zum Hauptinhalt
Auch im Restaurant kommen Azubis zum Einsatz.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schlosshotel Britz in Berlin-Neukölln: Wo Azubis mehr Freiheiten haben

Im Schlosshotel Britz arbeiten vor allem junge Azubis. Hier haben sie mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung als anderswo. Ein Besuch.

Moreno tupft rosa Kleckse auf den Teller. Er steht in der Küche des Schlossrestaurants Britz. „Das ist Rhabarbergel“, sagt er. Sahnequark hat er schon hingetupft. Jetzt holt er Joghurteis, sticht eine Nocke ab, legt sie behutsam neben ein Stück Rhabarberkuchen, zwischen die Kleckse. Hinter ihm steht seine Kollegin, wartet darauf, das Dessert hinauszutragen. Sie wird es zügig auf die Terrasse bringen, wo die Gäste unter roten Schirmen sitzen, die sie vor der prallen Nachmittagssonne schützen. Draußen muss man blinzeln, so hell ist es.

Auf der Terrasse kann man es aber gut aushalten, im Schloss sowieso, die Gemäuer halten die Wärme ab. Nur in der Küche, wo Moreno sich jetzt den Schweiß von der Stirn wischt, ist es noch heißer als draußen, dazu dampft es, auf dem Herd brutzelt Speckschaum. Das Ticket mit der Dessert-Bestellung nimmt Moreno von einer Metallleiste. Er kennt die Abläufe in der Küche, weiß, was als Nächstes zu tun ist: Der Azubi aus Peru lernt und arbeitet seit letztem Jahr im Schloss Britz.

Das Schloss Britz liegt in Berlins Süden, bürgerliches Neukölln, nach Brandenburg ist es nicht mehr weit. Das „Schloss“ ist das ehemalige Herrenhaus eines Gutshofs mit Parkanlage. Gut 300 Jahre alt, im 19. Jahrhundert erneuert im Stil der Neorenaissance, restauriert in den 1980er Jahren, hellgelbe Fassade, Erkerfenster, Schnörkel. Im Park kann man flanieren, im Schloss Möbel aus der Gründerzeit angucken. Man kann dort übernachten, in einem von fünf Zimmern, und im Schlossrestaurant essen. Alles unter den Augen junger Lehrlinge.

Ein Azubi steht in der Küche hinter dem Herd.
Ein Azubi steht in der Küche hinter dem Herd.

© Kitty Kleist-Heinrich

Seit fast zehn Jahren betreibt das Hotel Estrel, an der Sonnenallee gelegen, im Schloss Britz sein „Azubiprojekt“. Im Estrel – vier Sterne, 1125 Zimmer, 70 bis 80 Azubis – sei man als Lehrling ein kleines Rad, sagt Pressesprecherin Miranda Meier. Viele Azubis wollten während ihrer Ausbildung deswegen lieber im Schloss arbeiten, wofür sie sich aber erst mal intern qualifizieren müssten. Was die jungen Leute lockt? „Sie haben viel mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung“, sagt Meier.

Dazu komme die Arbeitsatmosphäre im Grünen. Aktuell sind es 17 Azubis im Service, sie lernen den Beruf der Restaurant- und Hotelfachleute, und drei Köche in Ausbildung. Einige von ihnen bleiben ein paar Monate, andere bis zu einem Jahr.

Komplett sich selbst überlassen sind die Azubis auf Schloss Britz allerdings nicht. Erst mal ist da Uwe Lein, Halbglatze, blütenweißes Hemd, selten um ein Wort verlegen. Ein Mann, der die Stammgäste kennt und nicht sagen mag, wie viele Stunden pro Woche er arbeitet. „Wenn eine Veranstaltung länger geht, bleibt man eben bis zum Schluss“, sagt er nur. Lein leitet das Projekt.

„Ich will die Azubis an den Punkt bringen, dass sie selbstständig werden“, sagt er. Er wolle nicht zu präsent sein, wolle den Azubis stattdessen die Kompetenz vermitteln, Dinge selbst zu entscheiden. Einerseits. Andererseits haben sie hier gut hundert Veranstaltungen im Jahr, Firmenfeste, Hochzeiten, wo die Kunden pro Gast mehr als hundert Euro zahlen. Lein brieft seine Azubis vorher und macht später „Spotchecks“, ist zum Beispiel nach drei Stunden noch mal da, um zu sehen, wie es so läuft.

Heute ist auch eine Abendveranstaltung, der Verband der Automobilindustrie will feiern, bei rumänischen Spezialitäten und rumänischem Wein. Lein geht quer über den Gutshof zum ehemaligen Ochsenstall, heute ein Veranstaltungssaal mit angebauter Küche. Oleksandr schleppt dort Stühle nach draußen, er räumt den Tresen auf, muss noch den Aperitif vorbereiten. Er hat eine To-Do-Liste bekommen, und eine Skizze, wie die Stehtische für den Empfang gruppiert sein sollen. Oleksandr, blonde Haare, breites Lächeln, kommt aus der Ukraine. Im Estrel macht er eine Ausbildung zum Restaurantfachmann. Viele der Azubis haben keinen deutschen Pass, kommen aus Syrien, Italien, Tadschikistan oder Vietnam.

Im Hotelgewerbe herrscht Fachkräftemangel. Bei einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) gaben 57 Prozent der Hotelbetreiber an, dass sie ihre Ausbildungsplätze im vergangenen Jahr nicht vollständig besetzen konnten. Der Höchstwert unter allen Branchen. Dass sich immer weniger um eine Lehrstelle bewerben, sagt auch Estrel-Sprecherin Meier. Die Branche hat keinen guten Ruf: lange Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung, krasse Hierarchien. Im Schloss Britz will Lein dagegen ansteuern. Er wolle die Azubis nicht über die Maße strapazieren, sagt Lein: „Es muss eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit geben.“

Die 18-jährige Asena hat den Schritt gewagt. Sie kommt aus Berlin-Neukölln, ist in der Nähe des Estrel aufgewachsen. Seit Februar 2017 macht sie dort eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau, seit April ist sie im Schloss Britz. Am liebsten steht sie im Restaurant hinter der Bar, empfängt Gäste, beantwortet das Telefon. Die langen schwarzen Haare trägt sie zurückgebunden, dazu die Service-Uniform: schwarze Bluse, bodenlange Schürze.

Auszubildende Asena Ceviz hinter der Bar.
Auszubildende Asena Ceviz hinter der Bar.

© Kitty Kleist-Heinrich

Heute hatte sie Frühdienst, auch sie kennt die To-Do-Listen: Staub saugen, wischen, Kaffee machen, Servietten falten. „Wir haben schon Vorgesetzte“, sagt Asena. Aber hier – im Gegensatz zum großen Hotel – könne man eher seine Meinung sagen und sich die Pausen zum Beispiel selbst einteilen. Und viele Gäste wüssten, dass im Schlossrestaurant vor allem Azubis arbeiten. „Letztens hat ein älterer Herr mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich falsch eingedeckt habe“, sagt Asena. Er habe selber in der Gastronomie gearbeitet und ihr dann gezeigt, wie es korrekt gemacht werde. „Die haben Verständnis und sind ein bisschen toleranter“, sagt sie. Drei ältere Damen haben auf der Terrasse gegessen und wollen jetzt in den Park. „Wir sind öfter hier“, sagt die eine, sie wohnt in der Nähe. „Alles bestens“, sagt die andere. Die Kellner seien sehr aufmerksam und man merke nicht, ob das Azubis seien oder nicht.

Die Azubis, erzählt Asena weiter, dürften auch immer probieren, wenn es im Restaurant neue Tagesangebote gebe. Ihre Meinung wird geschätzt. Und wenn sie das Essen zum Beispiel zu salzig fänden, würde Küchenchef Christoph Krüger das Gericht ein bisschen ändern. „Und die Azubis entscheiden über das Personalessen“, sagt Asena.

Krüger hat selbst seine Ausbildung im Estrel gemacht, war 2009 im ersten Azubi-Team des Schlossrestaurants. Letztes Jahr ist er als Küchenchef zurückgekehrt. Und wenn man sich bei ihm gut anstellt, kann man auch als Azubi Ideen einbringen – so wie Moreno, dessen Quinoa-Kartoffel-Bällchen sich jüngst als Amuse-Gueules qualifizierten, als Gruß aus der Küche. Moreno möchte möglichst lange im Schloss bleiben. „ Ich fühle mich hier wohl“, sagt er, „ich habe richtig viel gelernt.“
In einer früheren Version dieses Artikels ist der Eindruck erweckt worden, das Hotel werde eigenständig von den Azubis geführt. Dem ist nicht so. Diesen Fehler, der durch das Redigieren entstanden ist, bitten wir zu entschuldigen.

Alexandra Duong

Zur Startseite