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Sein Plan. Andreas Scheuer wollte auch Arbeitsplätze in Cottbus oder Weißwasser schaffen.

© Lisa Ducret/dpa

Scheuers Pläne zur Maut: Wie die Lausitz beinahe neue Jobs bekommen hätte

Verkehrsminister Scheuer wollte Mitarbeiter für die Mautabwicklung in Brandenburg oder Sachsen ansiedeln – es kam anders.

So weit war man schon: Das Bundesverkehrsministerium und die Unternehmen, die sich um die Erhebung der Pkw-Maut kümmern sollten, kannten die genaue Zahl der Menschen, die täglich von Cottbus nach Berlin pendeln. Natürlich waren diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anonymisiert, doch wussten die Planer, wie viele von ihnen grundsätzlich empfänglich für einen qualifizierten Job am Wohnort Cottbus sein könnten.

Wie wir heute wissen, ist es dazu nicht gekommen, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) das CSU-Prestigeprojekt „Ausländermaut“ 2019 als EU-rechtswidrig verwarf. Gleichwohl ist es nicht allein historisch interessant, mit welchem Nachdruck Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich dafür einsetzte, mit der Pkw-Maut nicht nur Arbeitsplätze nach Berlin zu bringen, sondern auch nach Brandenburg oder Sachsen. Das Ganze spielte auf hoher politischer Ebene, wurde aber auch konkret durchgeplant.

Volker Schneble, Chef des verhinderten Maut-Erhebungsunternehmens Autoticket, sagte im Untersuchungsausschuss des Bundestages, das Projekt Pkw-Maut habe bis zu dem verhängnisvollen EuGH-Urteil „voll im Plan“ gelegen. Auch die „nicht unerheblichen Änderungswünsche“ des Ministers habe Autoticket erfüllt. So habe Scheuer einen „zusätzlichen Unternehmensstandort in der Lausitz“ verlangt, um neue Arbeitsplätze in der Braunkohleregion zu schaffen. Noch konkreter wurde im U-Ausschuss Klaus-Peter Schulenberg, CEO des Autoticket-Anteilseigners CTS Eventim. Er berichtete von einem Treffen am 23. Mai 2019 im Bundeskanzleramt.

In der Lausitz sollte ein Unternehmensstandort entstehen

Dort traf er Scheuer und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU). Es ging darum, „einen Teil von Autoticket in der Lausitz anzusiedeln“. Nach Background-Informationen trafen sich die Maut-Manager außerdem noch mit dem brandenburgischen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) und dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), um über das Thema zu sprechen. Auch das geschah auf Scheuers Wunsch. Steinbach und Kretschmer hätten sich dann sehr für das Projekt eingesetzt, ist zu hören.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss sich vorm Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags rechtfertigen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss sich vorm Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags rechtfertigen.

© dpa

Bis zum EuGH-Urteil waren neben dem gesetzten Hauptstandort Berlin noch Cottbus/Brandenburg und Weißwasser/Sachsen im Rennen. Vorne lag die Hochschulstadt Cottbus, die auch von der Infrastruktur her und der Anbindung nach Berlin deutlich interessanter gewesen wäre. Steinbach war vor seiner Ministerzeit Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Zudem gab es hier ein geeignetes Gebäude, in Weißwasser dagegen nicht. Apropos Gebäude: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – in dem Maut-Projekt ein wichtiger Mitspieler – hatte sich dafür eingesetzt, eine Vollstreckungsbehörde für die Pkw-Maut in einer alten Kaserne in Schleswig-Holstein unterzubringen. Wohl auch kein Zufall: Das KBA sitzt in Flensburg.

Cottbus und Weißwasser waren ebenfalls im Rennen

Politisch interessanter war dagegen der mögliche Standort Cottbus oder Weißwasser. Und es erschien auch nicht schwierig, genug qualifiziertes Personal für diese Städte zu finden, vor allem IT-Fachleute. Die Bundesregierung und die Maut-Manager arbeiteten mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen und bekamen überraschend gute Profile von potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Nur für die absoluten Top-Positionen hätte man den geografischen Radius etwas weiter als nur um die jeweiligen Städte ziehen müssen. Für den zweiten Standort neben Berlin waren rund 200 Stellen vorgesehen, davon 170 Sacharbeiter. Doch der EuGH beendete diese Planungen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Scheuer auch auf die Pflicht zu einer Pkw-Maut in ganz Europa verzichtet, die er im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft in den Entwurf einer sogenannten Eurovignetten-Richtlinie eingefügt hatte.

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