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Dringend gesucht: Die Post stellt Zusteller ein.

© picture alliance / ZB

Probleme bei der Briefzustellung: Post? Faktisch nur zweimal die Woche

Heute bleibt der Kasten leer: In Berlin hakt es bei der Zustellung. Schuld sei die Grippewelle, heißt es – und ein Mangel an Personal.

Von Maris Hubschmid

Mittwochs ist Post-Tag. Ein bisschen wie Weihnachten: Da hat Karl Kauermann gleich einen ganzen Batzen Briefe im Kasten. Montags und dienstags dagegen geht er leer aus. Nicht, weil ihm niemand schreibt, im Gegenteil: Da er in dem Haus, in dem er wohnt, auch zwei Firmen betreibt, gibt es reichlich Korrespondenz. „Ich kann ja an den Stempeln sehen, wann die Briefe eingeworfen wurden“, sagt er. Das Datum liege oft schon vier, fünf Tage zurück. „Es gibt Tage, an denen bei mir einfach nicht zugestellt wird.“ Er wohnt und arbeitet in Dahlem.

In der Charlottenburger Leonhardtstraße gehen Gudrun Janssen-Kloster und ihr Mann regelmäßig am Fenster nachsehen, ob das gelbe Postfahrrad irgendwo in der Straße aufgetaucht ist. „Wenn das bis zwei, halb drei Uhr nachmittags nicht der Fall war, können wir sicher sein: Es kommt auch nicht mehr“, sagen sie. „Hier in Marienfelde wird sehr oft tageweise keine Post zugestellt“, berichtet Ernst-Hermann Kubitz aus der Marienfelder Allee dem Tagesspiegel. „Weder uns noch unseren Nachbarn“.

Auch die Vertreter melden sich krank

Berlin ist die Hauptstadt eines der Länder mit der besten Infrastruktur weltweit. Dennoch beklagen Tagesspiegel-Leser in jüngster Zeit vermehrt, dass ihnen nur unregelmäßig Briefpost zugestellt wird. Ein persönliches Ärgernis – aber manchmal auch ein echtes Problem: Kauermann, ehemals Volksbank-Chef in Berlin, führt nun eine Beteiligungsgesellschaft. Dabei hat er viel mit Start-ups zu tun, es geht um entscheidende Investitionen und schnelles Geld. „Da gibt es Dokumente, die nicht per E-Mail verschickt werden. Wenn die mit mehrtägiger Verzögerung eintreffen, ist die Chance für ein Geschäft vielleicht verpasst.“

Ein grundsätzliches Problem sieht man bei der Deutschen Post nicht. Allerdings sei es wegen ungewöhnlich hoher Krankenstände zuletzt vereinzelt zu Verzögerungen gekommen. „Da auch Vertreter erkrankt waren, mussten die Touren teilweise auf andere Mitarbeiter mit aufgeteilt werden“, heißt es auf Nachfrage. „In einigen Fällen konnte daher nicht die gesamte Tour bis zu Ende beliefert werden.“ Davon betroffen gewesen sei auch Kauermanns Bezirk. Inzwischen sei der Stammzusteller aber wieder im Dienst.

Die Post bestimmt noch immer den Markt

Auch andernorts kam es demnach zu „Zustellabbrüchen“. Inklusive Pausen darf ein Postbote während seiner Schicht nicht länger als zehn Stunden arbeiten. Schaffe ein Zusteller seine Tour wiederholt nicht in dieser Zeit, würde ihm ein weiterer Kollege zur Seite gestellt. Generell seien Mitarbeiter in solchen Fällen angehalten, verzögerte Sendungen am Folgetag zuerst auszuliefern. Die Betroffenen können das nicht bestätigen. „Das sind keine Ausnahmefälle“, sagt Kubitz.

Keiner der genannten Kunden will, dass sein Postbote Ärger bekommt – weil der „nett“, „freundlich“ und „höflich“ sei. Den Fehler sehen alle im System. „Die Post ruht sich gemütlich auf ihrem Monopol aus, und das unter der Überschrift Dienstleistung“, sagt Kauermann. Auch Jahre nach der Privatisierung kontrolliert der Konzern laut Bundesnetzagentur 87,3 Prozent des Marktes.

Stellen bleiben unbesetzt

In einer Postfiliale unweit der Dahlemer Adresse von Kauermann kennt man das Problem, dass der Postmann kein Mal klingelt. Unter der Bedingung, dass sie nicht namentlich zitiert wird, lässt eine Mitarbeiterin gerne Dampf ab: Es sei kein Wunder, dass das Unternehmen „nicht ausreichend vernünftiges Personal“ finde „bei der Bezahlung.“ Die Aushilfen wechselten ständig. Das Lohnniveau liege deutlich über dem der Wettbewerber, betont die Deutsche Post. In den zurückliegenden Monaten sei in Berlin auch eine Reihe neuer Zusteller eingestellt worden. Tatsächlich sei das aber nicht ganz leicht: „Es gibt leider insgesamt weniger Bewerber, die die notwendigen Voraussetzungen für den Beruf mitbringen, als wir eigentlich suchen.“ Auch aktuell seien Stellen unbesetzt. In Deutschland beschäftigt die Post 100 000 Zusteller, dabei handele es sich um voll sozialversicherungspflichtige Jobs mit tarifvertraglich klar geregelten Rahmenbedingungen.

Eine Zustellgarantie gibt die Deutsche Post für Briefsendungen grundsätzlich nicht. 90 Prozent aller Briefe erreichen ihren Empfänger jedoch am nächsten Tag, urteilt das Qualitätsforschungsinstitut Quotas, das im Auftrag der Post jährlich 700 000 Sendungen nachverfolgt. Bei mehr als 61 Millionen Briefen täglich eine solide Leistung – einerseits. Andererseits bedeutet es, dass jedes Jahr fast zwei Milliarden Briefe mit Verzögerung ankommen. Oder überhaupt nicht.

Die Pin-AG erweitert ihr Zustellgebiet

„Wir sind müde geworden, uns zu beschweren“, sagt Gudrun Janssen-Kloster. „Das zermürbt.“ Als Karl Kauermann sich in seiner Filiale nach der Beschwerdehotline erkundigte, die von Bonn aus bedient wird, habe er die Auskunft bekommen: „So alt können Sie gar nicht werden, dass Sie da jemanden erreichen“, erzählt er. Ernst-Hermann Kubitz ärgert sich über floskelreiche Standard-Antwortschreiben. „Da legen die noch drei Briefmarken bei, und damit ist die Sache erledigt.“

Die Post rät, termingebundene und wichtige Dokumente besser per Einschreiben oder als Expresssendung zu verschicken.

Ab dem 1. März will auch die Berliner Pin-Mail-AG Privatbriefe bundesweit zustellen. Bislang erstreckt sich ihr Gebiet nur auf Berlin und die neuen Bundesländer. Ein Standardbrief kostet mit 69 Cent dann einen Cent weniger als bei der Deutschen Post. Eine Zustellgarantie gibt es allerdings auch bei der Pin AG nicht. Und: Auch sie sucht Mitarbeiter.

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