zum Hauptinhalt
In Dänemark, den Niederlanden und Österreich werden weniger Antibiotika eingesetzt.

© AFP

Update

Resistent durch Antibiotika: Umweltschützer finden Keime im Discounter-Fleisch

Gefährdet billiges Putenfleisch die Gesundheit? Tester finden in 90 Prozent der Putenprodukte antibiotika-resistente Keime. Naturschützer sind alarmiert.

Von Maris Hubschmid

Die Zahl ist erschreckend: 57 Packungen Putenfleisch haben Forscher im Labor untersucht – in 50 davon fanden sie Keime, die Menschen gefährlich werden können. 42 Proben enthielten sogenannte MRSA-Bakterien, gegen die viele Antibiotika unwirksam sind. Und 30 Mal wurden ESBL-Keime nachgewiesen, die die Eigenschaft, antibiotika-resistent zu sein, an andere Keime weitergeben können. Die Putenprodukte kauften die Tester bei Aldi, Lidl, Real, Netto und Penny. Alle genannten Discounter führten belastetes Fleisch im Sortiment.

In Auftrag gegeben hat die Untersuchung der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der gibt zu, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ sind: Für eine umfangreichere Testreihe habe das Geld gefehlt. Klar ist aber auch: Alle Packungen hätten zuhause bei Normalverbrauchern landen können. Gefährlich sind die Keime, wenn sie über den Kontakt mit frischem Fleisch an Schleimhäute oder Wunden kommen. Gebratenes und gegartes Fleisch kann man bedenkenlos essen – werde aber zum Beispiel Rohkost mit dem gleichen Messer geschnitten wie zuvor Fleisch, könnten die Keime in den Körper gelangen, erklärte Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, am Montag in Berlin.

Menschen sterben, weil Antibiotika nicht helfen

Jedes Jahr sterben 30 000 bis 40 000 Menschen in Deutschland, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken, schätzt die Organisation. Belegt ist das nicht. Weil andere Todesursachen genannt würden, mutmaßt eine BUND-Referentin: „Da steht dann Lungenentzündung oder Harnwegsinfektion im Totenschein“ – Krankheiten, die man normalerweise mit Antibiotika therapieren kann.

Eingekauft haben die Tester in Discountern unter anderem in Berlin, Hamburg, Dresden, Leipzig, Frankfurt und Köln. Sämtliche großen Hersteller stehen auf der Liste derer, in deren Lebensmitteln Keime waren: Bei der PHW-Gruppe, zu der Wiesenhof gehört, waren es 20 von 21. Erzeugnisse der Mitbewerber Sprehe, Heidemark und Plukon wiesen ebenfalls mehrheitlich Keime auf.

Beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) wiegelt man ab. Die Keimbelastung auf den Produkten sei „so gering wie nie“, heißt es in einer Mitteilung. Dank moderner Standards könne in allen Stadien der Produktion die Hygiene streng überwacht werden. Glaubt man dem BUND, sind es jedoch gerade die modernen Produktionsketten, die Keimen den Boden bereiten: Vier Proben aus Hofschlachtereien und alternativer Haltung, welche der Verband zum Vergleich testen ließ, waren alle einwandfrei.

Nicht immer unbelastet. Das zumindest belegt der BUND in einer Stichprobe von abgepacktem Fleisch aus dem Discounter.
Nicht immer unbelastet. Das zumindest belegt der BUND in einer Stichprobe von abgepacktem Fleisch aus dem Discounter.

© dpa

Kontaminierung erst bei der Schlachtung?

Das Vorkommen von Antibiotikaresistenzen könne nur zu einem geringen Teil auf die Nutztierhaltung zurückgeführt werden, kontert der ZDG. Studien wie eine des Universitätsklinikums Hamburg, wonach die Keime, die in Krankenhäusern kursieren, sich meist deutlich von denen unterscheiden, die bislang auf tierischen Lebensmitteln entdeckt wurden, sollen das bestätigen.

In einem Test aus dem Jahr 2012, für den die Zeitschrift Ökotest Hühnerfleisch prüfen ließ, wurden zudem auch Keime auf Bio-Geflügel gefunden. Beim BUND schließt man nicht aus, dass manches Fleisch erst in Schlachtbetrieben kontaminiert wird – wenn dort auch Tiere aus Mastanlagen getötet werden. Das warme, feuchte Klima in Großschlachthöfen begünstige vermutlich die Ausbreitung, sagte Weiger.

Um so notwendiger sei eine flächendeckende Erhebung. Keime, die mit Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können, stellten „eine der größten Gesundheitsgefahren für den Menschen“ dar. Reserveantibiotika, die bei Menschen als letztes Mittel gegen resistente Keime eingesetzt werden, müssten gänzlich in der Landwirtschaft verboten werden. Darüber hinaus forderte Weiger die Politik auf, die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung insgesamt weiter zu reduzieren. Nach Kritik in der Vergangenheit ist die Menge eingesetzter Antibiotika in den zurückliegenden Jahren von 1700 auf 1450 Tonnen pro Jahr zurückgegangen. Laut Geflügelwirtschaft werden die Medikamente nie vorbeugend, sondern „nur nach Diagnose und Verschreibung durch einen Veterinär verabreicht“. Diese Veterinäre müsse man sich genauer ansehen, empfiehlt Naturschützer Weiger: „Auf fünf Prozent der Tierärzte entfallen 80 Prozent der verschriebenen Antibiotika.“

Fleisch wird teurer

Unterdessen kündigte der Deutsche Bauernverband am Montag steigende Preise für Schweine- und Geflügelfleisch an. Der Preis werde in den kommenden Monaten um vier Cent je Kilogramm steigen. Hintergrund seien die Bemühungen um verbesserte Haltungsbedingungen im Zuge der Initiative „Tierwohl“.

Das Bundesgesundheitsamt empfiehlt grundsätzlich, bei der Zubereitung von Frischfleisch Handschuhe zu tragen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false