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Viele Kolumbianer sind durch TR4 in ihrer Existenz bedroht.

© imago images / Bluephoto Agency

Pflanzenpilz in Lateinamerika: Warum ist die Banane krank?

Der Ernteausfall trifft Kolumbien und das noch ärmere Ecuador hart. Über eine Million Menschen sind dort abhängig vom Bananenanbau.

Es herrscht Alarmstimmung in Lateinamerika. Der Grund heißt: Panama Krankheit Tropical Race 4 – oder auch einfach TR4. Dahinter verbirgt sich ein Bodenpilz, der das Gefäßsystem von Bananenstauden befällt und die Pflanzen vertrocknen lässt. Es gibt kein Mittel gegen ihn, und wo er sich breitmacht, bedeutet es das Ende des kommerziellen Bananenanbaus. Vor wenigen Wochen tauchte TR4 erstmals in Kolumbien auf, einem der größten Bananenexporteure der Welt. Die Regierung in Bogotá reagierte schnell und erklärte den nationalen Notstand. Die betroffenen Landstriche in der Provinz La Guajira an der Karibikküste wurden unter Quarantäne gestellt und rund 200 Hektar Land abgebrannt.

Auch andere Länder der Region versetzten ihre Sanitärbehörden in Alarmbereitschaft. Autos, Lkw und Flugzeuge aus Kolumbien sollen nun kontrolliert und desinfiziert werden. Es ist leicht zu verstehen, warum die Angst umgeht: Die meisten der großen Bananenexporteure liegen in Lateinamerika, an erster Stelle Ecuador. Es folgen Guatemala, Costa Rica und Kolumbien sowie Honduras und die Dominikanische Republik.

Auch für Panama und Peru spielt der Bananenexport eine große Rolle. Für Lateinamerika könnte TR4 also ein wirtschaftliches Desaster bedeuten. Im schlimmsten Fall wird der Pilz einem der wichtigsten Ausfuhrprodukte der Region den Garaus machen. Außerdem sind Bananen ein Grundnahrungsmittel für viele Einheimische.

TR4 gibt es seit 1967

Die Krise begann im Juni, als die Arbeiter auf einer kolumbianischen Bananenplantage seltsame Symptome an den Stauden beobachteten. Sie alarmierten die Landwirtschaftsbehörde, die die Universität im holländischen Wageningen einschaltete. Sie ist bekannt für ihre Studien im Agrarsektor. Die Bestätigung kam kurz darauf: TR4, ein Pilz aus der Gattung Fusarium, hatte Südamerika erreicht. Experten hatten das schon lange befürchtet, nun war es Wirklichkeit geworden.

Die Geschichte von TR4 lässt sich bis 1967 zurückverfolgen. Damals tauchte TR4 erstmals in Taiwan auf. Anfang der neunziger Jahre richtete der Pilz dann enorme Schäden in Indonesien und Malaysia an. Seine Ausbreitung blieb allerdings auf Südostasien, China und Australien beschränkt. Bis er 2013 dann im Mittleren Osten und Afrika identifiziert wurde. Seitdem befürchteten Experten immer wieder den Sprung nach Lateinamerika.

In Kolumbien wurden bislang vier Plantagen von TR4 befallen, eine davon baut Bio-Bananen für den US-Konzern Dole an. Es wird gemutmaßt, dass der Pilz mit venezolanischen Flüchtlingen nach Kolumbien gekommen sein könnte, die auf den Plantagen arbeiteten.

Auch Bio-Bananen sind von dem Pilzbefall betroffen.
Auch Bio-Bananen sind von dem Pilzbefall betroffen.

© dpa

„Wenn TR4 irgendwo auftaucht, dann ist es schon zu spät“, warnt nun Gert Kema, Experte für Tropische Pflanzenkrankheiten in Wageningen. Dem Magazin „National Geographic“ sagte er, dass der Pilz wahrscheinlich bereits Gebiete außerhalb der Quarantäne-Zone erfasst habe. Um ihn weiterzutransportieren, reicht es aus, dass ein Arbeiter über pilzbefallenen Boden läuft. Die Sporen des Schädlings bleiben dann an seinen Schuhen haften.

Das einzige bekannte Mittel gegen TR4, der eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten hat: kein Anbau auf den verseuchten Flächen. Experten betonen auch, dass der Pilz für den Menschen ungefährlich sei, Bananen von befallenen Plantagen könnten problemlos gegessen werden.

Keine Knappheit in Deutschland zu befürchten

Betroffen von TR4 ist die Sorte Cavendish. Es ist die typische Ausfuhrbanane, sie macht 99 Prozent der weltweiten Bananenexporte aus, und man findet sie in allen westlichen Supermärkten. In Deutschland macht die Cavendish-Banane, die sich gut für lange Transporte eignet, einen Großteil des Angebots aus.

Deutsche Supermärkte sehen allerdings keine Auswirkungen für die Kunden. Kaufland, Lidl und Aldi Süd sagten auf Tagesspiegel-Anfrage zwar, dass sie fast ausschließlich Cavendish-Bananen führen. Eine Knappheit oder ein Preisanstieg sei allerdings nicht in Sicht. „Die Versorgung kann sichergestellt werden“, heißt es von Aldi Süd, weil Bananen aus diversen Ländern importiert würden. Auch Rewe fürchtet keine Knappheit und teilt zudem mit, bereits seit Jahren die Forschung an Pflanzen zu unterstützen, die gegen den Pilzerreger TR4 resistent sind. Man würde zudem Biodiversitätsprojekte fördern, um die Anfälligkeiten von Monokulturen zu reduzieren.

Monokulturen verursachen Probleme

Dominiert wird der Bananen-Markt von wenigen Konzernen: Chiquita, Dole, Del Monte, Fyffes, Noboa. Sie forcierten Mitte des 20. Jahrhunderts den Cavendish-Anbau, um die Sorte Gros Michel zu ersetzen. Diese war von dem Pilz TR1 befallen worden, einem Vorgänger von TR4. Gegen TR1 war die Cavendish-Banane noch immun, nun hat sich der Pilz weiterentwickelt.

Bei seinem Zerstörungswerk hilft ihm die Industrie indirekt. Der intensive Bananenanbau hat dazu geführt, dass es kaum noch genetische Vielfalt gibt, weil üblicherweise alle Stauden einer Plantage Klone voneinander sind. Dies führt zur auch vom Endverbraucher gewünschten Einheitlichkeit der Bananen, aber die Monokulturen erfordern auch einen hohen Einsatz an Dünger und Pestiziden. Gegen TR4 waren sie machtlos – und der Pilz hat nun umso leichteres Spiel gegen die identischen Stauden.

Eine Million Kolumbianer lebt von der Banane

Die kolumbianische Regierung versucht, die Seuche einzudämmen, indem sie rund um die betroffenen Plantagen Checkpoints eingerichtet hat. Sicherheitskräfte desinfizieren dort Fahrzeuge und Schuhe. Sollte der Pilz sich trotzdem weiter ausbreiten, droht Kolumbiens Wirtschaft ein Desaster. Das Land war 2018 mit rund zwei Millionen Tonnen der viertgrößte Bananenexporteur der Welt, rund 82 Prozent davon gingen in die EU.

Der Wert der Ausfuhren betrug 860 Millionen Dollar und fast eine Million Kolumbianer leben direkt oder indirekt vom Bananenanbau. Man kann sich also ausmalen, was TR4 für das kleinere und ärmere Ecuador bedeuten würde, das rund sechs Millionen Tonnen Bananen ins Ausland verkauft.

Zwar sind die Länder Lateinamerikas die größten Bananenexporteure, aber nicht die größten Produzenten. In Indien, China und den Philippinen wachsen weitaus mehr Bananen, aber sie bleiben zumeist auf dem heimischen Markt. Das gleiche gilt für den viertgrößten Hersteller, Brasilien. Hier gibt es noch eine große Vielfalt an Bananen. Sie werden Apfelbananen, Zwergbananen, Rote Bananen, Silberbananen und Goldbananen genannt. Keine von ihnen scheint bislang von TR4 betroffen zu sein. Vielleicht sollten sich die Verbraucher an ihre Namen gewöhnen. (Mitarbeit: Thorsten Mumme)

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