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Schwein gehabt? So gut wie hier hat es das Vieh selten. Unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten werden, ist für Verbraucher oft nicht ersichtlich.

© picture alliance / dpa

Plan von Agrarministerin Julia Klöckner: Was bringt das neue staatliche Tierwohllabel?

Die vielen Siegel für Fleisch verwirren Verbraucher. Agrarministerin Julia Klöckner will das mit einem Tierwohllabel in drei Stufen ändern.

Von Carla Neuhaus

Einkaufen kann kompliziert sein – vor allem, wenn man nicht nur auf den Preis schaut. Das gilt besonders für Fleischprodukte. Dem Ernährungsreport 2018 des Bundesagrarministeriums zufolge wünschen sich 85 Prozent der Verbraucher Angaben zu Haltungsbedingungen. Sie wollen wissen wie Tiere, deren Fleisch sie kaufen, gelebt haben. Das im Supermarkt zu erkennen, ist aber nicht so einfach. Die Bundesregierung will das jetzt ändern. Ab 2020/2021 soll es ein Tierwohllabel geben, das „klar, wahr und verlässlich“ ist, kündigte Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Wochenende an.

Die Idee zu diesem Label stammt von ihrem Vorgänger Christian Schmidt (CSU). Sein Gesetzentwurf wurde aber vor der Bundestagswahl nicht mehr verabschiedet. Von „festgefahrenen Gesprächen“ ist im Ministerium die Rede. Klöckner hat die Idee nun aufgegriffen – und inhaltlich angepasst. Statt zwei soll das Tierwohllabel nun wohl drei Stufen bekommen. Dabei gilt: je höher die Stufe, desto besser das Tierwohl. Das erklärte Klöckner am Sonnabend nach einem Gespräch mit Vertretern von Tierhaltern, Verbraucherzentralen, Tierschützern und Handel. Ob ihr Vorstoß für Verbraucher tatsächlich mehr Klarheit schafft, ist jedoch umstritten. Auch weil die bereits bestehenden Label für Fleisch dadurch nicht ersetzt werden. Eine Einordnung.

DAS STAATLICHE TIERWOHLLABEL

Nach Vorstellung von Klöckner soll das staatliche Tierwohllabel drei Stufen umfassen, wobei bereits die erste über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen soll. Das Siegel bekommen Landwirte für ihr Fleisch und ihre Wurst also nur, wenn sie etwas fürs Tierwohl tun. Welche Auflagen die Bauern dabei im einzelnen einhalten müssen, ließ die Ministerin offen. Klar ist aber schon jetzt, dass das Siegel anders als bislang angedacht, nicht mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge gekennzeichnet wird. Das würde Verbraucher in die Irre führen, meinte Klöckner. Schließlich würde man so annehmen, dass das Fleisch aus Deutschland komme. Dabei könne auch Fleisch aus dem Ausland das Siegel erhalten, wenn die Tierwohlkriterien erfüllt seien.

Wie schon ihr Vorgänger will auch Klöckner die Landwirte selbst entscheiden lassen, ob sie bei der Kennzeichnung mitmachen. Wer lediglich die staatlichen Mindeststandards einhalten will, soll das weiter tun können – bekommt dann aber für sein Fleisch kein Tierwohllabel. Die Grünen halten genau das für falsch. „Ein weiteres freiwilliges Label bringt uns nicht weiter“, sagte deren Agrarexperte Friedrich Ostendorff. „Die Bauernverbände, die Verbraucherinnen und Verbraucher und der Handel wollen eine klare, verpflichtende Kennzeichnung.“ Klöckner argumentierte dagegen, dass die Freiwilligkeit kein Manko sein muss. „Auch das erfolgreiche Bio-Siegel ist ein freiwilliges Siegel.“ Landwirten, die mitmachen, stellt die Ministerin eine staatliche Förderung in Aussicht etwa für Stallumbau oder Werbung.

DIE HALTUNGSKENNZEICHNUNG

Verbraucherschützer setzen sich bereits seit Längerem für ein staatliches Tierwohllabel ein, das Konsumenten mehr Orientierung beim Fleischkauf bietet. Langfristig wünscht sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) statt eines freiwilligen Tierwohlsiegels aber eine verbindliche Haltungskennzeichnung, wie es sie schon jetzt bei Eiern gibt. Eier müssen EU-weit mit einer Ziffer von null bis drei versehen werden, an der Verbraucher ablesen können, wie die Hühner gehalten werden. Klöckner argumentiert hingegen, man könne die Kennzeichnung für Eier nicht eins zu eins auf Schweine- oder Rindfleisch übertragen. Die Kennzeichnung des Tierwohls müsse sehr viel mehr umfassen und zum Beispiel auch die Frage beantworten, welches Futter die Tiere bekommen oder ob sie Beschäftigungsmöglichkeiten haben.

DIE BIO-SIEGEL

Die beiden Bio-Siegel – das grüne EU-Bio-Blatt und das sechseckige deutsche Bio-Siegel – wird es auch nach der Einführung des Tierwohllabels weiter geben. Für viele Verbraucher signalisieren sie bessere Lebensbedingungen für die Nutztiere. Grundsätzlich ist das auch so: Für eine Bio-Zertifizierung muss ein Bauer den Mastschweinen zum Beispiel deutlich mehr Platz geben, ihnen Auslauf ermöglichen, er darf Ferkel nicht ohne Betäubung kastrieren. Aber die Richtlinien gehen noch über das unmittelbare Tierwohl hinaus, zum Beispiel dürfen die Schweine nur Bio-Futter bekommen.

Kommerzielle Massentierhaltung und "Tierwohl" schließen sich gegenseitig aus. Ganz gleich wie viele bunte Labels dann da draufgeklebt werden.

schreibt NutzerIn siddharta

Die meisten Landwirte würden ihren Tieren gerne ein besseres Leben ermöglichen. „Aber nicht jeder schafft es, auf Bio-Haltung umzustellen“, sagte Jana Denecke von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V. (ISN). Denn die Investitionen sind enorm: Ein Bio-Mastplatz für ein Schwein kostet etwa 900 Euro, dreimal so viel wie ein Mastplatz, der dem gesetzlichen Mindeststandard entspricht. Aber was, wenn ein Schweinehalter im Rahmen seiner Möglichkeiten die Haltungsbedingungen verbessern will? Wie erfährt der Verbraucher im Supermarkt davon? Wenn er zum Beispiel bereit wäre, für bessere Lebensbedingungen der Tiere zu zahlen – aber nicht den Aufschlag von 200 oder 300 Prozent für ein Bio-Produkt. Die ISN fordert deswegen eine einheitliche und verpflichtende Haltungskennzeichnung. Allerdings für die gesamte Kette der Schweinehaltung: Nicht nur die Mästung, sondern auch die Herkunft und die Aufzucht der Ferkel sollten berücksichtigt werden.

DAS HALTUNGSZEUGNIS

Einige Händler haben inzwischen eigene Label vorgestellt. Erst letzte Woche hat zum Beispiel Netto ein vierstufiges „Haltungszeugnis“ für Frischfleisch präsentiert. Die Kriterien und die Aufmachung ähneln stark dem „Haltungskompass“, den Lidl bereits Anfang April eingeführt hat. Stufe eins entspricht in beiden Fällen dem gesetzlichen Mindeststandard, Stufe zwei den Vorgaben der Initiative Tierwohl. Die Kriterien dieser Initiative von Lebensmittelhandel, Landwirten und Fleischwirtschaft liegen über den gesetzlichen Mindeststandards – aber die Unterschiede seien zu gering, sagen Kritiker. Die Stufe drei orientiert sich an der Eingangsstufe des Labels „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes. Stufe vier kennzeichnet Fleischprodukte, die auch ein Bio-Siegel tragen oder der Premiumstufe des Tierschutz-Labels entsprechen könnten.

DAS TIERSCHUTZLABEL

Das Tierschutzlabel gibt es bereits seit fünf Jahren. Entwickelt hatte es der Deutssche Tierschutzbund, weil aus seiner Sicht die gesetzliche Grundlage nicht reichte, um die Missstände in der Tierhaltung zu bekämpfen. Vergeben wird das Siegel in zwei Stufen (mit einem und mit zwei Sternen). Bereits in der Einstiegsstufe haben sie im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard mehr Platz im Stall. Auch dürfen Ferkel zum Beispiel nur unter Betäubung kastriert werden. „Das Interesse an unserem Label steigt massiv“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Die Pläne für ein staatliches Tierwohllabel seien durch sie angestoßen worden. Das allein reiche aber nicht, die Regierung müsse auch das Ordnungsrecht anpacken. „Der klassische Stallbau muss sofort gestoppt werden“, fordert Schröder. Und zwar auch um die Bauern zu schützen. Sonst investiere ein Landwirt womöglich in einen Stall, der in zehn Jahren nicht mehr dem gesetzlichen Standard entspreche.

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