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„Probleme damit nicht kleinreden, aber einordnen.“ VDA-Präsident Matthias Wissmann.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Rekordjahr 2017: Dieselkrise hilft den deutschen Autokonzernen

Die Umstiegsprämie für Diesel-Fahrer treibt den deutschen Automarkt 2017 auf rund 3,5 Millionen Neuzulassungen. Aber der Schwung lässt 2018 nach

Der Dieselkrise und drohenden Fahrverboten zum Trotz hat die deutsche Autoindustrie das beste Jahr in dieser Dekade hinter sich. Knapp 3,5 Millionen Neuwagen würden 2017 wahrscheinlich zugelassen, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, am Mittwoch in Berlin. Das wären mehr als drei Prozent mehr als 2016. Ein Treiber des Marktes sei die Umstiegsprämie für Käufer eines neuen Dieselfahrzeugs, die ihren alten Wagen verschrotten lassen. Die Prämie war im Zuge der Debatte um Luftreinhaltung, Abgasbetrug und Klimaschutz eingeführt worden. Die Verursacher der Dieselkrise profitieren nun also gewissermaßen selbst von der Aufarbeitung und den Gegenmaßnahmen.

Die deutsche Autoindustrie steigerte 2017 auch ihren Weltmarktanteil. Nahezu jeder fünfte Pkw kam aus deutscher Produktion. Davon hatten aus VDA-Sicht auch die Beschäftigten etwas: Autobauer und Zulieferer hätten bis September im Durchschnitt 818.000 Mitarbeiter beschäftigt, das sei der höchste Stand seit 26 Jahren. Und dies, obwohl immer mehr Autos deutscher Marken im Ausland produziert werden. „Nur wer global stark ist, ist auch zu Hause stark“, sagte Wissmann. Die Auslandsproduktion ist 2017 um sieben Prozent auf 10,8 Millionen Pkw gestiegen, während die Inlandsproduktion um zwei Prozent auf 5,6 Millionen Stück zurückging, „wegen der Verlagerung einzelner Modelle“.

Der Brexit bremst Europa

So gut wie 2017 wird es im kommenden Jahr allerdings nicht mehr laufen. Für 2018 sagt der VDA einen Rückgang der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um zwei Prozent auf dann rund 3,4 Millionen Fahrzeuge voraus. Auch der Weltmarkt werde nur um ein Prozent auf fast 86 Millionen Neufahrzeuge wachsen. Westeuropa werde vom Brexit gebremst, der US-Markt verliere an Dynamik, China wachse nicht mehr so stark wie in den Vorjahren. Dennoch bleibe der chinesische Markt als größter Automarkt der Welt ein wichtiger Wachstumstreiber für die deutsche Branche mit fast 25 Millionen Neuzulassungen.

Wissmann bekräftigte, dass die deutsche Autoindustrie zu ihren Zusagen stehe, die auf mehreren Diesel-Gipfeln gemacht wurden. So würden die deutschen Hersteller auch ihren Beitrag zum Mobilitäts-Fonds für Städte und Gemeinden einzahlen, sobald der Fonds eingerichtet sei. Es bleibe aber eine Finanzierungslücke, weil die ausländischen Autobauer nichts einzahlen wollten. Den Beitrag der deutschen Hersteller bezifferte Wissmann mit „etwa 160 Millionen Euro“. Es bliebe also eine Lücke von 90 Millionen Euro. Insgesamt soll die Branche 250 Millionen Euro zum Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro beisteuern. „Ich wünsche mir, dass auch die anderen Unternehmen ihren Beitrag gemäß ihrem Dieselmarktanteil leisten“, sagte der VDA-Präsident.

Vorwürfe der DUH gegen BMW weist Wissmann scharf zurück

Umweltverbände halten die Finanzierungsfrage für vorgeschoben. Der fehlende Betrag für den Fonds sei „lächerlich“. VW habe allein in den USA zur Bewältigung des Abgas-Skandals über 20 Milliarden Dollar bezahlt, sagte Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub VCD. Der Präsident des Importeursverbands VDIK, Reinhard Zirpel, hatte am Dienstag argumentiert, die Reduktion der Emissionen sei eine Aufgabe des Staates und nicht der Hersteller.

Die jüngsten Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe (DUH), auch BMW verwende eine unzulässige Abschalteinrichtung in einem untersuchten Diesel-Fahrzeug, wies Wissmann scharf zurück. Wenn ein „windiger Abmahnverein“, so zitierte er einen Zeitungskommentar, unter extremen Bedingungen ein Fahrzeug teste und dann zu außergewöhnlichen Ergebnissen gelange, „spricht dies nicht für die, die die Tests machen“.

Die DUH hatte auch zahlreiche Städte auf Luftreinhaltung verklagt und damit die Debatte um Fahrverbote angestoßen. Am 22. Februar wird das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden, ob die Kommunen die Verbote eigenständig verhängen dürfen. Die verunsicherten Autofahrer müssten „rasch Klarheit erhalten“, sagte Wissmann. Der Verkauf von Dieselfahrzeugen ist massiv eingebrochen, der Marktanteil liegt inzwischen nur noch knapp über 30 Prozent. „Doch es gibt keinen Grund zur Hysterie“, sagte Wissmann. Die Luft in den Städten sei heute „besser denn je“. Nur an „Hotspots in mehreren Städten“ sei dies anders. „Ich will die Probleme damit nicht kleinreden, aber einordnen.“

Für diesen Donnerstag wird eine Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland wegen der Luftverschmutzung erwartet. Seit 2015 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, weil in vielen deutschen Städten die Luft zu stark mit Schadstoffen wie Feinstaub oder Stickoxiden belastet ist.

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