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Rätselhafter Druckabfall: Wie Gazprom die Lieferengpässe in die EU erklärt

In der EU kommt weniger russisches Gas an – sagen Kunden. Der russische Lieferant Gazprom dementierte - und lieferte dann doch eine Erklärung.

Der russische Gasexportmonopolist Gazprom hat Meldungen aus Polen, der Slowakei und Deutschland zurückgewiesen, wonach er weniger Gas liefere als vereinbart. „Die Berichte von Nachrichtenagenturen über eine Reduzierung der Gaslieferungen an das polnische Unternehmen PGNiG durch Gazprom sind nicht korrekt“, sagte ein Gazprom-Sprecher in Moskau. Es seien die gleichen Mengen Gas wie an den vorangegangenen Tagen nach Polen geliefert worden: 23 Millionen Kubikmeter pro Tag.

Druckabfall. Eine polnischer Versorger behauptet, es kämen von 45 bis 70 Prozent weniger Gas an als vereinbart.
Druckabfall. Eine polnischer Versorger behauptet, es kämen von 45 bis 70 Prozent weniger Gas an als vereinbart.

© dpa

Der polnische Gasversorger hatte sich konkret über einen Rückgang der russischen Lieferungen durch die Ukraine und durch Weißrussland beschwert. 45 Prozent weniger Gas als üblich sei angekommen. Auf die Frage, warum die faktischen Gaslieferungen unter den von Polen bestellten Mengen gelegen hätten, antwortete der Gazprom-Sprecher ausweichend: Die Gaslieferungen würden in allen Richtungen nach den momentan vorhandenen Exportressourcen erfolgen. Womöglich hat sich in russischen Augen also mancher Kunde nicht vertragskonform verhalten.

Eine mögliche Erklärung für das Missverständnis: Gazprom habe den Export gedrosselt, um Polen für die inzwischen gestoppten Umkehrlieferungen in die Ukraine zu strafen. Beim dem sogenannten Reverse-Flow-Modus fließt Gas nicht aus der Ukraine nach Polen, sondern in umgekehrter Richtung. Gazprom geht davon aus, dass es sich dabei um Gas handelt, das Russland zuvor an Polen geliefert hatte. Den Ukrainern hatte Russland schon Anfang Juni den Hahn zugedreht. Wegen der aufgelaufenen Schulden für bereits getätigte Lieferungen – es geht dabei um gut vier Milliarden Euro – hatte Gazprom auf Vorkasse bestanden. Die dem Bankrott nahe Führung in Kiew konnte oder wollte bisher nicht zahlen und besteht auf Neuverhandlung des Lieferpreises.

Die russische Seite hatte sich bei Konsultationen mit dem scheidenden EU-Energiekommissar Günther Oettinger Ende August in Moskau bereit erklärt, der Ukraine einen vorläufigen Preisnachlass von 100 Dollar pro 1000 Kubikmeter zu gewähren. Den endgültigen Preis soll das Internationale Schiedsgericht in Stockholm festlegen. Dort hatten Russland und die Ukraine einander im Juni verklagt: Gazprom wegen offener Rechnung, der ukrainische Versorger wegen Nichterfüllung von Verträgen.

„Wir brauchen eine Mittelfriststrategie, denn: Aus einer gewissen Importabhängigkeit darf niemals eine Erpressbarkeit entstehen“, sagte Oettinger am Donnerstag in einer Videobotschaft an Teilnehmer des Deutschen Energiekongresses in München. In einigen Tagen will sein Haus eine Analyse mit verschiedenen Szenarien vorstellen – und Handlungsempfehlungen geben. Am Samstag kommender Woche soll es in Berlin zudem ein weiteres Gespräch beider Seiten unter EU-Vermittlung geben.

Der Unterhändler. Der scheidende EU-Energiekommissar Günther Oettinger verhandelt seit Monaten mit Russen und Ukrainern im Gasstreit - bisher ohne Erfolg.
Der Unterhändler. Der scheidende EU-Energiekommissar Günther Oettinger verhandelt seit Monaten mit Russen und Ukrainern im Gasstreit - bisher ohne Erfolg.

© AFP

Johannes Teyssen, Chef des größten Europäischen Versorgers Eon, mahnte zur Ruhe. „Es bringt nichts, Horrorszenarien zu entwerfen nach dem Motto: Die Stube wird kalt“, sagte er dem Tagesspiegel. „Selbst wenn die Gaslieferungen durch die Ukraine heute in Gefahr gerieten, läge die größte Herausforderung in der Ukraine selbst und in den angrenzenden südosteuropäischen Nachbarstaaten, denen wir dann solidarisch helfen müssen. Deswegen müssten wir uns in Deutschland noch lange keine Pullover stricken“. Er erinnerte daran, dass Eon einer der größten Investoren und Kraftwerksbetreiber in Russland sei, dort 5000 Mitarbeiter beschäftige. „Wir sind demnach Teil der Versorgungssicherheit für die Russen“, fügte Teyssen hinzu.

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