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Auf Gaskunden kommen erhebliche Mehrkosten zu (Symbolbild).

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Update

Scholz sichert weitere Entlastungen zu: Gasumlage beträgt 2,419 Cent pro Kilowattstunde

Für einen Vier-Personen-Haushalt ergibt sich eine Zusatzbelastung von rund 480 Euro im Jahr ohne Mehrwertsteuer. Sozialverbände kritisieren die Umlage.

Die Gasumlage für alle Verbraucher wird dem Gemeinschaftsunternehmen der Gasnetz-Betreiber-Tochter Trading Hub Europe (THE) zufolge 2,419 Cent pro Kilowattstunde liegen. Für einen vierköpfigen Durchschnittshaushalt ergibt sich damit eine Zusatzbelastung von rund 480 Euro im Jahr ohne Mehrwertsteuer. Laut Berechnungen des Vergleichsportals Check24 liegen die Mehrkosten mit Mehrwertsteuer bei 576 Euro.

Die Umlage ist bis zum 1. April 2024 befristet und kann alle drei Monate anhand der tatsächlichen Kostenhöhe aktualisiert werden. Die Bundesnetzagentur begleitet die Umsetzung der Gasumlage als unabhängige Instanz.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bürgern angesichts der Gasumlage ein weiteres Entlastungspaket zugesichert. „Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten“, teilte der SPD-Politiker am Montag auf Twitter mit.

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Zugleich räumte Scholz ein: „Es wird teurer - da gibt es kein drum herumreden. Die Energiepreise steigen weiter.“ Bisher seien schon staatliche Hilfen über 30 Milliarden Euro beschlossen worden.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die Umlage am Montag in einer Mitteilung als „Folge von Putins völkerrechtswidrigem Angriffskrieg auf die Ukraine und die von russischer Seite verursachte künstliche Energieknappheit“ und kündigte gleichzeitig weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger an.

Die Umlage sei „bei weitem kein einfacher Schritt, aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuerhalten“. Deshalb habe sich die Bundesregierung auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss geeinigt. Habeck meine allerdings, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig seien.

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Außerdem sei „für die Bundesregierung völlig klar, dass der Staat über die Umlage letztlich keine höheren Mehrwertsteuereinnahmen erzielen soll“. Man werde einen Weg finden, um sicherzustellen, dass es da nicht noch zu einer zusätzlichen Belastung komme.

„Wenn die Umlage zum 1. Oktober dieses Jahres fällig wird, werden auch weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes bereit sein“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. Die Koalition sei zu Vorschlägen dazu in der Diskussion. Die Regierung sehe, dass erhebliche Mehrbelastungen auf die Menschen zukämen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigt zusätzliche Entlastungen für Bürger an.
Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigt zusätzliche Entlastungen für Bürger an.

© IMAGO/Emmanuele Contini

Am Sonntag hatte bereits Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mitgeteilt, er habe bei der EU-Kommission um Zustimmung dafür gebeten, auf die staatliche Umlage keine Mehrwertsteuer zu erheben. Er bemühe sich "nach Kräften", eine Mehrwertsteuererhebung abzuwenden, sagte Lindner im ZDF.

Für den Fall, dass die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage doch fällig wird, soll es Ausgleichsmechanismen geben, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag in Berlin.

Sozialverbände kritisieren die Gasumlage als „Schnellschuss“ und fordern speziell Entlastungen für Arme

Viele Menschen mit niedrigem Einkommen könnten nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi durch die ab Herbst fällige Gasumlage in existenzielle Schwierigkeiten geraten. „Die Bundesregierung ist gefordert, ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das die Menschen vor Energiearmut schützt“, sagte der Vorsitzende Frank Werneke in einer Mitteilung am Montag.

„Das Herumschrauben am Einkommenssteuertarif ist dafür keine Lösung, wir brauchen vielmehr eine schnelle und wirksame Entlastung insbesondere für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.“ Er fordere einen Gaspreisdeckel für den normalen Verbrauch. Die Kosten hierfür müssten auf dem Niveau von 2021 gedeckelt und für die Energieversorger ausgeglichen werden.

Der Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen hat wegen der Gasumlage eine Unterstützung von finanziell stark belasteten Wohnungsunternehmen und Mieterhaushalten gefordert. „Durch die Gasumlage verschärft sich die finanzielle Belastung sowohl bei den sozial orientierten Wohnungsunternehmen als auch bei den Mieterhaushalten“, erklärte der Präsident des Verbandes GdW, Axel Gedaschko, am Montag in Berlin.

Die Umlage komme zu den ohnehin steigenden Gaspreisen noch hinzu. Zunächst seien die Wohnungsunternehmen unmittelbar betroffen. „Denn sie müssen die stark steigenden Kosten durch deutlich höhere Zahlungen an die Versorger jetzt schon vorfinanzieren.“

Einige sozial orientierte Wohnungsunternehmen brächten die hohen Vorauszahlungen bereits in akute finanzielle Schwierigkeiten. „Schritt eins müssen daher Bürgschaftsprogramme zur Sicherung der Liquidität von Wohnungsunternehmen sein, die ansonsten von einer Insolvenz gefährdet sind.“

Parallel müssten die Bürger entlastet werden. „Die von Bundeskanzler angekündigte Wohngeldreform ist hierfür ein wichtiger Teil-Baustein.“

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat mehr Hilfen für arme Menschen gefordert. Die Bundesregierung müsse nun zielgerichtet Rentnern, Menschen in Grundsicherung und Geringverdienenden helfen, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Paritätische Gesamtverband warnte vor Gassperren und einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust. „Es braucht hier kein Entlastungspäckchen für alle, sondern ein großes Paket für die Armen“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Umgehend fordere der Verband beispielsweise eine Ausweitung des Wohngeldes.

„Aufforderungen zum Energiesparen sind nicht gänzlich falsch, klingen aber für ärmere Menschen wie Hohn“, kritisierte Schneider. Er regte an, weitere Maßnahmen zu prüfen, die die Menschen entlasteten und die Umwelt schonten, etwa die Verlängerung des 9-Euro-Tickets. Zur Finanzierung sozialer Ausgaben forderte der Verband eine Übergewinnsteuer.

Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) kritisierte die Umlage. Sie sei ein „Schnellschuss“ und eine erhebliche finanzielle Belastung für Verbraucher. Die Bundesregierung solle die Einführung der Umlage verschieben, bis ein Entlastungspaket dazu beschlossen ist.

Die Gasumlage kommt Versorgern zugute, die Gas aus Russland kaufen müssen

Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Die genaue Höhe der Umlage berechnet der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland.

Die Mehrkosten der Gasversorger dürfen sie aktuell nicht weiterreichen, die Umlage soll diese Kosten ab Oktober zu 90 Prozent ausgleichen. Damit sollen Firmenpleiten und letztlich Lieferausfälle verhindert werden.

Die Umlage gilt ab Anfang Oktober - sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium.

Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage mit etwas Zeitverzug wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden.

So schätzen Experten die Gasumlage ein

Jörg Kämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank schätzt, dass die Gasumlage die Inflation inklusive der Mehrwertsteuer um knapp einen Prozentpunkt erhöhen könnte. „Zusammen mit dem Wegfall des Neun-Euro-Tickets und des Tankrabatts könnte dies die Inflationsrate im Oktober und November auf deutlich über neun Prozent steigen lassen. Das ist für die Verbraucher ein massiver Kaufkraftverlust.“

Mehr zur Energie-Krise auf Tagesspiegel Plus:

Das sei neben der Unsicherheit, die von Putins Nervenkrieg ums Gas ausgehe, ein wichtiges Argument, warum die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr schrumpfen, also in eine Rezession abgleiten sollte. „Die deutsche Wirtschaft steht vor einer schwierigen Zeit, auch wenn die Unternehmen recht widerstandsfähig sind, weil sie in den zurückliegenden 20 Jahren ihre Eigenkapitalquote deutlich erhöht haben.“, sagte Kämer.

Jens Südekum, Ökonom an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schätzt, dass an der Gasumlage auch in dieser Höhe leider kein Weg vorbeiführe. „Aber sie sollte mit einem Entlastungspaket für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen verknüpft werden, denn für sie gehen die steigenden Energiekosten an die Substanz. Hier muss die Politik nachliefern.“

Warum ist die Umlage überhaupt nötig?

Gasimporteure haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen.

Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden. Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden, der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet werden. Gingen große Gas-Einkäufer deshalb pleite, wäre die ganze Energieversorgung Deutschlands gefährdet. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart.

Zugleich beschloss die Bundesregierung auch, die Umlage auf alle Gaskunden anzuwenden. Die Alternative wäre gewesen, den finanziellen Ausgleich für die Importeure über den Staatshaushalt zu finanzieren. Dies wäre aber mit „erheblichen Belastungen“ des Etats verbunden, heißt es in der Verordnung. Politisch setzt die Bundesregierung außerdem ein Preissignal: Gassparen lohnt auch finanziell.

Wie funktioniert die Umlage?

Kern sind Ausgleichszahlungen an die Gasimporteure. Sie sollen ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, wie es heißt. Mit der Umlage sollen „weitere massive Preissteigerungen durch den insolvenzbedingten Ausfall für den Markt wichtiger Gasimporteure“ verhindert werden. Der finanzielle Ausgleich für betroffene Gasimporteure ist zeitlich beschränkt auf die Erfüllung von vertraglichen Lieferverpflichtungen vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024. Bis Oktober tragen laut Ministerium die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach tragen sie 10 Prozent der Kosten dauerhaft selbst.

Für die Berechnung der Umlage gibt es eine komplexe Formel, die unter anderem den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der Mehrkosten muss von Wirtschaftsprüfern testiert werden. Der Ausgleich erfolgt laut Ministerium über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden.

Welche offenen Fragen gibt es?

Ein Problem ist, wie mit Kunden mit Festverträgen umgegangen wird. Aus dem Ministerium hieß es bisher nur, dies werde geprüft. In einem Brief an Habeck warnten der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmen, eine Preisanpassung gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungsmöglichkeit könne bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr.

„Die Folge wäre, dass die Unternehmen zwar die Umlage an den Marktgebietsverantwortlichen zahlen müssen, diese aber nicht sofort von den Letztverbrauchern erstattet bekommt“, heißt es in dem Brief. Bei Festpreisverträgen und in der aus Gas erzeugten Strom- und Fernwärmeversorgung drohe ein Totalausfall, wenn die Umlage vertraglich nicht weitergegeben werden könne.

„Dadurch entstehen erhebliche Liquiditätsprobleme bei den Energieversorgern, die wegen der ohnehin angespannten Finanzsituation auch zur Insolvenz führen können.“

Doch auch Verbraucherschützer machen Kunden wenig Hoffnung. Verbraucher, die eine Preisgarantie in ihren Verträgen haben und hoffen, deshalb verschont zu werden, liegen falsch, warnt etwa Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Denn diese Garantie schützt nicht vor staatlichen Umlagen oder Abgaben. „Jeder muss zahlen“, sagt der Verbraucherschützer.

Wie ist es mit der Mehrwertsteuer?

Stand jetzt wird auf die staatliche Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig - der Staat verdient also mit. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Habeck wollen das verhindern, es ist rechtlich aber nicht einfach. Laut Finanzministerium sind solche Ausnahmen im Europarecht nicht vorgesehen.

Lindner hatte versprochen, er werde alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Mehrbelastung abzuwenden. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger schlug vor, Mehrwertsteuereinnahmen aus der Gasumlage an ärmere Haushalte weiterzugeben.

Welche staatliche Umlage kommt noch?

Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll der Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die ihr zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, also für den Einkauf von Gas. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine „relevante Größe“ erreichen wird.

Wird es an anderer Stelle Entlastungen geben?

Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Donnerstag, die Regierung werde die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen. So soll es zu Beginn des kommenden Jahres eine deutliche Ausweitung des Wohngelds geben, auch ein dauerhafter Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte ist geplant.

Finanzminister Lindner plant steuerliche Entlastungen, sein Konzept aber ist in der Koalition umstritten. Teile der SPD und der Grüne nennen sie sozial unausgewogen. Sie fordern die Schuldenbremse mit einem Nachtragshaushalt zu umgehen, um so Spielraum für Entlastungen zu erhalten. Bislang zeigt sich Lindner aber als Verteidiger der Schuldenbremse. (mit dpa, Reuters)

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