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Hauptsache billig? Für den tiergerechten Umbau der Ställe wollen die Landwirte Geld.

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Preisaufschlag für Fleisch und Milch: „Das trifft wieder nur die Einkommensschwächsten“

Die Sozialverbände lehnen Preiserhöhungen ab. Ein solche Idee sei „völlig verfehlt“, sagt Ulrich Schneider. Auch die SPD ist kritisch.

Wenn es um das Essen geht, liegen zwischen Anspruch und Wirklichkeit Welten. Jeder zweite Bürger findet Lebensmittel in Deutschland zu billig, lautet das Ergebnis des jüngsten „Deutschlandtrends“. Doch wenn sie im Laden stehen, greifen die meisten Verbraucher dann doch wieder zum Billigfleisch. 88 Prozent der Frischfleisch-Eigenmarken im Supermarkt stammen von Tieren, die in engen Ställen ohne Rückzugsmöglichkeit und Tageslicht gelebt haben, hat eine Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace ergeben.

Selbst Regierungsberater beschleicht angesichts solcher Zustände Unbehagen. Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingesetzte Expertenkommission zur Nutztierhaltung will Fleisch, Milch, Käse und Eier verteuern, um mit den Zusatzeinnahmen bessere Ställe und Haltungsbedingungen zu finanzieren. 40 Cent pro Kilo Fleisch, 15 Cent pro Kilo Käse oder Butter, zwei Cent pro Liter Milch sollen dafür sorgen, dass alle Tiere bis zum Jahr 2040 mehr Platz und möglichst Kontakt zur Außenwelt haben. Die Preisaufschläge sollen 80 bis 90 Prozent der Umbaukosten für die Ställe decken.

Wenn Fleisch teurer wird, trifft das vor allem Sozialschwache, sagen die Sozialverbände.
Wenn Fleisch teurer wird, trifft das vor allem Sozialschwache, sagen die Sozialverbände.

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Die 28-köpfige Kommission unter Leitung des früheren Landwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU) tagt seit April vergangenen Jahres. In dem Kompetenzwerk Nutztierhaltung treffen sich Vertreter der Länder, der Wissenschaft, der Tierhalter, auch Mitglieder von Wirtschafts-, Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzorganisationen sind dabei. Am Freitag tagte die Kommission erneut, am Dienstag soll der Bericht der Kommission an Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) übergeben werden. Dann ist die Politik am Zuge. Und bereits jetzt sind heftige Kontroversen absehbar.

Sozialverbände sagen: Preisaufschläge treffen nur die Einkommensschwachen

Protest kommt von den Sozialverbänden. Einen Aufschlag auf tierische Produkte hält Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, für „völlig verfehlt“. Eine Verbrauchssteuer auf Lebensmittel würde die Einkommensschwächsten am stärksten belasten, ohne einem einzigen Bauern zu helfen.

„Die profitgetriebene Preispolitik großer Konzerne, die Landwirte zusehends unter Druck setzt, kann nicht durch eine Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel eingedämmt werden“, sagte Schneider dem Tagesspiegel. Eine solche Forderung sei „absurd und weder agrar- noch sozialpolitisch zielführend.“

Intensivtierhaltung: Wenn es um billige Preise geht, ist das Tierwohl nicht so wichtig.
Intensivtierhaltung: Wenn es um billige Preise geht, ist das Tierwohl nicht so wichtig.

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Auch die SPD hat Bedenken. Eine Erhöhung der Lebensmittelpreise bringe nicht von sich aus mehr Qualität und höhere Einkommen für die Landwirte, gibt Fraktionsvize Matthias Miersch zu bedenken. „Rund drei Viertel der Lebensmittelpreise landen heute in den Taschen der Zwischenstufen. Hier profitieren wenige große Schlachthöfe und Lebensmittelkonzerne“, sagte Miersch dem Tagesspiegel. Zudem seien Milliarden Euro an Subventionen im Umlauf, ohne dass Qualität ausreichend gefördert wird.

Auch der Deutsche Bauernverband will sichergestellt wissen, wie viel vom Tierwohlaufschlag beim Landwirt ankommt. Und bemängelt, dass Um- und Neubauten derzeit kaum möglich sind. Es gebe eine „Blockade in den Planungs- und Genehmigungsverfahren“, kritisiert Generalsekretär Bernhard Krüsken.

Deutsche Bauern erhalten Agrarsubventionen von 6,5 Milliarden Euro im Jahr

An Agrarsubventionen erhalten die deutschen Landwirte jedes Jahr 6,5 Milliarden Euro. 85 Prozent des Geldes werden nach Größe verteilt. Je mehr Flächen ein Betrieb hat, desto mehr Geld bekommt er. „Wenn wir dieses Geld in vernünftige Tierhaltung investieren würde, wäre viel gewonnen“, meint Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeslandwirtschaftsministerium würde ein tiergerechter Umbau der Ställe im Jahr drei bis fünf Milliarden Euro kosten. Das Geld könnte auf verschiedenen Wegen beschafft werden, an Vorschlägen herrscht kein Mangel. Die Mehrwertsteuer, eine Tierwohlabgabe oder eine Umschichtung der Fördermittel sind im Gespräch. Oder eine Kombination verschiedener Wege, wie Ostendorff vorschlägt.

Für Kuhmilch werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig, für Hafermilch 19 Prozent. Ist das noch zeitgemäß?
Für Kuhmilch werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig, für Hafermilch 19 Prozent. Ist das noch zeitgemäß?

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Bei der Mehrwertsteuer ist es so, dass Fleisch und Milch derzeit subventioniert werden. Statt der üblichen 19 Prozent werden nur sieben Prozent fällig. „Warum werden auf Fleisch nur sieben Prozent Mehrwertsteuer, auf Apfelsaft und Hafermilch aber 19 Prozent erhoben?“, ärgert sich Grünen-Politiker Ostendorff, der selbst einen Ökohof hat. „Wir können doch nicht allen Ernstes Produkte mit dem reduzierten Steuersatz subventionieren, deren Produktionsbedingungen die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.“

Was ist besser: eine Tierwohlabgabe oder eine höhere Mehrwertsteuer?

Würde man den Mehrwertsteuerrabatt streichen, brächte das Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro im Jahr, hat Greenpeace hat vor einem Monat durchrechnen lassen. Konsumenten müssten im Schnitt 4,50 Euro im Monat mehr zahlen. Allerdings fließt das zusätzliche Steuergeld in den Haushalt von Bund und Ländern.

Will man sicher sein, dass die finanziellen Mittel dem Tierwohl zugute kommen, wäre eine Verbrauchs- oder Tierwohlabgabe besser, findet Greenpeace. 50 Cent mehr pro Kilo Fleisch und 1,5 Cent pro Liter Milch würden sich im Jahr auf 2,8 bis 4,5 Milliarden Euro summieren. Verbraucher würde das im Monat durchschnittlich 3,50 Euro mehr kosten.

Grünen-Politiker Friedrich Ostendorff will die Agrarsubventionen anders verteilen.
Grünen-Politiker Friedrich Ostendorff will die Agrarsubventionen anders verteilen.

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Bundesagrarministerin Klöckner will das Gutachten der Borchert-Kommission abwarten, bevor sie eigene Vorschläge auf den Tisch legt. Trotz heftigen Widerstands aus der SPD und Teilen der Union kämpft die CDU-Politikerin nach wie vor für ihr staatliches Tierwohllabel, das auf freiwilliger Basis mehr Tierschutz in der Schweinehaltung auszeichnen soll. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hält den Ansatz für falsch. „Es braucht klare Kriterien, zum Beispiel in der Tierhaltung und eine verbindliche Tierwohlkennzeichnung, die mit klaren Regeln im Markt flankiert werden müssen“, meint der Agrar- und Umweltpolitiker. Die Borchert-Kommission liefere wichtige Beiträge, „die nun endlich in der Politik gemeinsam mit unterschiedlichen Interessengruppen diskutiert werden müssen.“

Eines ist klar: Langweilig dürften diese Diskussionen nicht werden.

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