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Der US-Rapper Snoop Dogg.

© picture alliance / Ferdy Damman/

Rapper investieren besonders gern: Warum das Geschäft mit Cannabis nicht so berauschend ist

Vor allem Rapper investieren derzeit in den Cannabismarkt – und hoffen auf ein erfolgreiches Geschäft. Doch die Branche schwächelt.

Von Laurin Meyer

Sein erster Kontakt zum Geschäft mit dem Gras war kriminell, sagt Herzog. Auf den Straßen der Hauptstadt war der Berliner Rapper in der Vergangenheit als Dealer unterwegs. Eine Zeit, über die er nicht so gerne spricht. Herzog, der eigentlich Oliver Herzog heißt und in der Musikszene oft nur seinen Nachnamen nutzt, brauchte das Geld, wie er sagt.

Jetzt ist Herzog wieder im Geschäft mit dem Gras aktiv – diesmal jedoch legal und professionell. Gemeinsam mit dem spanischen Unternehmen „Exotic Seed“ hat der Rapper ein eigenes Produkt herausgebracht, vertreibt keimfähige Cannabissamen unter seinem Namen. In der Szene kommt das offenbar an: Herzogs Marke konnte bereits mehrere „Cannabis Cups“ gewinnen, beliebte Auszeichnungen. Die Samen produziert er in Spanien, der Vertrieb läuft über die Niederlande. In Deutschland wäre das nicht erlaubt. Wie viel Umsatz der Rapper macht, will er nicht verraten. Heute gehe es Herzog aber nicht mehr ums Geld, sondern um Prestige, wie er sagt. Und darum, bei der Debatte um die Legalisierung eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Herzog ist einer der ersten deutschen Rapper, die eine eigene Cannabismarke aufgebaut haben. In den USA ist es längst üblich, dass prominente Musiker ihre eigenen Sorten vertreiben. Zu ihnen zählt etwa der US-Rapper Wiz Khalifa. Schon vor drei Jahren hat sich der 32-Jährige mit einer Marihuana-Firma aus Colorado zusammengetan, verkauft seitdem kleine Dosen mit Gras namens „Khalifa Kush“. Der US-Rapper Jay-Z ist im Sommer eine Partnerschaft mit dem kalifornischen Produzenten Caliva eingegangen, wurde dort sogar zum Chef-Markenstratege ernannt. Und vor wenigen Wochen ist auch einer der weltweit erfolgreichsten Musiker, der Kanadier Drake, ins Geschäft eingestiegen.

Gemeinsam mit dem Cannabiskonzern Canopy Growth hat der 33-Jährige ein eigenes Unternehmen gegründet, vertreibt fortan Zubehör für den Konsum von Marihuana wie Pfeifen und Bongs. Doch auch Pullover und Schuhe soll es zum Thema geben. Drake, der zuletzt einen Chart-Rekord der Beatles gebrochen hat, hält 60 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen. Und träumt vom großen Geschäft: „Ich bin inspiriert von der Idee, in einer schnell wachsenden Industrie etwas wirklich Besonderes aufzubauen“, erklärte Drake zum Start.

Cannabis-Hersteller machen Verluste

Für die Rapper passt das Geschäft zum Image. Ganze Songs drehen sich ums Rauchen von Gras, Alben haben Marihuana im Titel. Warum also nicht den passenden Stoff zum Musikhören gleich mit anbieten? Ob das Investment wirklich so berauschend ist, scheint aber fraglich zu sein. Denn viele der großen Produzenten stecken tief in den roten Zahlen. Kanadas größter Cannabis-Hersteller, Canopy Growth, machte allein im abgelaufenen Quartal ein Minus von rund 250 Millionen Euro. Und auch Konkurrenten wie Tilray oder Aurora Cannabis verbuchten zuletzt Millionenverluste. „Am Anfang war viel Fantasie im Markt“, erklärt Jochen Stanzl, Analyst bei CMC-Markets. „Die Produzenten haben mit mehr Wachstum geplant, der Markt war jedoch nicht so groß wie erhofft.“ Die Folge: Überkapazitäten und fallende Preise.

Das bekamen auch die Anleger zu spüren. Seit April verlor die Aktie von Canopy Growth rund 60 Prozent, für die Papiere von Aurora Cannabis ging es um knapp 70 Prozent bergab. „Die Blase ist geplatzt“, sagt Stanzl. „Die große Konsolidierung steht an.“ Jetzt könnte sich die Branche zunächst gesund schrumpfen. Canopy Growth kündigte an, in Südamerika rund 15 Prozent seiner Belegschaft abzubauen. Stanzl ist sicher, dass einzelne Player auf dem Markt überleben werden. „Welche das sein werden, lässt sich aber noch nicht sagen.“

Der kanadische Marktführer versucht es jetzt mit einem Strategiewechsel, mit „Canabis 2.0“, wie das Unternehmen am Donnerstag verkündete. Gestartet ist Canopy Growth als Produzent von medizinischem Cannabis, künftig soll es mit Hanfschokolade und aromatisierten Getränken wieder aufwärts gehen. Die ersten Limonaden will der Hersteller in Kanada schon in den kommenden Wochen in die Regale bringen. Doch Beobachter sind skeptisch: Denn die weltweiten Verkaufszahlen würden maßgeblich von der rechtlichen Situation abhängen, sagt Stanzl.

Drogenbeauftragte will Teilfreigabe diskutieren

Zahlreiche Regierungen dürften die hohen Erwartungen der Cannabis-Fans zuletzt gedämpft haben. „Viele dachten, die weltweite Legalisierung geht schneller voran“, sagt Stanzl. Selbst für den medizinischen Gebrauch ist der Konsum von Cannabis noch in vielen Ländern verboten, den Freizeitverbrauch haben bislang nur wenige Staaten legalisiert. Das prominenteste Beispiel aus dem vergangenen Jahr ist Kanada. Als einziges Mitglied der G7-Staaten haben die Nordamerikaner den Privatkonsum für Erwachsene flächendeckend freigegeben. Derzeit bereitet auch Luxemburg eine Legalisierung vor.

In Deutschland gehört Cannabis laut Betäubungsmittelgesetz zu den sogenannten „nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln“. Anbau, Handel und Besitz sind verboten. Geht es um kleine Mengen zum gelegentlichen Eigenverbrauch, wird das aber strafrechtlich meist nicht weiter verfolgt. Allerdings: Eine bundesweit einheitliche Regel, was als kleine Menge gilt, gibt es nicht. Seit zwei Jahren dürfen Ärzte hierzulande Cannabis jedoch als Arzneimittel an schwerkranke Patienten verschreiben, etwa bei Krebsleiden. Bislang wurden die Blätter aus Kanada und den Niederlanden importiert. Zuletzt hat die deutsche Cannabisagentur jedoch zwei Unternehmen mit dem Anbau in Deutschland beauftragt – mit einem Volumen von rund sieben Tonnen, später weiteren drei Tonnen. Die erste Ernte soll es im Winter des kommenden Jahres geben.

Die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), will demnächst auch über eine Teilfreigabe diskutieren. Das Thema treibe viele Menschen um, sagte Ludwig vor wenigen Wochen bei der Präsentation des Drogen- und Suchtberichts 2019. Deswegen werde sie mit Befürwortern und Gegnern den offenen Dialog suchen. Verbot hin oder her: Einen Joint zu rauchen, scheint unter jungen Menschen längst angekommen zu sein. Laut des aktuellen Berichts der Bundesregierung hat fast jeder zweite junge Erwachsene schon mindestens einmal in seinem Leben Cannabis konsumiert, bei den Minderjährigen ist es jeder Zehnte.

Mit seinen eigenen Cannabissamen will Rapper Herzog übrigens noch nicht am Ende sein. Er träumt von mehr: „Die große Vision ist es, eine eigene Coffeeshop-Kette in Deutschland und Europa aufzubauen“, sagt Herzog. Ob ihm das gelingt, hänge aber von der drogenpolitischen Entwicklung ab.

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