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Der Instagram-Kanal "faust_moments" verspricht besondere Momente in Berlin zu zeigen und war dafür auch im Hotel Oderberger.

© @faust_moments / Hotel Oderberger

Reisen und Social Media: Hotels bauen sich zu Instagram-Kulissen um

User in sozialen Netzwerken nutzen ihre Reisen zur Selbstdarstellung. Hotels versuchen zunehmend, die perfekte Umgebung für Instagram-Fotos zu sein.

Von Jonas Bickelmann

Unaufdringlicher Indie-Rock im Fahrstuhl; schummriges Licht. Für Fotos ist der Aufzug des 25hours-Hotels am Zoo nicht gerade geeignet. Anders als der Lift in der Filiale in Köln, der das Spiegelbild ins Unendliche vervielfacht, wie unzählige Selfies auf Instagram beweisen. Aber was ist schon ein Aufzug? Im Berliner Hotel fotografiert man die Gedächtniskirche vorm Fenster oder sich selbst in der Hängematte. Hauptsache es gibt eine Kulisse.

Schicke Designhotels sind nichts Neues. Neu ist der Instagrammability-Faktor, den Orte haben müssen. Es geht um die Tauglichkeit für Selfies, um perfekt platzierte Details für Fotos, die Freunde, Bekannte oder sogar Fremde sehen sollen. Schaut her wo ich bin!

Die 13 Standorte von 25hours oder auch das Hotel Oderberger im ehemaligen Stadtbad Prenzlauer Berg bieten beides und profitieren damit von der Entwicklung durch die sozialen Netzwerke. Die Inszenierung ist dort möglich, wo etwas Einzigartiges abgebildet werden kann. Und kein anderes Hotel hat diesen Blick über die Affenhäuser des Zoos, kein anderes einen Swimming Pool, der aussieht wie eine mittelgroße Basilika.

Zur Schau gestellte Geschichte

Beide Häuser stellen auch ihre Historie und Berlin-Verwurzelung überall zur Schau; von den alten Umkleidetüren im Oderberger bis hin zu den U-Bahnhof-Alexanderplatz-türkisen Kacheln der Lobby im 25hours. Dass der Alex fast sieben Kilometer entfernt am anderen Ende der Berliner Innenstadt liegt, ist nicht so wichtig. Die Botschaft zählt: Hier erlebst du das echte Berlin! Wo es früher eine Postkarte gab, ist der Gruß von unterwegs heute direkt auf den Bildschirmen von Freunden. Und wenn das Licht falsch fällt: löschen und neu schießen.

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Generell geht es der Hotelbranche gut. 2018 war das neunte Jahr in Folge mit wachsenden Übernachtungszahlen, teilte der Branchenverband kürzlich mit. In den kommenden drei Jahren rechnet er mit 776 neu gebauten Hotels. Und das trotz der Konkurrenz durch private Anbieter auf Airbnb und ähnlichen Plattformen. Eigentlich müssten die Wohnungen in Sachen Individualität einen Vorsprung haben. Billy-Regale gibt es aber überall, Pissoirs mit bodentiefen Fenstern und Aussicht nicht. Dafür muss man ins 25hours.

Spektakuläre Bilder als Werbung

Je besser das Prinzip des spektakulären Bildes in Hotels funktioniert, desto mehr haben die Betreiber davon. Mehr Fotos bedeuten mehr Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken. Dort, wo die jungen Menschen sind. Unter dem Hashtag #25hourshotelbikiniberlin listet Instagram über 1800 Fotos. Wenn man #ibisberlinhauptbahnhof eingibt, sind es lediglich 113. Kunden werden also zu direkten Werbeträgern. Einfach so, weil ihnen das Hotel oder das Restaurant gut gefällt.

Diese Art des Marketings beschränkt sich aber nicht mehr auf zufällige Fotos von Reisenden, sondern ist ein boomendes Geschäftsfeld geworden, das das Berufsbild des Influencers geschaffen hat. Was deren erfolgreichste Vertreterin in Deutschland, Caroline Daur, auf Instagram macht, sehen fast zwei Millionen Follower. Deswegen bekommt sie von Unternehmen beispielsweise Kleidung zugeschickt, wird zu Reisen eingeladen, kriegt für ihre Bilder Geld. Einer Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft zufolge haben 43 Prozent der 16- bis 24-Jährigen schon Produkte aufgrund solcher Influencer-Werbung gekauft. Unter allen Befragten im Alter bis 64 Jahre stimmten nur 19 Prozent der Aussage zu.

Auf die Influencer kommt es an

„Viele Hotels sind unzufrieden mit Influencer-Marketing, aber ich glaube, dass die Influencer einem auch sehr helfen“, sagt Tina Ellner, die sich beim Hotel Oderberger in Prenzlauer Berg um das Marketing kümmert. Zehn bis 20 Anfragen für kostenlose Übernachtungen bekommt sie jede Woche. Ihr sei es aber wichtig, die richtigen Werbefiguren auszuwählen. „Influencer mit 200.000 Followern können schlechter sein als welche mit 25000.“ Nur Bilder posten reicht ihr nicht. Man müsse auf Kommentare zum Foto antworten und wissen, was den Followern gefällt. Das Oderberger und das 25hours haben gegenüber der Konkurrenz den Vorteil, dass sie selbst Sehenswürdigkeiten sind, historische Gebäude. Das Bikini-Haus am Zoo ist ein Bau der 50er, finanziert aus dem Marshall-Plan. Das Stadtbad Prenzlauer Berg öffnete vor über hundert Jahren.

Beliebtestes Motiv im Oderberger ist das sanierte Bad. Gerade fotografiert hier schon wieder jemand mit dem Smartphone in der Neo-Renaissance-Halle. Es riecht leicht nach Chlor. Die Oberfläche des Wassers kräuselt sich in der Sonne – wie gemacht für ein kurzes Video in der Insta-Story.

„Inszenierte Echtheit“

Einzigartigkeit und Echtheit sind wichtig, um mit einer Reise zu imponieren. Die Tourismusindustrie versucht mit ihren Produkten, beide Wünsche zugleich zu erfüllen. Dean MacCannell, emeritierter Tourismusforscher an der University of California, entwickelte in den siebziger Jahren den Begriff der „staged authenticity“, was übersetzt „inszenierte Echtheit“ bedeutet. Die Beispiele dafür sind unzählig: falsche Baumrinde an der Waldhütte, die Plastikmuscheln an der Wand des Fischrestaurants oder eben Graffitis in Berliner Hotels. Es soll darum gehen, dass Touristen angeblich an Orte kommen, die Einheimische aufsuchen.

MacCannell sagt, Hotels wie das 25hours oder Oderberger wollten sich anscheinend eine eigene „lokale Identität“ aufbauen. In diesem Sinne seien sie das Gegenteil der Resorts in Las Vegas mit ihren Kopien von Venedig, dem Comer See oder New York. In Berlin wird stattdessen kein ferner Ort zelebriert, sondern die hippe Hauptstadt. Und zwar von den Fliesen bis zu den Cocktails: Im Oderberger gibt es einen hauseigenen Drink auf Basis des Swimming Pool, in der Monkey Bar im 25hours kann man den „Bini“ trinken, der nach einem Orang Utan im angrenzenden Zoo benannt ist.

Die Hotel-Basics reichen nicht

All das gehört zur Strategie. „Die Basics eines Hotels sind Sicherheit, Geborgenheit und Sauberkeit. Aber wir haben noch viele andere Themen, die den Gast inspirieren und motivieren sollen, dass er mit einem Kopf voller Erinnerungen hier abreisen soll“, sagt 25hours-Hauschef Dirk Dreyer, während die Hotelgäste gegen elf Uhr ein spätes Frühstück einnehmen. Bei 25hours will man für immer im Kopf bleiben – oder wenigstens auf Instagram. Auch wenn es mit der Einzigartigkeit natürlich so eine Sache ist, wenn am Ende lauter Menschen das gleiche Motiv teilen. „Alle machen ihr eigenes Ding, das zufällig dasselbe ist, was alle anderen wollen“, sagt Dean MacCannell dazu.

So sehr man bei 25hours auch die Besonderheit jedes Hauses betont, ist es am Ende doch eine Hotelkette. Es gibt neun Standorte in Deutschland, zwei in Zürich, je einen in Wien und Paris. Für 2020 sind Eröffnungen in Florenz und Dubai geplant. Accor Hotels, wozu Sofitel, Novotel, Ibis und andere gehören, erwarb 2016 einen 30-prozentigen Anteil an 25hours. Ein internationales Unternehmen mit hundert Millionen Umsatz, das in seinem Stil trotzdem immer das Alternative und das Lokale betont.

Instagram-Motive in jedem Winkel

Dreyer sagt: „Das Hotel wurde im Zeitalter vor Instagram konzipiert. Die Installation von Selfie-Kulissen war nicht geplant – die ‚Instagramability' hat sich aber im Nachhinein ergeben.“ Sie hat sich deswegen ergeben, weil überall ein Motiv geschaffen wird: Nach Edding-Gekritzel aussehende Wandbilder, Spiegel für halbnackte Bilder von fitten Körpern, ein alter Mini in der Eingangshalle. Ein Anlass zum Fotografieren in jedem Winkel.

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Das 25hours überfordert seine Gäste aber nicht mit der digitalen Welt. In der Lobby im dritten Stock gibt es jede Menge gedruckte Bücher – über Heavy-Metal-Fans, die DDR, Filme der 2000er – und einen 25hours-Affen aus Plüsch. Auch wenn man sich als Gast so fühlt wie in einer Mischung aus alternativem Geschenkeladen und WG, ist unübersehbar, dass diese Art von Hotels Orte für recht wohlhabende Menschen sind. Das Besondere kann sich nicht jeder leisten. Für ein verlängertes Wochenende ab dem zweiten Oktober würden zum Recherchezeitpunkt im Oderberger für vier Nächte 673 Euro berechnet, im 25hours 856.

Der Luxus des Einzigartigen

Wo der Luxus früher darin bestand, dass Kettenhotels in Düsseldorf, Boston oder Nagasaki innen bis aufs Teppichmuster gleich aussahen, setzen immer mehr Hotels heute auf das Unverwechselbare und Bezüge zu ihrem Umfeld. Anstelle eines Standarddesigns, müssen sie „einzigartig ortsspezifisch“ so MacCannell.

Jedes Selfie soll noch etwas von Berlin und seiner bewegten Vergangenheit ausstrahlen. „Wir versuchen ständig, den Kunden etwas zu bieten, was ein Kettenhotel nicht hat“, erzählt Tina Ellner. In der Kaminbar des Oderberger fallen schief angebrachte Kleiderhaken ins Augen. Nein, das sei kein Designelement, sagt sie, sondern ausnahmsweise Zufall.

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