegel mit, “auch, weil es unsere Eventplanungen und öffentliche Screenings stark beeinflusst.” Da aber die Vorgänge aktuell noch zu dynamisch seien, könne man noch keine konkreten Aussagen zur Nutzung des Dienstes tätigen.

Zoom boomt 

Weil viele Menschen von nun an von zu Hause arbeiten, sind es vor allem Unternehmen, die Software für Videocalls anbieten, die profitieren könnten. Bei Zoom, dem amerikanischen Videokonferenzen-Anbieter, läuft es besonders gut.  Seit dem 21. Februar hat die Aktie des Unternehmens aus San Jose um mehr als zehn Prozent an Wert gewonnen, wohl auch, weil immer mehr Menschen weltweit die Software in den vergangenen Wochen genutzt haben. Zoom habe in den ersten zwei Monaten des Jahres 2020 mehr aktive Nutzer gewonnen als im ganzen Jahr 2019, berichtet das Handelsblatt. Und das Unternehmen bleibt optimistisch. Man glaube nicht, dass der Erfolg vorübergehend sei. „Wir sind im Markt für die Zukunft der Kommunikation“, erklärte Zoom-Chef Eric Yuan in einer – per Zoom übertragenen – Analysten-Konferenz am Mittwoch.  

Slack stürzt ab 

Ähnliche hohe Erwartungen hatten Börsenanalysten an den amerikanischen Instant-Messengerdienst Slack. Chef Stewart Butterfield verkündete gestern auf Twitter, dass das Unternehmen allen, die an der Bekämpfung des Virus arbeiteten, ein kostenfreies Upgrade der Software zur Verfügung stelle. Eine Basisversion von Slack kann kostenfrei genutzt werden, erst bestimmte Funktionen kosten Geld. In der vergangenen Woche berichtete das Unternehmen bereits von steigenden Nutzerzahlen der freien Version. Noch sei es aber zu früh, um Aussagen über den Unternehmenserfolg treffen zu können.  

Diese Zurückhaltung zeigt sich auch in der Entwicklung des Aktienkurses. Als Slack in der vergangenen Woche seine Prognosen für das kommende Geschäftsjahr verkündete, stürzte die Aktie ab.  

Chancen für Sharezone 

Doch nicht nur große Aktienunternehmen profitieren davon, dass nun viele Menschen zu Hause bleiben. Weil Schulen geschlossen werden und Schülerinnen und Schüler voraussichtlich bis nach den Osterferien von zu Hause lernen, gewinnt das Startup Sharezone neue Nutzer hinzu. Sharezone ist eine App, mit der Schülerinnen und Schüler ihren Unterricht online verwalten, Hausaufgaben teilen und Lernvideos erstellen.  

Im Interview mit dem Startup-Magazin Gründerszene erzählt App-Entwickler Nils Reichhardt von den neuen Nutzerzahlen. Bislang habe man zwischen 300 und 500 neue Nutzer pro Tag hinzugewonnen. Seit vergangener Woche seien es bis zu fünf Mal so viel. Am Freitag waren es 1.500 neue Nutzer, am Samstag knapp 1.000. In den nächsten Tagen rechnen die jungen Gründer mit einem weiteren Wachstum, weil viele sich erst in dieser Woche über verfügbare Online-Tools informieren würden. Bisher ist Sharezone allerdings kostenlos – Geld verdienen Reichhardt und seine Mitgründer mit der Coronakrise also nicht.  

Sex sells

Neben digitalen Produkten gibt es auch Unternehmen, die für diese Zeit besonders gefragte Produkte herstellen und die einen eindeutigen Anstieg ihrer Verkaufszahlen melden. So liegen etwa die Umsatzzahlen des Sexspielzeughersteller “Womanizer” weit über den Prognosen für dieses Jahr – vor allem in den stark vom Coronavirus betroffenen Ländern. 

Im bisherigen Jahresverlauf habe man einen Anstieg von mehr als 50 Prozent der ursprünglichen Vorhersage verzeichnet. Dort, wo es viele Coronavirus-Fälle gebe, seien die Zahlen deutlich gestiegen.

So liegen die Verkaufszahlen in Italien 60 Prozent höher als erwartet, in Frankreich seien es 40 Prozent. In Deutschland, Österreich und der Schweiz seien die Umsätze ebenfalls um 40 Prozent gestiegen. 

Nicht nur in Europa scheinen die Menschen mehr Zeit mit sich selbst und ihren Partnerinnen und -partnern verbringen zu wollen. In den Vereinigten Staaten lagen die Verkaufszahlen 75 Prozent über der Prognose, in Kanada sogar 135 Prozent, so das Unternehmen.

Kommt jetzt der Babyboom?

Johanna Rief, Head of Sexual Empowerment bei Womanizer, ist überrascht von diesem Effekt. "Wir sind natürlich nicht davon ausgegangen, dass die Verkaufszahlen von Womanizer aufgrund des Coronavirus ansteigen”, sagte sie dem Tagesspiegel. 

Man wisse allerdings aus dem Feedback der Kunden sowie aus verschiedenen Umfragen, dass Zeit ein wichtiger Faktor sei, wenn es um Sexualität und Selbstbefriedigung geht. 

“Die Aussicht, potentiell mit oder ohne Partner eine längere Zeit zu Hause bleiben zu müssen, verleitet viele Menschen wohl dazu, Mittel und Wege zu finden, um das Beste aus der verfügbaren Zeit zu machen", meint Rief.

Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, das Hausarrest zu einem Babyboom führt. Oft meldeten Krankenhäuser in der Vergangenheit einen Anstieg an Geburten neun Monate nachdem die Bevölkerung, etwa wegen eines Sturms oder eines Stromausfalls, zu Hause blieb. Es ist also gut möglich, dass Corona trotz all des gegenwärtigen Leids letztlich viel neues Leben hervorbringt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false