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Die Masse individuell machen - mit neuen Fertigungsmethoden wird das möglich.

© dpa

Rückkehr des Standorts Deutschland: Maßschuhe in Massen schaffen

Schuhe und Klamotten werden schon lange kaum noch in Deutschland gefertigt. Die Digitalisierung könnte die Produktion zurückbringen. Doch Mittelständler tun sich schwer.

Der deutsche Mittelstand hat es in der Hand, was aus Pou Chen wird. Noch ist der taiwanische Konzern der weltweit größte Auftragsfertiger von Schuhen. Ob Adidas oder Nike, Asics oder Crocs – sie alle lassen ihre Modelle in einer der zahlreichen Fabriken in Vietnam oder China herstellen. 300 Millionen Paar Schuhe kommen übers Jahr zusammen.

Und wenn es nach Christian Decker geht, werden es in den kommenden Jahren immer ein paar weniger. Der Geschäftsführer von Klöckner Desma will nämlich nicht mehr nur Schuhmaschinen bauen, für die sein Unternehmen weltweit bekannt ist. „Wir wollen ganz nah an den Kunden“, sagt Decker an diesem Dienstagmorgen in Berlin. Soll heißen, die Bremer wollen mit ihren Maschinen rein in die Schuhgeschäfte.

Mittelständler sollen Digital lernen

Brigitte Zypries (SPD) findet diese Idee überhaupt nicht verrückt. „Das nennt sich Disruption“, sagt sie. Als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium kümmert sie sich vor allem um Start-ups, und in dieser Szene sind Unternehmer stets auf der Suche, bestehende Geschäftsmodelle grundlegend neu zu gestalten. Disruptiv eben. Die Bundesregierung wünscht sich, dass mehr Manager aus dem klassischen Mittelstand so denken wie Start-ups – und wie Decker.

Gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) startet die von der Bundesregierung geförderte „Plattform Industrie 4.0“ eine Kampagne, um die Digitalisierung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) voranzutreiben. „Wir können in Deutschland technische Lösungen entwickeln und umsetzen“, sagt DIHK-Chef Martin Wansleben. Ob die Mittelständler zukunftsfähig bleiben, hänge aber entscheidend davon, wie sie sich in einer vernetzten Welt behaupten.

Die Produktivität könnte enorm steigen

Genau dort liegt nach Ansicht von Fachleuten ein Problem. In verschiedenen Umfragen zeigt sich, dass große Teile der KMU bei der Digitalisierung ihrer Prozesse noch ganz am Anfang stehen. Eines der großen Hemmnisse ist die Sicherheit: Viele Unternehmen sind nach wie vor nicht bereit, Produktions- und Maschinendaten mit Dienstleistern zu teilen. Die Sorge vor Datenverlust oder -missbrauch verhindert so, dass sie Geschäftsprozesse optimieren können.

Dabei legen Untersuchungen nahe, dass Firmen mit einem hohen Grad an Digitalisierung eher wachsen als andere. Und Konzerne wie Siemens, Daimler, BASF erhoffen sich durch das Zusammenwachsen von Produktion und IT einen Produktivitätsschub um rund ein Drittel.

Massenproduktion von morgen

Rund 200 konkrete Anwendungsbeispiele für Industrie 4.0, wie das Schlagwort heißt, gebe es hierzulande, sagt Zypries. Mit den Veranstaltungen, die DIHK und Plattform nun in vielen Städten anbieten wollen, sollen es schnell mehr werden.

Bis Christian Deckers Vision von der kundenindividuellen Massenproduktion im Schuhgeschäft Wirklichkeit wird, werden noch Jahre vergehen. Doch er ist überzeugt. „Warum sollen sich Kunden zwölf Wochen von der Order bis zur Lieferung gedulden, wenn sie beim Kaffee im Laden bequem auf ihren Schuh warten können?“

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