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Stück für Stück die Welt erobern. Das chinesische Staatsunternehmen Cosco hat die größte Frachterflotte der Welt. Ein Containerfrachter fährt hier in den Hafen von Piräus ein, der zu einem Teil von Peking aufgekauft wurde.

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Pekings langer Arm: China kauft sich im Hamburger Hafen ein

Chinas staatliche Reederei Cosco beschäftigt nur Mitglieder der KP, wächst rasant - und beteiligt sich an Häfen weltweit. Was ist der Plan dahinter?

Chinas staatliche Reederei Cosco hat im September für 100 Millionen Euro 35 Prozent eines Containerterminals des Hamburger Hafens gekauft. Das Problem dieser Beteiligung lässt sich auf einen Punkt bringen: Während in China Häfen, Reedereien und einzelne Schiffe per Gesetz in der Hand der kommunistischen Partei liegen, geht die Staatsreederei Cosco in Europa auf Einkaufstour.

Fragen, die im Technologie-Bereich am Beispiel Huawei bereits ausführlich debattiert wurden, stellen sich nun im konventionellen Infrastruktursektor. Welche Strategie verfolgt der chinesische Staat mit seinen flächendeckenden Investitionen in ausländische Infrastruktur? Und wer genau ist Cosco?

Die Chinesen weiten bereits seit Jahren ihre Präsenz in Europas Logistiknetzwerk aus. Cosco sicherte sich 2016 Mehrheitsanteile von 51 Prozent am Athener Hafen Piräus und kontrolliert über ein Investment der spanischen Hafengesellschaft Noatum auch die Häfen in Bilbao und Valencia. Peking ist mehr als 7000 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt, so scheinen sich noch viele deutsche Politiker zu beruhigen. Doch Cosco ist längst vor der Haustür angekommen.

Die größte Flotte der Welt

Weltweit hat der Konzern mit Sitz im Pekinger Bezirk Xicheng, nur einen Steinwurf vom Regierungsviertel Zhongnanhai entfernt, in 52 Containerterminals investiert. Nach eigenen Angaben ist die Flotte des Staatsunternehmens mit fast 1400 Schiffen die größte der Welt, und bei den Frachtkapazitäten rangiert Cosco immerhin auf dem dritten Platz. Der größte Stolz der Container-Flotte ist zweifelsohne die sechsteilige „Universum“-Reihe.

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Vor drei Jahren in der historischen Jiangnan-Schiffswerft in Shanghai erbaut, zählen die Frachter unter der Hongkonger Flagge mit einer Länge von 400 Metern und einer maximalen Ladekapazität von deutlich über 21.000 TEU (Zwanzig-Fuß-Standardcontainern) zu den größten der Welt. Allein ihre Routen lassen keinen Zweifel daran, dass Cosco global zu den großen Playern gehört. Derzeit sind sie zwischen Singapur, Rotterdam, Piräus, Gdansk, dem Suez-Kanal und dem südchinesischen Xiamen unterwegs.

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„Die Vision von Cosco Shipping besteht darin, die Mission der Globalisierung der chinesischen Wirtschaft zu erfüllen“, heißt es auf der Cosco-Homepage. Das bedeutet: Cosco verfolgt an allererster Stelle die Interessen der chinesischen Regierung, und in seinen gehobenen Positionen beschäftigt das Unternehmen ausschließlich Mitglieder der kommunistischen Partei. All dies heißt jedoch nicht, dass Cosco auch ökonomisch sehr erfolgreich ist.

Container sind zur heißen Ware geworden

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie, in der globale Lieferketten und Produktionspläne durcheinandergewirbelt wurden, mischten Reedereien die Karten neu. Noch nie war die Verschiffung von Containern so teuer, laut Preisindex der Londoner Drewry Shipping Consultants haben sich die Kosten in den vergangenen zwei Jahren verachtfacht. Die Nachfrage nach Transportwegen auf hoher See ist deutlich höher als das Angebot, Container sind zur heißen Ware geworden.

Davon profitiert das Staatsunternehmen Cosco. Der Geschäftsbericht für das erste Halbjahr 2021 weist einen Gewinn in Höhe von umgerechnet knapp fünf Milliarden Euro aus. Wenn man die Prognosen bis Jahresende hochrechnet, würde dies eine Wachstumssteigerung von mehr als 600 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeuten. Die globale Bedeutung der Reederei lässt sich auch am „Fortune Global 500“-Ranking ablesen, das die erfolgreichsten Unternehmen listet: Vor fünf Jahren lag Cosco noch auf dem 465. Platz. In der aktuellen Liste sind die Chinesen auf dem Rang 231.

Container sind derzeit Mangelware - die Schifffahrtsunternehmen profitieren davon.
Container sind derzeit Mangelware - die Schifffahrtsunternehmen profitieren davon.

© imago/Jochen Tack

Die Beziehung zwischen Cosco und der Hansestadt Hamburg sind über Jahrzehnte gewachsen. Bereits 1986 schloss Shanghai ein Partnerschaftsabkommen mit Hamburg ab, was nicht nur den wirtschaftlichen Austausch erleichterte, sondern auch die Standortwahl für die europäische Zentrale der Reederei Cosco beeinflusste. Der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) besuchte noch am 11. November 2015 die Hauptzentrale von Cosco, um Ex-Vorstandschef Li Yunpeng zu treffen. Die Fotos zeugen von einer herzlichen Atmosphäre.

Peking lässt seine Muskeln spielen

Doch seither haben sich die Beziehungen des Westens zu China gewandelt. Die Volksrepublik verfolgt ihre politischen Interessen auf dem internationalen Parkett immer aggressiver, was sich nicht zuletzt in den territorialen Ansprüchen im Südchinesischen Meer widerspiegelt. Politisch lässt Peking zunehmend seine Muskeln spielen – und setzt dafür gezielt seine wirtschaftliche Macht ein.

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Auch in Europa verschwimmt die Grenze zwischen legitimen Wirtschaftsinteressen und einer politischen Bedrohung für die EU. Natürlich möchte China – gerade angesichts einer zunehmend feindlichen US-Politik – seine Handelsflüsse auch mit eigener Infrastruktur im Ausland absichern.

Doch gleichzeitig nutzt der Staat gezielt ökonomische Abhängigkeiten, um politische Loyalitäten einzufordern. 2017 blockierte etwa ausgerechnet Griechenland, dessen wichtigster Hafen in chinesischer Hand ist, eine kritische EU-Stellungnahme zu Pekings Menschenrechtsverletzungen bei den Vereinten Nationen.

Die Beziehungen wirtschaftlicher Art sind eng

Deutschland hat wie kein zweites Land in Europa vom Aufstieg Chinas profitiert. Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und China sind eng. Derzeit gehen bereits acht Prozent aller deutschen Exporte auf den chinesischen Absatzmarkt, in den USA waren es zuletzt 8,8 Prozent. Bei den Importen ist China bereits der mit Abstand wichtigste Lieferant für Deutschland.

Die Schattenseiten dieses engen wirtschaftlichen Austauschs haben die deutsche Sinologin Mareike Ohlberg und der australischen Journalist Clive Hamilton in ihrem Buch „Die lautlose Eroberung“ erstmals umfassend recherchiert. „Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen“, heißt es. Und weiter heißt es zur Strategie von Xi Jinping: „Eine häufig angewandte Taktik ist yi shang bi zheng, übersetzt bedeutet das in etwa: Unternehmen einsetzen, um die Regierung unter Druck zu setzen.“

Natürlich hat China kein Interesse daran, seinen vielleicht letzten großen Verbündeten im Westen zu verprellen. Doch sollte beispielsweise die nächste Bundesregierung in ihrer China-Politik einen stärkeren transatlantischen Schulterschluss suchen, dann wird Peking aller Wahrscheinlichkeit nach die von Ohlberg und Hamilton beschriebenen Taktiken anwenden. Nicht nur der Hamburger Hafen, sondern auch die deutsche Politik sollte im Umgang mit chinesischen Staatsunternehmen die lateinische Inschrift auf dem Hamburger Rathaus ernst nehmen: „Die Freiheit, die errungen die Alten, möge die Nachwelt würdig erhalten.“

Fabian Kretschmer

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