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Eine Maschine der Air Berlin am Flughafen Tegel vor dem Lufthansa-Cargo-Terminal. (Archiv)

© dpa/Wolfgang Kumm

Pleite von Air Berlin: Forderungen nach Untersuchungsausschuss mehren sich

Erst Linke, dann FDP. Nun wünscht sich auch ein Fachmann der Berliner CDU einen Untersuchungsausschuss, um Licht in die Vorgänge der Air-Berlin-Pleite zu bringen.

Die Insolvenz der Air Berlin und ihrer Tochtergesellschaft Niki wird zunehmend zum Politikum. In Berlin stellt man sich über Parteigrenzen hinweg Fragen wie: Wie segensreich war das Einwirken der Bundesregierung auf die geplante Übernahme dieser Airlines durch den heimischen Marktführer Lufthansa? Was wird aus der Tilgung des 150-Millionen-Euro-Kredits der Staatsbank KfW? Und warum erinnert man die bisherigen Eigentümer aus dem Emirat Abu Dhabi nicht mit Nachdruck an ihre einst abgegebenen Kreditversprechen?

„In diesem Komplex gibt es viele Ungereimtheiten“, sagte Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, am Freitag dem Tagesspiegel. „Ich fordere einen Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die Monopolstellung der Lufthansa und die Vorgänge rund um die Insolvenz der Air Berlin durchleuchtet.“ Für ihn sehe es derzeit so aus, dass der bisherige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU „viel strategische Weitsicht“ bewiesen habe, als er sich für Lufthansa als Käufer von Teilen der Air Berlin starkgemacht habe. Das Ergebnis sei nämlich, dass Lufthansas Drehkreuz München gestärkt werde. „Der Regierender Bürgermeister Michael Müller hingegen hat die Sache offenbar nie vom Ende her betrachtet. Der Luftverkehrsstandort Berlin wird geschwächt“.

Lufthansa gab die Niki-Übernahme auf

Die Lufthansa hatte am Mittwoch den Plan aufgegeben, unter anderem die 22 Flieger von Niki zu übernehmen – samt der 1000 Mitarbeiter und der dazugehörigen Start- und Landerechte. Begründung: Die EU-Kommission werde das nicht genehmigen. Niki beantragte umgehend die Insolvenz und stellte den Betrieb ein. Derweil hat sich der Frankfurter Konzern mit den Leasinggesellschaften verständigt, denen die Niki-Maschinen gehören – und sich einen Zugriff darauf gesichert. Das bestätigte Air Berlins Generalbevollmächtigter Frank Kebekus, ohne aber genaue Zahlen nennen zu können.

Zugleich wirbt Lufthansas Billigflugtochter Eurowings um Mitarbeiter von Niki. Und sollte bis Jahreswechsel kein neuer Investor gefunden werden, würden auch die Start- und Landerechte frei. Am Ende könnte sich Lufthansa so maßgebliche Teile der Niki sichern, ohne aber den bisher angebotenen Kaufpreis dafür gezahlt zu haben. So ist die Rückzahlung des Staatskredits deutlich unwahrscheinlicher geworden, räumte Kebekus ein. Womöglich könne man dem Fiskus am Ende 60 bis 70 der insgesamt 150 Millionen Euro plus Zinsen erstatten.

Aus dem Archiv: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Scheich Khalifa Bin Zayed Al Nahyan, Staatspräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, unterhalten sich im Mai 2010 im Präsidentenpalast Al Mushrif in Abu Dhabi. Im Frühjahr 2017 war die Kanzlerin erneut Gast am Golf.
Aus dem Archiv: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Scheich Khalifa Bin Zayed Al Nahyan, Staatspräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, unterhalten sich im Mai 2010 im Präsidentenpalast Al Mushrif in Abu Dhabi. Im Frühjahr 2017 war die Kanzlerin erneut Gast am Golf.

© Rainer Jensen dpa

„Die Bundesregierung hätte diese Entwicklung voraussehen und verhindern müssen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Nordwest-Zeitung“ aus Oldenburg. Wie Berlins CDU-Mann Gräff fordert er Aufklärung, „ob es hinter den Kulissen Absprachen zwischen der Lufthansa und einzelnen Konzernen auf dem Markt gegeben hat“. Sahra Wagenknecht, Chefin der Linksfraktion im Bundestag, hatte bereits im November einen Untersuchungsausschuss zu Air Berlin ins Spiel gebracht und die SPD eingeladen, diesen gemeinsam einzurichten. Der Ausschuss würde sicher auch versuchen, Inhalte von Kanzlerin Angela Merkels persönlichen Gesprächen mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr und den Scheichs von Abu Dhabi im Frühjahr zu rekonstruieren.

SPD kommt ein Untersuchungsausschuss ungelegen

Daran hat die SPD spätestens seit dem Aus der Jamaika-Sondierungen wohl kein Interesse mehr: Erstens hatte sich auch die Parteifreundin Brigitte Zypries als Bundeswirtschaftsministerin in dem Bieterkampf öffentlich auf die Seite der Lufthansa geschlagen. Zudem war sie daran beteiligt, den 150-Millionen-Euro-Kredit der KfW zu organisieren. Ein Ausschuss, der diese ordnungspolitische Wankelmütigkeit der bisherigen Großen Koalition untersucht, würde Verhandlungen zu einer Neuauflage des Bündnisses belasten.

Während sich das politische Berlin noch sortiert, müssen die Verwalter der Air Berlin Tempo machen. Zum einen gilt es, den Rücktransport von bis zu 40 000 Fluggästen zu organisieren, die Niki jetzt nicht mehr fliegen kann. Der Branchenverband BDL empfahl Betroffenen, die direkt bei Niki Tickets gebucht hatten, sich an die Airlines Condor, Germania, Lufthansa, Austrian Airlines, Swiss und Tuifly zu wenden. Reisende sollen zunächst normal buchen und würden dann 50 Prozent des Flugpreises erstattet bekommen, hieß es. Bei Pauschalreisenden muss der Reiseveranstalter Rückflüge organisieren.

Ryanair interessiert sich jetzt doch für Niki

Zeitdruck herrscht auch bei der Suche nach einem Käufer für Niki. Zum Jahreswechsel muss Niki wohl die Start- und Landerechte freigeben. Zudem könnten bisherige Angestellte zur Konkurrenz wechseln. Dieser Teil der alten Air Berlin verliert also mit jedem Tag an Wert. Der Generalbevollmächtigte Kebekus und Insolvenzverwalter Lucas Flöther wollen also über die Feiertage durcharbeiten.

Niki Lauda, der die von ihm gegründete Airline einst an Air Berlin verkauft hatte, will ein neues Angebot abgeben. Wie man hört, will auch die British-Airways-Mutter IAG bieten. Und sogar die Ryanair, die sich bisher rausgehalten hatte und den Deutschen ein „abgekartetes Spiel“ vorgeworfen hatte, meldetete sich Freitag doch beim Insolvenzverwalter.

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