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Bei früher Buchung sind Bahnreisen in Europa erstaunlich günstig, zeigt der VCD-Bahntest 2021/22.

© Promo/ÖBB

Probleme beim Ticketkauf: Europas Bahnverkehr kennt weiter viele Grenzen

In Europa kann man günstig mit der Bahn verreisen, zeigt der VCD-Bahntest. Doch der Ticketkauf für internationale Fahrten ist oft unnötig kompliziert.

Bahnreisen ins europäische Ausland sind bei einer frühen Buchung erstaunlich günstig, doch beim Fahrkartenkauf warten auf Verbraucher:innen noch viele Fallstricke. Zu diesem Ergebnis kommt der diesjährige Bahntest, den der Verkehrsclub Deutschland (VCD) an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. „Bahnfahren in Europa funktioniert – wenn man weiß, wo und wie man nach Tickets suchen muss“, sagt die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann Tagesspiegel Backgrund.

Der Teufel stecke vielfach im Detail, betont VCD-Bahnexperte Bastian Kettner. So bietet etwa die italienische Staatsbahn Trenitalia im Internet günstige Tickets für Fahrten von Deutschland nach Rom an, doch die Tickets müssen an speziell dafür vorgesehenen Automaten an Bahnhöfen in Italien ausgedruckt werden. Die für deutsche Fahrgäste nicht ganz unwichtige Information ist auf der Trenitalia-Webseite jedoch gut versteckt.

Getestet wurden sechs Strecken in sechs europäische Länder

Für den Test hat der VCD Bahntickets nach Stockholm, Amsterdam, Danzig, Budapest, Rom und Marseille gesucht. Die sechs untersuchten Strecken starteten von den deutschen Städten Hamburg, Berlin, München und Frankfurt. Die Fahrten lagen jeweils in den Herbstferien.

Das Ergebnis: Wer sechs bis acht Wochen vor der Fahrt nach Fahrkarten sucht, zahlt auf den meisten Strecken etwa 40 Euro per Person, wobei auch Ticketpreise zwischen 20 und 60 Euro möglich sind. Eine Woche vor Reiseantritt sind die Tickets auf den westeuropäischen Strecken hingegen deutlich teurer, während sich nach Danzig und Budapest weiterhin einige Schnäppchen finden. Schlafwagen in den beliebten Nachtzügen sind dann vielfach bereits ausgebucht.

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Die Servicequalität der untersuchten Buchungsportale ist sehr unterschiedlich. Die polnische Bahngesellschaft etwa biete in ihrem eigenen Netz keine durchgehenden Tickets an, beklagt Bastian Kettner. Fahrgäste müssten jede Teilstrecke einzeln buchen, obwohl dies nach den Vorgaben der EU-Kommission schon bald nicht mehr zulässig sei. Wichtige Informationen finden sich auf der Internetseite der PKP zudem nur in Polnisch und die Fahrpreise werden nur in Złoty angezeigt. Der VCD kann die Seite deshalb nicht wirklich empfehlen.

Der DB Navigator der Deutschen Bahn zeigt besonders viele verschiedene Verbindungen an, doch nicht für alle kann das Buchungsportal auch einen Fahrpreis ermitteln. Zudem gibt es laut VCD keine Bestpreisgarantie. Als Alternative bietet sich der private Anbieter Trainline an, der mit den meisten europäischen Eisenbahnen kooperiert.

Insbesondere auf der Strecke Frankfurt-Marseille offeriert Trainline besonders günstige Tickets, weil das Portal die Sparpreise der DB mit denen der französischen Staatsbahn SNCF kombiniert. Mit der ungarischen Staatsbahn arbeitet Trainline hingegen nicht zusammen. Die MÁV bietet auf der Strecke München-Budapest mit Abstand die günstigsten Tickets – zumindest für Singles. Familien reisen hingegen günstiger mit Fahrkarten der DB. 

VCD schlägt öffentliche Buchungsplattform vor

Für die Verbraucher:innen sei die aktuelle Situation völlig unübersichtlich, betont Kerstin Haarmann. Sie wünschten sich eine Buchungsplattform, mit der sie garantiert das beste Ticket finden. Der VCD plädiert deshalb für eine öffentliche, europäische Buchungsplattform. Überwinden lasse sich der derzeitige Zustand letztlich nur, wenn die Bahnunternehmen gezwungen würden, ihre Verkaufsdaten zu teilen, ist Haarmann überzeugt.

Doch bei der Reform der EU-Fahrgastrechte im Frühjahr ist eine solche Regel nicht vereinbart worden. „Hier werden wir nicht lockerlassen“, kündigt Haarmann an. Der VCD will sich zudem weiter dafür einsetzen, dass Fahrgäste bei Fahrten mit mehreren europäischen Bahngesellschaften einen Anspruch auf durchgehende Tickets erhalten. 

Um den transeuropäischen Bahnverkehr voranzubringen, fordert der Verband, mehr Grenzübergänge zu elektrifizieren. Das sei auch wichtig, damit es bei Streckensperrungen Ausweichmöglichkeiten gibt, betont Bastian Kettner. Langfristig wünscht sich Kettner einen Europatakt, der die großen Metropolen des Kontinents miteinander verbindet. Andreas Scheuer (CSU) habe dem kommenden Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hierzu mit dem „Trans-Europ-Express 2.0“ allerdings nicht viel mehr als eine Absichtserklärung hinterlassen.

Europas Eisenbahnen sollen stärker kooperieren, fordert der VCD.
Europas Eisenbahnen sollen stärker kooperieren, fordert der VCD.

© Marijan Murat/dpa

Haarmann fordert Europas Eisenbahnen außerdem auf, noch enger zu kooperieren, um mehr transnationale Verbindungen zu schaffen. Die vor einem Jahr vereinbarte Nachtzugallianz der Staatsbahnen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich und Deutschland sieht sie als einen guten Anfang.

Deutsche Bahn soll Schlafwagen kaufen

Langfristig reiche es allerdings nicht, wenn die Deutsche Bahn nur den Nachtzugbetrieb der österreichischen ÖBB unterstütze. Haarmann hofft, dass die zukünftige Bundesregierung auf das DB-Management einwirkt, ebenfalls wieder Schlafwagen zu kaufen.

Der VCD schlägt zudem vor, dass Deutschland nach dem Vorbild von Frankreich und Tschechien keine Mehrwertsteuer mehr auf internationale Bahnfahrten erhebt – denn diese Regel gilt auch für den europäischen Flugverkehr. Auch niedrigere Trassenpreise für Nachtzüge oder eine Anschubfinanzierung für den Kauf neuer Schlafwagen kann sich Kettner vorstellen.

„Nachtzüge tragen sich zum Teil nicht von selbst“, sagt er. Eine solche Förderung würde es auch mehr privaten Anbietern ermöglichen, Nachtzüge anzubieten. Dass die tschechische Privatbahn Regiojet ab 2022 einen Nachtzug von Prag über Berlin nach Amsterdam und Brüssel anbieten will, sieht er als gutes Zeichen. 

Zugleich müsse aber auch der Luftverkehr seine wahren Kosten zahlen, „damit mehr Menschen in Europa die Bahn nehmen“, mahnt Kerstin Haarmann an. 

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