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Roboter und VR: Wie das Handwerk von der Digitalisierung profitiert

Das traditionsreichen Handwerk ist digitalisierter als der Mittelstand. Auch ein Restaurateur des Berliner Schlosses profitiert von neuer Technologie.

Durch die vielen Aufträge kann Sven Schubert nicht immer vor Ort sein – muss er aber auch nicht. Denn per Webcam verfolgt der Steinmetz die Baustellen live mit und betreut parallel andere Arbeiten im Betrieb. Schubert beobachtete beispielsweise von Dresden aus, wie die mehr als tausend handgefertigten Elemente aus Stein zur Fassade des Berliner Stadtschlosses zusammengesetzt wurden. Seine Firma trug in den letzten Jahren einen Großteil zur Rekonstruktion des Bauwerks bei.

Dass sich in Sachen Digitalisierung auch im Handwerk einiges verändert, kann man im Steinmetzbetrieb von Schubert gut beobachten. Eigentlich wollte er Künstler werden, als er seinen Betrieb 1990 auf einem Hinterhof in Dresden gründete. Heute hat der Steinbildhauer je nach Auftragslage 20 bis 25 Mitarbeiter unter Vertrag, die mit einem modernen Maschinenpark arbeiten.

Angefangen hat alles mit einer computergesteuerten Brückensäge, die ihm das Schneiden von Sandstein und Granit erleichterte. Hinzu kamen eine Säulendrehmaschine für Balustraden und eine CNC- Maschine, die mithilfe moderner Steuerungstechnik in der Lage ist, Werkstücke präzise und automatisch herzustellen. Statt umständlich Schablonen einzuspannen, werden die Anweisungen einfach programmiert. Schubert investierte immer mehr in digitale Technik, wodurch er ein zunehmend größeres Auftragsvolumen abarbeiten konnte.

Technik schont Gesundheit der Mitarbeiter

Die Vollendung eines Objekts aus Sandstein, Marmor oder anderen Natursteinen ist für Schubert der schönste Moment seiner Arbeit. Doch die Vorbereitung der Steine, das grobe Fräsen, ist körperlich anstrengend und kräftezehrend. Deshalb übernehmen mittlerweile zwei Roboter diese Aufgabe. „Einarmige Banditen“ nennt Schubert seine digitalen Helfer. Die mannshohen Roboter greifen sich Blöcke, fräsen, schleifen und sägen, bis der Stein Gestalt annimmt.

Am Computer werden Rekonstruktionspläne entwickelt, 3-D-Kopien des Originals erstellt und die Daten an die Roboter übermittelt. Vor allem wenn es um die Herstellung von Prototypen im Bereich der Restaurierung oder Denkmalpflege geht, spart die Technik Zeit und schont die Gesundheit. Schubert und seine Mitarbeiter haben so mehr Raum für ihr künstlerisches Handwerk. Denn die Feinarbeit bleibt Aufgabe der Steinmetze und Bildhauer. „Kreativ ist der Mensch, die Maschine übernimmt den schweißtreibenden Teil“, sagt Schubert. Schätzungsweise rund ein Drittel der Steinmetzbetriebe sind mit moderner Computertechnik ausgestattet, heißt es beim Bundesverband Deutscher Steinmetze.

Viele Handwerksberufe sind nach wie vor klassisch geprägt. Doch immer mehr Arbeitsprozesse lassen sich durch die Digitalisierung vereinfachen und verkürzen. Und viele Gewerke nutzen die Chancen: Dachdecker nehmen eine erste Inspektion des Daches mit Drohnen vor, Smart Homes werden von Elektrotechnikern nicht nur installiert, sondern auch ferngewartet, Sattlereien vermessen Pferderücken per 3-D-Scanner, Tischlereien visualisieren ihre Produkte mit Virtual- Reality-Brillen und Fleischereien benutzen Social Media als virtuellen Verkaufstresen.

Mühsame Arbeiten werden den Steinmetzen zunehmend von Maschinen abgenommen.
Mühsame Arbeiten werden den Steinmetzen zunehmend von Maschinen abgenommen.

© promo

Zudem können auch die Kundenbeziehungen verbessert werden, etwa indem man Kundeninformationen in Datenbanken speichert und auswertet oder durch eine eigene Webseite neue Kunden generiert. Auswertungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zeigen: Gut ein Viertel der Betriebe hat konkrete Digitalisierungsmaßnahmen umgesetzt.

Handwerk ist digitaler als der durchschnittliche Mittelstand

Im vergangenen Jahr erhielten 45 Prozent der befragten Handwerksbetriebe einen Mehrwert aus Maßnahmen der Digitalisierung. Der Nutzen übertraf also die Kosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag der Deutschen Telekom erstellte Studie über das Handwerk. Insgesamt wurden knapp 2500 kleine und mittelständische Unternehmen befragt. Das Ergebnis: Der Digitalisierungsindex des Handwerks liegt im vergangen Jahr mit 56 Punkten leicht über dem Durchschnitt aller Branchen aus dem Mittelstand. Vor allem Banken und Versicherungen erzielten einen hohen Digitalisierungsgrad, wohingegen das Baugewerbe und der Handel unter dem Durchschnitt von 55 Indexpunkten liegen.

Um diesen Index zu ermitteln, wurden die Bereiche Kundenbeziehungen und Services, digitale Geschäftsmodelle, IT-Sicherheit und Datenschutz sowie Produktivität im Unternehmen analysiert. 100 Punkte würde ein Unternehmen erreichen, „wenn es sämtlichen digitalen Handlungsfeldern die höchste Relevanz zuordnen würde und dabei maximal zufrieden mit der Umsetzung wäre“.

Die traditionelle Handwerksbranche schöpft die Potenziale der Digitalisierung zwar noch nicht voll aus, befindet sich aber mitten im Wandel, so das Fazit der Studie. Demnach finden sich auch immer mehr auf bestimmte Segmente spezialisierte Vermittlungsplattformen auf dem Markt. Aktuell arbeiten 22 Prozent der Handwerker mit solchen Start-ups zusammen. Weitere 29 Prozent planen eine Kooperation, um mit digitalen Geschäftsmodellen wettbewerbsfähig zu bleiben.

Berliner Start-up Aroundhome vermittelt Handwerker

Der größte deutsche Vermittler für Produkte und Dienstleistungen rund ums Eigenheim ist das Berliner Start-up „Aroundhome“ (früher Käuferportal). Das Portal bringt Online-Kunden mit „Offline-Firmen“ zusammen und hat bereits zehn Jahre Erfahrung am Markt. Auf der Webseite beschreiben Kunden ihre Wünsche und erhalten anschließend eine Empfehlung für regionale Fachfirmen, die zum jeweiligen Projekt passen. Rund 12.000 Handwerksbetriebe aus ganz Deutschland sind nach eigenen Angaben bei Aroundhome registriert.

Im Moment bietet die Plattform vor allem ein Netzwerk für neu gegründete Betriebe. „Bezüglich der Saisonalität wollen wir versuchen zu glätten, indem wir Aufträge in schlecht gebuchten Zeiten haben“, sagt der Gründer Robin Behlau. 2018 wurden 1,8 Millionen Anfragen vermittelt. Unter den 30 „Produkten“ der Berliner Plattform bestehe aktuell vor allem große Nachfrage für handwerkliche Leistungen in den Bereichen Küche, Fassadendämmung, Heizung und Solaranlagen, erzählt Behlau.

Doch warum ist ein Großteil der Branche noch nicht ausreichend digitalisiert? Behlau meint, dass es vielen Handwerksbetrieben einfach zu kompliziert sei. Das Know-how fehle, zudem bestehe eine große Unsicherheit in puncto Cybersicherheit, bestätigt Stephan Blank vom Kompetenzzentrum Digitales Handwerk. Hinzu komme die gute Auftragslage in vielen Gewerken. Doch beide sind sich einig, dass die Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle spielen wird: „Irgendwann wird der Punkt kommen, da müssen Handwerker online sichtbar sein, um Kunden zu gewinnen“, sagt Behlau.

Sarah Birkhäuser

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