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Neu rechnen fürs Alter. Die Riester-Rente ist aus Politikersicht gescheitert.

© imago/blickwinkel

Politiker streiten mit Versicherern: Riester-Rente vor dem Ende?

Die Riester-Rente ist aus Politikersicht gescheitert. Doch Experten warnen vor einer übereilten Abwicklung.

Union und SPD wollen den Kampf gegen Altersarmut zu einem großen, gemeinsamen Reformvorhaben der verbleibenden gemeinsamen Regierungszeit machen. Die Sicherheit im Alter und die Bekämpfung der Altersarmut sei eines der ganz großen Themen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin. Dazu sei mehr notwendig als das, was im Koalitionsvertrag stehe. „Was man davon jetzt noch hinbekommt, werden wir diskutieren.“ Zunächst solle mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern gesprochen werden.

Über den Handlungsbedarf bestehe Konsens, betonte auch CSU-Chef Horst Seehofer. „Die Rentenpolitik eignet sich nicht unbedingt für gigantische parteipolitische Profilierung.“ Es brauche eine nachhaltige Lösung der komplexen Fragen. Die Menschen zu mehr Eigenvorsorge zu verpflichten, reiche nicht aus.

Experten warnen vor "grobem Vertrauensbruch"

Damit bleibt der bayerische Ministerpräsident auf Linie. In den vergangenen Tagen hatte Seehofer wiederholt gegen die Riester-Rente gewettert und ihre Abwicklung gefordert – zum Entsetzen von Altersvorsorgeexperten, Sozialpolitikern und der Versicherungswirtschaft. Das der Deutschen Bank nahestehende Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) warnte am Donnerstag vor einem groben Vertrauensbruch.

Kritik kam auch aus der Union. „Es muss Vertrauensschutz gelten“, forderte der Rentenexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß. „Wer einen Vertrag abgeschlossen hat, hat natürlich Anspruch auf weitere Förderung“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Und auch die Förderung privater Altersvorsorge in Zukunft ersatzlos zu streichen, wäre „unklug“. Die hohe Kinderförderung etwa – bei der Riester-Rente gibt es für jedes nach 2007 geborene Kind pro Jahr 300 Euro Zulage – müsse „auf jeden Fall erhalten bleiben“. Denkbar sei allerdings, sie in ein anderes System zu überführen.

Auch die SPD rückt nun von ihrem Projekt ab

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Carola Reimann, warnt ebenfalls vor Schnellschüssen und übereilten Einzelmaßnahmen. „Wir brauchen eine Rentenreform im Gesamtkonzept“, sagte die Sozialexpertin dem Tagesspiegel. Das Zusammenspiel der drei Säulen – gesetzliche Rentenversicherung, Betriebsrente und private Zusatzvorsorge – müsse „jetzt neu austariert werden“.

Allerdings rückte am Donnerstag auch die SPD erstmals deutlich von der von ihr erfundenen Riester-Rente ab. "Die Riester-Rente ist gescheitert.", sagte Parteivize Ralf Stegner rundheraus. "Wer sie sich leisten kann, braucht sie nicht. Wer sie braucht, kann sie sich nicht leisten."

Die Erwartungen in kapitalgedeckte Versorgungssysteme hätten sich nicht erfüllt, pflichtete Reimann bei. „Die Riester-Rente ist renditeschwach und füllt vor allem die Kassen der Banken und Versicherer.“ Zudem werde sie von Geringverdienern zu selten in Anspruch genommen.

Versicherer sprechen noch immer von "Erfolgsmodell"

Die Versicherungswirtschaft weist das zurück und verweist auf Erhebungen der Bundesregierung. Danach hätten 72 Prozent der Arbeitnehmer entweder eine Riester-Rente oder eine betriebliche Altersversorgung, betont der Geschäftsführer des Versicherungsverbands GDV, Peter Schwark. Selbst Menschen, die im Monat weniger als 1500 Euro brutto haben, seien zu 58 Prozent beteiligt.

„40 Prozent der Geringverdiener haben einen Riester-Vertrag, das ist ein höherer Anteil als bei den anderen Einkommensgruppen“, verteidigt Schwark die Privatvorsorge. Obwohl man sich beim Verband auch andere, öffentlich geförderte Vorsorgemodelle wie eine Opting-Out-Lösung vorstellen kann, sei Riester „ein Erfolgsmodell.“

Seit 2002 seien 16,5 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen worden, damit habe man bald die Hälfte aller Berechtigten erreicht. Die Zahl sei im vergangenen Jahr um 200.000 gestiegen. „Es gibt nach unserer Kenntnis kein anderes Land weltweit, in dem mit einem freiwilligen System in vergleichbarer Zeit so ein Erfolg erreicht wurde“, betont Schwark.

"Verträge sind einzuhalten"

Auch die Kritik, Riester bringe nichts, weist der GDV zurück, im Gegenteil: Die Rendite sei wegen der Zulagen und der nachgelagerten Besteuerung deutlich besser als bei nicht geförderten Produkten. Eine Rückabwicklung der Verträge sei zwar technisch möglich, meint der GDV, rechtlich aber nicht. „Verträge sind einzuhalten“, sagte Schwark dem Tagesspiegel. „Auch hinsichtlich der Förderung ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes einzuhalten.“

Dagegen hält der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Ausstieg aus Riester für richtig. „Wir fordern eine rentenpolitische Kurskorrektur, die als Allererstes das gesetzliche Rentenniveau stabilisiert“, sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem Tagesspiegel. „Die Riester-Rente bei Vertrauensschutz auslaufen zu lassen, wäre die logische Konsequenz.“

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