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Börsen befinden sich langfristig im Aufwärtstrend, aber immer wieder kommt es zu Crashs. Wie können konservative Anleger damit umgehen?

© REUTERS

Rebalancing bei der Geldanlage in Aktien: Wie sich Anleger vor dem Crash an der Börse schützen

Die große Angst vor dem Crash hält viele Anleger davon ab, in Aktien zu investieren. "Gestaffelter Einstieg" und "Rebalancing" heißen die Konzepte, mit denen sich konservative Anleger schützen.

Von Andreas Oswald

Ein regelmäßiges "Rebalancing" des Portfolios kann den Anleger vor Crashs an der Börse schützen. Es handelt sich um ein systematisches Vorgehen bei der Geldanlage, das gleichzeitig eine höhere Rendite bringen kann, wenn man es konsequent durchhält.

Die Deutschen und die Aktien – das ist eine schwierige Geschichte. Auch wenn etliche Experten angesichts der niedrigen Zinsen zu mehr Aktienkäufen raten, halten sich die Bundesbürger eher zurück: Gerade einmal sechs Prozent ihres Vermögens haben sie derzeit in Anteilsscheinen investiert. Was viele Anleger umtreibt, ist dabei vor allem die Angst vor dem nächsten Crash.

Fallen die Kurse, wie es regelmäßig vorkommt, bereitet das vielen Verbrauchern Sorgen. Zwar wollen die Deutschen einerseits durchaus Geld in Aktien investieren, um eine höhere Rendite zu erzielen. Andererseits wollen sie aber trotzdem nachts noch ruhig schlafen können – und nicht ständig die Kurse im Blick haben müssen.

Dabei gibt es zwei Strategien, die helfen können, das Risiko in den Griff zu bekommen: ein „gestaffelter Einstieg“ und das sogenannte „Rebalancing“. Kombiniert man diese beiden Ansätze miteinander, kann das helfen, die Anlage in Aktien kalkulierbarer zu machen. Wichtig ist allerdings: Es geht dabei nicht um die kurzfristige Geldanlage.

Wer es rein auf den schnellen Gewinn abgesehen hat, wird auch mit dieser Taktik nicht zwangsläufig Erfolg haben. Experten raten bei der Aktienanlage stets einen längerfristigen Horizont von 20 Jahren oder mehr im Blick zu haben. Denn: Je kurzfristiger man in Aktien investiert, desto riskanter ist die Anlage.

Wie sich Aktienmärkte entwickeln

Wer sich das Schaubild des deutschen Leitindex Dax oder des schon sehr viel länger existierenden Dow Jones (siehe Grafik) anschaut, stellt schnell fest, dass sich der Aktienmarkt über mehrere Jahrzehnte hinweg stets nach oben bewegt hat. Ebenfalls deutlich zu erkennen sind aber auch immer wieder starke Einbrüche – mal um 30 Prozent, 50 Prozent, auch einen Kursrutsch um 70 Prozent hat es bereits gegeben. Solche Krisen wird es auch in Zukunft geben, davon sind Experten überzeugt. Für Anleger ist solch ein Crash natürlich erst einmal ein Schock. Dabei hilft es jedoch, sich klarzumachen, dass es in der Vergangenheit im Anschluss an solche Crashs auch immer wieder Aufwärtstrends gegeben hat, die zu neuen Höchstständen geführt haben. Wer sich zudem klar macht, dass es immer Crashs geben wird, der wird nicht überrascht und gerät nicht in Panik. Der Anleger empfindet es dann als natürlich, dass es auf und ab geht und er diesen Prozess aktiv steuert, indem er gestaffelt einsteigt und Rebalancing betreibt.

Wie Anleger gestaffelt investieren

Jeder Mensch hat eine persönliche Schmerzgrenze. Der eine könnte es ertragen, wenn sich 10 000 Euro vorübergehend halbieren, der andere schläft schon schlecht, wenn er zwischenzeitlich 2000 Euro verliert. Wer Aktien oder Aktienfonds kaufen will, sollte sich daher vorher darüber klar werden, wo seine eigene Schmerzgrenze liegt. Hat man die festgelegt, kann man überlegen, mit wie viel Geld man maximal einsteigen kann.

Wer sich zum Beispiel einmal im Jahr etwa über einen Sparplan mit einem relativ kleinen Betrag, der maximal ein Fünftel der Schmerzgrenze beträgt, in den Aktienmarkt einkauft, erreicht bereits einen wichtigen Effekt. Da die investierte Summe deutlich unter der Schmerzgrenze liegt, verkraftet es der Anleger, wenn gleich nach dem ersten oder zweiten Kauf der Crash kommt.

Wer auf das Geld nicht angewiesen ist und es im Depot liegen lassen kann, kann die Situation womöglich sogar mit Humor nehmen – in dem Wissen, dass es in der Vergangenheit in solchen Situationen stets irgendwann wieder aufwärts ging. Denn: In der Regel steigen die Kurse über mehrere Jahre, bevor der nächste Crash kommt. So gesehen sind zwischenzeitliche Rücksetzer für den Anleger sogar von Vorteil, weil er günstig zukaufen kann.

Der entscheidende Pluspunkt des schrittweise Anlegens kleinerer Beträge ist, dass man zum Zeitpunkt des ersten Crashs weniger Geld im Feuer hat als bei einer großen Einmalanlage, die man möglicherweise sogar erst kurz vor dem Crash eingegangen ist. Sollte der Anleger vor dem Crash dagegen schon mehrere jährliche Positionen aufgebaut haben, dann ging er sie in den Vorjahren zu wesentlich niedrigeren Kursen ein, weshalb der Verlust sehr viel geringer ausfällt. Möglicherweise ist seine erste Position immer noch im Plus, wenn der Crash an seinem tiefsten Punkt angekommen ist. Gleichzeitig führt das gestaffelte Investieren zum sogenannten Durchschnittskosteneffekt: Weil der Anleger nach und nach einsteigt, kauft er im Schnitt zu einem deutlich tieferen Kurs als die letzten Höchststände.

Das Konzept "Rebalancing"

Das schrittweise Investieren ist allerdings nur der erste Schritt, um bei einem Crash die Verluste einzugrenzen. Dazu kommt noch eine zweite Taktik: das Rebalancing. Dieses Konzept wurde in den 1930er Jahren von dem Ökonomen Benjamin Graham eher beiläufig veröffentlicht. Er praktizierte das selbst. Das Konzept wurde vermutlich als erstes von den Vermögensverwaltern der Yale-Universität angewendet, auf die sich Graham bezog. Gegenstand der Forschung wurde das Konzept erst sehr viel später.

Beim Rebalancing geht es darum, dass verschiedene Anlageklassen wie zum Beispiel Aktien, Rohstoffe oder Anleihen im Portfolio immer in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander stehen sollten. Nehmen wir ein stark vereinfachtes Beispiel: Ein Anleger hat sein Erspartes zum einen auf einem Tagesgeldkonto geparkt, zum anderen in Aktien investiert. Gehen wir etwa von einem Verhältnis Aktien zu Tagesgeld von 20:80 aus. Je nach dem wie sich die Aktienkurse entwickeln, wird sich dieses Verhältnis über die nächsten Monate automatisch verändern. Einmal im Jahr sollten Anleger deshalb ihr Wunsch-Verhältnis wiederherstellen, falls eine Anlageklasse im Wert stark gestiegen oder eine andere gefallen ist.

Auf diese Weise können sie Gewinne rechtzeitig vor dem Crash mitnehmen. Der Betrag, der von dem Crash betroffen ist, ist dann viel niedriger, als wenn man die Gewinne nicht mitgenommen hätte. Außerdem steigt der Anleger, wenn die Aktien und damit ihr Anteil im Portfolio gesunken sind, bei niedrigeren Kursen wieder ein. Das heißt: Dieses Vorgehen garantiert, dass der Anleger bei niedrigeren Kursen einsteigt und bei höheren Kursen Gewinne mitnimmt.

Die Stiftung Warentest empfiehlt dieses Vorgehen. „Wir halten das für sehr sinnvoll“, sagt „Finanztest“-Experte Thomas Krüger. Das regelmäßige Ausbalancieren des Verhältnisses zwischen Anlageklassen verhindere, dass der Aktienanteil im Laufe der Zeit so stark steige, dass er nicht mehr der persönlichen Risikoneigung entspreche.

Ruhiger schlafen 

Krüger empfiehlt allerdings auch, nicht andauernd auf die Kurse zu schielen. Das mache einen nur unnötig nervös. Eine Möglichkeit sei es zum Beispiel, einmal im Jahr zu einem festgelegten Termin zu überprüfen, ob der Aktienanteil 20 Prozent über dem gewünschten Verhältnis liegt. Wenn ja, gleicht man das aus – wenn nein, lässt man die Dinge weiterlaufen. Oder man schaut nur nach, wenn man liest, dass die Kurse gerade sehr stark steigen und betreibt dann Rebalancing, wenn sich das Verhältnis tatsächlich stark geändert hat.

Außerdem wird der Kurseinbruch durch das Rebalancing abgemildert. Ein Beispiel: Jemand spart 4000 Euro im Jahr. Davon kauft er immer für 2000 Euro Aktien – am besten in Form eines Indexfonds ( ETF genannt), der einen marktbreiten Index wie den Dax oder den amerikanischen S&P 500 nachbildet. Wer immer nur die Hälfte in Aktien anlegt und die andere Hälfte auf seinem Tagesgeldkonto aufhäuft, den kann ein Crash auch nur zur Hälfte treffen. Von dem Kauf von Einzelaktien raten Verbraucherschützer übrigens eher ab, da bei ihnen das Verlustrisiko deutlich höher ausfällt als bei Fonds, die breit investieren. Am günstigsten im Hinblick auf Gebühren sind Indexfonds, ETFs. Sie laufen in der Regel besser als gemanagte Fonds, weil sie den Index abbilden, während gemanagte Fonds oft schlechter abschneiden. Zudem ist es bei gemanagten Fonds besonders teuer, ein- und auszusteigen.

Das Prinzip des Rebalancing kann man individuell anpassen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass der Anleger höchstens solange in Aktien investiert, bis er seine Schmerzgrenze erreicht. Nehmen wir an, diese Grenze liegt bei 10 000 Euro. Steigen die Aktienkurse in ihrem Wert, dann könnte der Anleger jedes Mal bei einer Steigerung von 20 Prozent genau diesen Anteil an seinen Aktien verkaufen. Das Prinzip des Rebalancing wäre also nicht mehr die Halbe-Halbe-Regel, sondern es gäbe eine absolute Grenze, ab der man Gewinne abschöpft. Der Aktienstock ist dann eine Art Melkkuh.

Weiterführende Berechnungen: Vanguard, der zweitgrößte ETF-Emittent der Welt, hat das Konzept in vielen Varianten seit 1926 durchgerechnet. Da Vanguard Indexfonds herausgibt, hat das Haus kein Eigeninteresse, mit seinen Veröffentlichungen einen gemanagten Fonds zu vermarkten. Die Veröffentlichungen sollen Kunden dabei helfen, ihre eigenen Konzepte zu entwickeln. Die eingehenden Berechnungen zum Thema Rebalancing finden Sie hier.

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