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Der Durchschnittsbürger kauft im Jahr 60 Kleidungsstücke.

© STUDIO GRAND OUEST

Second-Hand-Kleidung: Shoppen mit guten Gewissen

Die Trends von heute sind der Müll von morgen. Mit gebrauchter Kleidung kann man Geld sparen und die Umwelt schonen kann. Ein Überblick.

Mode ist so unerträglich hässlich, dass wir sie alle Halbjahre ändern müssen, fand schon Oscar Wild. Eine Meinung, die auch der Durchschnittsdeutsche zu teilen scheint. 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen Mann und Frau in der Bundesrepublik, wie eine aktuelle Studie von Greenpeace zeigt. Gleichzeitig sinkt die Tragzeit der Shirts und Shorts. „Die Trends von heute sind der Müll von morgen“, schreibt Greenpeace. Rund 1,3 Millionen Tonnen Kleidung würden jährlich entsorgt.

Gegen den Trend gibt es Second-Hand. Wer den ständigen Wechsel im Kleiderschrank liebt und dennoch auf Nachhaltigkeit setzen will, kauft Ware aus zweiter Hand. Die Orte, an denen man gebrauchte Kleidung findet, sind mittlerweile vielfältig. Tauschaktionen und Do-it-yourself- Events reihen sich neben Flohmärkte und Online-Shops. Das Angebot ist enorm, die Nachfrage im Vergleich dazu noch relativ gering.

„Selbst wenn das Angebot derzeit explodiert, ist die Frage, wie man mehr Leute dazu kriegt, Second-Hand als echte Alternative zu sehen“, sagt Kirsten Brodde, Leiterin der Textilkampagne von Greenpeace. „Ich glaube, dass wir uns da aktuell noch in einem Hipster-Milieu bewegen. Jetzt muss es darum gehen, noch mehr Menschen für den Markt zu gewinnen“, meint die Umweltschützerin. Eine längere Lebensdauer der Kleidungsstücke, so Brodde, sei ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Flohmärkte in Berlin

Der Klassiker des Second-Hand ist noch immer der Flohmarkt. Der bekannteste findet in Berlin im Mauerpark statt. Jeden Sonntag drängeln sich hier Massen von Touristen – und auch der ein oder andere Einheimische – auf der Suche nach Fundstücken durch die Verkaufsstände. Dazu gibt es Designerware, Karaoke und diverse Essensstände. Wer es etwas ruhiger mag, dem sind kleinere Flohmärkte wie der am Maybachufer (jeden zweiten Sonntag), am Rathaus Schöneberg (jeden Samstag) oder am Marheinekeplatz (Samstag und Sonntag) zu empfehlen. An den Wühltischen sind Geduld und Verhandlungsgeschick gefragt. Dafür bekommt man Kleidungstücke bereits für ein paar Euro.

Neben den Flohmärkten gibt es in unregelmäßigen Abständen immer wieder Tausch- und Verkaufsevents wie beispielsweise „VinoKilo“. Die Macher der Veranstaltung kaufen Container mit überschüssiger und weggeworfener Kleidung und bieten sie auf Touren durch Deutschland und ganz Europa zum Kilopreis von 15 Euro an. Nach Gewicht zahlt man auch in dem ein oder anderen Second-Hand-Geschäft, wie beispielsweise im Colours in Berlin-Kreuzberg. Hier kann man gebrauchte Kleidung zu den normalen Geschäftszeiten kaufen.

Second-Hand im Netz

Das Wühlen und Suchen in Bergen aus Kleidern gehört zur Kür des Second-Hand, ist heutzutage allerdings keine Pflicht mehr. Mit der Digitalisierung des Gebrauchtwarenmarktes kann der Kunde auf Internetplattformen wie Kleiderkreisel im Online-Katalog nach gewünschten Kleidungsstücken suchen. Die Auswahl ist durch die Vielzahl an privaten Anbietern enorm. Verhandelt wird via Direktnachricht, die Ware mit der Post versandt.

Mit thredUP kommt ab sofort auch der führende US-Online-Shop für Secondhand-Damen- und -Kindermode auf den Markt und bietet den Versand in 44 Länder, darunter auch Deutschland und Österreich an. Anders als bei Kleiderkreisel, wo der Verkäufer die Ware direkt an den Kunden sendet, werden die Einzelteile hier zunächst vom Unternehmen geprüft, gereinigt, gebügelt und verpackt. 70.000 bis 100.000 eintreffende Kleidungsstücke können dem Unternehmen zufolge täglich verarbeitet werden, 1000 werden stündlich in den Online-Shop eingestellt. Mit der Expansion nach Europa sollen 35.000 Marken auf den deutschen Markt kommen, die in lokalen Unternehmen nicht erhältlich sind.

Globalisierung vs. Nachhaltigkeit

„Dank Plattformen wie thredUP ist Second-Hand-Shopping zu einem klaren Statement für nachhaltigen und bewussten Konsum geworden", heißt es in der Pressemitteilung der Agentur. Auf Nachfrage, wie sich Nachhaltigkeit damit verbinden lasse, dass die Kleidungsstücke nun tausende Kilometer nach Europa geschifft werden, antwortet Rebecca Oman, Leiterin für internationale Projekte von thredUP: „Wir wollen immer die nachhaltigste Option finden und erneuern und optimieren dauerhaft unsere Verteilungswege. Wir haben unsere Verteilungszentren so ausgewählt, dass die Schiffswege möglichst minimiert werden und nutzen recycelte Materialien für unsere Verpackungen und Lieferboxen.

Für wenig sinnvoll hält das Kirsten Brodde. „Ich denke, dass es weitaus besser ist, den Markt lokal zu bedienen. Es ist nicht so, als hätten wir hier zu wenige Angebote. Da muss der Second-Hand-Markt nicht globalisiert werden.“ Außerdem, so Brodde, habe man nur auf dem Flohmarkt um die Ecke die Möglichkeit, auch die Geschichte hinter dem Kleidungsstück zu hören. Und das sei doch neben all der Nachhaltigkeit das Schönste an Second-Hand.

Shoppen im Selbstversuch

Wie Second-Hand funktionieren kann, zeigte die Frankfurterin Hindi Kiflai ein Jahr lang auf ihrem Blog „DailyRewind“. Die Journalistin wollte aus dem „Shoppingwahnsinn“ aussteigen, trug 365 Tage ausschließlich Kleidung aus zweiter Hand. Ihre Outfits stellte sie täglich online, schrieb den Fundort – Shops wie Oxfam, Flohmärkte und kleine Second- Hand-Boutiquen – dazu. „Für mich hat es wunderbar funktioniert. Ich konnte abgefahrene Stile kombinieren und mich so richtig austoben“, sagt sie und empfiehlt: „Ausprobieren und den eigenen Stil finden. Dann muss man nicht mehr jedem Trend hinterherrennen.“ Eineinhalb Jahre sind seit ihrem Experiment vergangen. Noch heute falle es ihr schwer, Sachen neu zu kaufen: „Weil ich die Preise nicht einsehe und das Gefühl habe, dass es nicht gut ist.“ Wer einmal begonnen habe, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, der mache weiter.

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