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Wo liegt Geld versteckt? Das Finanzministerium erhofft sich Erkenntnisse über unbekannte Vermögenswerte in Dubai.

© imago images / Frank Sorge

Scholz, Walter-Borjans und der Kampf gegen Steuerbetrug: Wie geht es weiter mit der Steuerdaten-CD aus Dubai?

Aus den Daten ergeben sich womöglich weniger Fälle als gedacht. Aber der Deal kann sich noch lohnen. Ohne Insider sind die Behörden chancenlos, so der SPD-Chef.

Gut möglich, dass Olaf Scholz geschluckt hat, als der Bundesgerichtshof am Mittwoch bestätigte, dass die sogenannten Cum-Ex-Deals illegal sind. Mit diesen Geschäften betrogen Aktienhändler und Banken den deutschen Staat und Steuerzahler:innen um mehrere Milliarden Euro. Der Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat der SPD verhielt sich erstaunlich ruhig. Scholz sagte bloß, die Geschäfte seien ja nie rechtmäßig gewesen.

Ihm werden Verstrickungen in den Cum-Ex-Skandal nachgesagt: Er, damals Bürgermeister von Hamburg, hatte sich mehrfach mit Vertretern der involvierten Privatbank M.M. Warburg getroffen. An den Inhalt der Treffen erinnere er sich nicht mehr, sagte er aus, weist jegliche Schuld von sich. Dennoch ist es ein Verdacht, der im Wahlkampf ungelegen kommt – und mit dem Urteil wird er jetzt wieder zum Thema.

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Dabei hatte das von ihm geführte Bundesfinanzministerium (BMF) erst vergangenen Monat einen finanzpolitischen Coup per Pressemitteilung verkündet: Auf Scholz’ Initiative hin hatte das BMF im Februar eine Steuerdaten-CD durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) aus dem Emirat Dubai kaufen lassen. Zwei Millionen Euro hatte es gekostet, sie einem anonymen Informanten abzukaufen.

Mitte Juni schickte das BZSt Daten an die Länder, die prüfen sie jetzt. „Wir nutzen alle Mittel, um Steuerstraftaten aufzudecken“, verkündete Scholz stolz.

Die Daten enthalten Informationen zu Immobilieneigentümern in Dubai

Auf dem Datenträger befinden sich laut BMF „Informationen zu Immobilieneigentümern im Emirat Dubai“. Das Ministerium erhofft sich von der Auswertung Erkenntnisse über hinterzogene Steuern, zum Beispiel „über unbekannte Vermögenswerte, Rückschlüsse auf nicht erklärte Einnahmen“. Das BMF stellt auch anderen Staaten Daten zur Verfügung, die auf der CD sind. Laut Medienberichten soll sie internationale Daten von Millionen Steuerpflichtigen enthalten.

Nicht nur für Scholz, nicht nur im Wahlkampf klingt das nach einer guten Nachricht. Denn der volkswirtschaftliche Schaden von Steuerhinterziehung ist enorm. Deutschland gehen durch Steuerbetrug schätzungsweise 125 bis 200 Milliarden Euro durch die Lappen. Pro Jahr. Zu diesem Ergebnis kam der Steuerexperte Christoph Trautvetter, Mitglied im Netzwerk Steuergerechtigkeit, 2019.

Zum Vergleich: Hätte der Bund dieses Geld 2020 zur Verfügung gehabt, hätte er die coronabedingten Neuschulden nicht aufnehmen müssen.

Derzeit werten die Länder die Daten der jüngst gekauften CD aus. Bis klar ist, wie viele Treffer auf dem Datenträger sind, wie viele Betrugsfälle mit ihr tatsächlich aufgedeckt werden können, wird es noch dauern. Zumindest in der Vergangenheit haben sich Käufe dieser Art gelohnt. Scholz’ Kollege, SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, war als Finanzminister von Nordrhein-Westfalen einer der Ersten, die CDs dieser Art ankauften. Elf Datenträger erwarb das Land zwischen 2010 und 2017, für insgesamt 19 Millionen Euro. Sieben Milliarden Euro konnten damit nach Angaben von Walter-Borjans eingenommen werden.

Wer eine CD kauft, erwischt womöglich Kriminelle - aber animiert Informanten zu weiteren Straftaten

Das Geschäft mit den Daten-CDs kann sich also lohnen – auch wenn die Praxis umstritten ist. Wer einen solchen Datenträger kauft, drückt möglicherweise Kriminellen Staatsgeld in die Hand und animiert sie womöglich zu weiteren Straftaten. Andererseits, so die Abwägung, entdeckt man mithilfe des Kaufs andere Kriminelle, deren Straftaten den Staat deutlich mehr kosten als der Kauf der Daten. Eine klassische Güterabwägung.

SPD-Chef Walter-Borjans: Ohne Insider sind die Behörden chancenlos

Walter-Borjans hält das Vorgehen, das Gerichte mittlerweile bestätigt haben, weiterhin für richtig. „Ohne Insider, die bereit sind, die Seiten zu wechseln und auszupacken, sind die Ermittlungsbehörden chancenlos. Die vielen Milliarden an Steuernachzahlungen haben das mehr als bestätigt“, so der Parteichef.

SPD-Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans hat mit dem Ankauf von Steuerdaten große Erfolge verbucht - auch politisch.
SPD-Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans hat mit dem Ankauf von Steuerdaten große Erfolge verbucht - auch politisch.

© imago images/snapshot-photography/F.Boillot

Grenzübergreifender Steuerbetrug müsse, so Walter-Borjans weiter, noch weiter in den Fokus rücken. „Den Ausfall zahlen am Ende immer die Ehrlichen“, sagte er. „Deshalb müssen wir der Bekämpfung von Umsatzsteuerkarussellen, Schwarzgeld und Geldwäsche und dem Informationsaustausch über dubiose Geldgeschäfte noch mehr Aufmerksamkeit schenken.“

Wie groß der Beitrag der Dubai-CD zum Ziel der Steuergerechtigkeit in Deutschland am Ende sein wird, ist derzeit noch offen. Zwar wurde vereinzelt von etlichen tausend Bundesbürgern geschrieben, deren Daten in den Dateien enthalten sein sollen. Auf Nachfrage heißt es aber vom Finanzministerium, aus ermittlungstaktischen Gründen könne kein Aussage zur Zahl der Personen getroffen werden.

Zunächst war von etlichen Tausend Datensätzen deutscher Steuerpflichtiger die Rede. Mittlerweile scheint ein niedriger vierstelliger Bereich wahrscheinlich

Womöglich handelt es sich aber eher um einen niedrigen vierstelligen Bereich. Das ergibt eine Umfrage des Tagesspiegels bei allen obersten Finanzbehörden der Bundesländer, die Mitte Juni vorsortierte Daten vom Bund erhielten. Mit 277 gibt das Finanzministerium Bayern die höchste Zahl an erhaltenen Datensätzen an. Berlin teilt mit, Daten „im dreistelligen Bereich“ erhalten zu haben, Baden-Württemberg spricht von „mehreren Hundert“.

Nur von „einem Fall“ berichtet Sachsen-Anhalt, Thüringen von sieben Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in Thüringen, die sich aus den Daten ergeben. Bremen liegen „12 Datensätze zu 12 Einzelpersonen“ vor, dem Saarland „Datensätze im niedrigen zweistelligen Bereich“. In Potsdam hat man „Daten zu insgesamt 19 Personen aus dem Land Brandenburg mit Immobilieneigentum im Emirat Dubai“, Sachsen spricht von einer mittleren zweistelligen Zahl. Mecklenburg-Vorpommern berichtet von „insgesamt 27 Personen“.

Zählt man die Angaben der Länder zusammen und rechnet den Durchschnitt auf alle Bundesländer hoch, ergibt sich eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich – nicht von etlichen Tausend. Da sechs Bundesländer keine Angaben machen wollten, kann allerdings keine definitive Aussage über die Zahl getroffen werden.

Bisher keine Strafverfahren eingeleitet

Unklar ist außerdem, wie viele Steuerhinterzieher in den Daten enthalten sind. Denn die Daten enthalten die Daten vom Immobilieneigentümern. Ob sie Steuern hinterziehen, müssen die Länder klären. Bisher bestätigt kein Bundesland, ein Strafverfahren eingeleitet zu haben. Einige schreiben, es sei dafür noch zu früh.

Selbstanzeigen sind für den Erfolg entscheidend - bisher gibt es keine Hinweise, dass die CD welche auslöst

Wie viel hinterzogenes Geld der zwei Millionen Euro teure Datensatz am Ende einspielen wird, hängt möglicherweise auch davon ab, wie viele Kriminelle Angst bekommen. Denn Steuer-Datensammlungen bringen manchmal Geld m ein, ohne überhaupt ausgewertet zu werden: Allein das Wissen, dass die Daten existieren und beim Fiskus auf dem Schreibtisch liegen, kann Steuerhinterzieher befürchten lassen, dass sie auffliegen könnten.

Und sie so dazu bringen, sich selbst anzuzeigen. Zwar wurden die Voraussetzungen für Selbstanzeigen 2015 verschärft. Steuerhinterzieher können so aber immer noch Strafen umgehen.

Im Fall der Steuer-CDs aus seinen Jahren als NRW-Finanzminister machten Zahlungen durch Selbstanzeigen 80 Prozent der Einnahmen aus, schätzt Norbert Walter-Borjans: „Grob gerechnet zehn Prozent Zahlungen direkt enttarnter Steuerhinterzieher, weitere zehn Prozent Gewinnabschöpfung beteiligter Banken und 80 Prozent Nachzahlungen durch Selbstanzeigen.“

Die Dubai-Datensammlung hat offenbar noch keine Selbstanzeigen-Welle ausgelöst. Acht von 16 Bundesländern geben auf Nachfrage an, bisher seien keine Selbstanzeigen mit Bezug zu den Daten eingegangen. Die acht übrigen machten entweder keine Angabe oder teilten mit, die Daten nicht zu erheben.

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