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GitHub Sticker auf Notebook Laptop.

© promo

Programmierer-Plattform Github: Im Zeichen der Krakenkatze

Warum Microsoft 7,5 Milliarden Dollar für die Softwareentwickler-Plattform Github ausgegeben hat und auch deutsche Traditionskonzerne darauf setzen

Programmierer bekleben ihre Laptops gern mit bunten Stickern. Eines der beliebtesten Motive dabei ist die Octocat, eine Comickatze mit den Füßen eines Oktopusses. Entworfen hat sie ein britischer Designer, der auch schon den Twitter-Vogel gestaltet hat. Als das Start-up Github vor zehn Jahren ein Logo brauchte, stießen sie auf die Krakenkatze und trafen damit offenbar den Geschmack vieler Nerds.

Doch die pappen sich die Aufkleber nicht nur wegen des süßen Aussehens auf ihre Computer. Viel entscheidender ist, dass sich Github zur wichtigsten Plattform für Softwareentwickler weltweit entwickelt hat. Als „Facebook für Programmierer“ wird Github daher gern bezeichnet. Die können dort ihren Code veröffentlichen, die Programme anderer kommentieren, herunterladen und sie gemeinsam bearbeiten. 31 Millionen Mitglieder hat Github inzwischen, allein acht Millionen sind im vergangenen Jahr neu hinzugekommen.

Das hat auch Begehrlichkeiten bei Microsoft geweckt: Der Softwarekonzern will Github für 7,5 Milliarden Dollar kaufen. Nun hat auch die Europäische Kommission nach einer mehrmonatigen Prüfung ihre Erlaubnis für die Transaktion gegeben. Bis Ende des Jahres soll die Übernahme dann abgeschlossen sein.

Immer mehr Unternehmen nutzen den Dienst

Für Microsoft ist Github vor allem deswegen interessant, weil auch immer mehr Unternehmen den Dienst nutzen. „Github ist der De-facto-Standard in der Softwareentwicklung“, sagt Timm Drevensek, der den Einsatz der Plattform bei Continental mit vorantreibt. Denn damit kann Software gemeinsam geschrieben und bearbeitet werden. Bei der Firmenversion haben auch nur deren Mitarbeiter darauf Zugriff und sie können alles auf eigenen Rechnern speichern. Dafür nimmt Github dann auch Gebühren. Der Jahresumsatz soll zuletzt bei 300 Millionen Dollar gelegen haben.

Viele Start-ups und Technologieunternehmen wie Zalando entwickeln ihre Software schon länger mit Github, doch inzwischen ziehen auch traditionelle Unternehmen wie die Deutsche Börse nach. „Es gab dabei eine ganze Menge Widerstände“, sagt Thomas Aidan Curran, der dort Github eingeführt hat. Skepsis schlug ihm sowohl im Vorstand als auch bei älteren Entwicklern, die teilweise schon Jahrzehnte im Unternehmen sind, entgegen. Doch gerade um im harten Wettbewerb um Programmierer mitzuhalten, führt für ihn kaum ein Weg daran vorbei. „Wenn man Entwickler einstellt, schaut man sich zuerst deren Github-Account an“, sagt Curran. Und natürlich erwarten diese dann auch, dass diese Werkzeuge verwendet werden.

Doch das Image als Open-Source-Plattform, bei der jeder Code vermeintlich öffentlich einsehbar ist, schreckt manche Entscheidungsträger ab. „Einige hatten Angst, dass Betriebsgeheimnisse geklaut werden können“, sagt Curran. Dabei müssen Firmen, die Github nutzen, nichts von ihrer Software öffentlich machen. Sie können es aber.

Genau diesen Schritt ist Continental nun gerade zum ersten Mal gegangen. „Ich hatte deswegen einige schlaflose Nächte“, sagt Tim Drevensek, der das Projekt bei dem Autozulieferer verantwortet. Seine Abteilung entwickelt Software für Bordinstrumente wie Tachos. Dabei sind je nach Automodell zahlreiche leicht abgewandelte Versionen nötig. Um bestimmte Änderungen in mehreren verschiedenen Softwarevarianten gleichzeitig vorzunehmen, haben Drevensek und sein Team einen speziellen Prozess für Github entwickelt. Und genau diese Methode haben sie nun veröffentlicht, damit sie auch andere nutzen können.

 Nicht alle Nutzer finden das gut

Darin liegt die große Stärke von Github. Früher musste sich Conti bei Schwierigkeiten und Wünschen an den Softwarepartner wenden und hoffen, nach Tagen oder Wochen eine Lösung zu bekommen. „Auf einmal gibt es Millionen Nutzer, die gleiche Probleme haben“, sagt Drevensek. Und sich auf der Plattform schnell gegenseitig helfen.

Das ändert auch die Art, wie Unternehmen kooperieren. Bislang entwickelt Conti Autoteile und die dazugehörige Software und liefert sie dann an den Auftraggeber. „Ich denke künftig werden Zulieferer und Autobauer auch gemeinsam auf einer Plattform am Code arbeiten“, sagt Drevensek.

Dieser Kulturwandel und Githubs zentrale Stellung machen das Unternehmen so interessant für Microsoft. Allerdings stieß die Ankündigung nicht bei allen Nutzern auf Begeisterung. Zu präsent ist vielen noch der jahrelange Kampf des Unternehmens gegen offene Softwareprojekte wie Linux, die der frühere Microsoft-Chef Steve Ballmer einst als „Krebsgeschwür“ bezeichnet hatte. Doch unter dem jetzigen Chef Satya Nadella hat sich das Unternehmen deutlich gewandelt. So ist Microsoft auch jetzt schon das aktivste Unternehmen auf Github, mit deutlichem Abstand zum traditionell eher offenen Google. „Für Microsoft hat die Open-Source-Ära begonnen“, sagt Curran.

Trotzdem fragen sich viele, wie der Softwareriese mit seiner neuen Erwerbung umgeht. Auch auf dem jährlichen Treffen der Github-Gemeinde, das gerade in San Francisco stattfand, war dies das dominierende Thema. Der künftige Github-Chef, Microsoft-Manager Nat Friedman, war zwar vor Ort und führte auch Gespräche mit großen Kunden, doch da er seinen Posten erst nach Abschluss der Übernahme antreten wird, war von ihm offiziell nichts zu hören.

„Wir bleiben eine offene Plattform, da wird sich nichts ändern“, sagen Github-Manager wie Kyle Daigle unisono. Auch wenn man mit Partnern und Mitarbeitern spricht, überwiegt der Optimismus. Sie hoffen zudem, dass Microsofts Vertriebsmaschinerie und die Kontakte zu Unternehmenskunden Github beim Verkauf helfen werden. „Wäre die Übernahme vor zehn Jahren passiert, wäre ich jetzt nicht mehr hier“, sagt ein führender Entwickler. Doch auch er denkt, dass Microsoft inzwischen genau wisse, dass es seine teuer erkaufte Entwickler-Gemeinschaft nicht verprellen darf, um davon zu profitieren. Curran, der auch schon selbst zwei Mal für das Unternehmen aus Redmond gearbeitet hat, geht sogar noch weiter: „Ich glaube der Einfluss von Github auf Microsoft wird größer sein, als umgekehrt.“

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