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Warten auf die Behandlung. In der Pandemie hat der Ärger der Patienten darüber deutlich zugenommen.

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Exklusiv

Patienten in Berlin und Brandenburger am unzufriedensten: Schlechtere Noten für Gesundheitsversorgung

Im zweiten Pandemiejahr sind die Deutschen merklich unzufriedener mit der Gesundheitsversorgung geworden - vor allem in Berlin und Brandenburg.

Bei der Beurteilung der Gesundheitsversorgung in Deutschland hat das zweite Pandemiejahr deutliche Spuren hinterlassen. Nachdem sich 2020 sogar mehr Menschen zufrieden geäußert hatten als in den Jahren vorher, haben sich die positiven Rückmeldungen nun stark verringert. Das ist dem Gesundheitsmonitor des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) zu entnehmen, der dem Tagesspiegel Background Gesundheits & E-Health vorliegt. Der Studie zufolge werden für 2021 sowohl die Versorgung am Wohnort als auch die im gesamten Land merklich schlechter bewertet als bisher, der Zufriedenheitswert sank sogar unter das Niveau von 2018/2019.

Dabei gaben immer noch 81 Prozent der Gesundheitsversorgung in ihrem direkten Lebensumfeld gute Noten. Im Jahr 2020 waren es allerdings 84 Prozent. Verschlechtert hat sich die Beurteilung insbesondere bei Frauen (von 83 auf 78 Prozent) und bei den 50- bis 69-Jährigen (von 86 auf 79 Prozent). Dabei zeigt sich auch: Je niedriger das Einkommen, desto größer die Unzufriedenheit mit der Versorgung. Entsprechend dazu beurteilen privat Versicherte die Gesundheitsversorgung vor Ort besser als gesetzlich Versicherte, der Unterschied beträgt hier satte sieben Prozentpunkte.

Ganz hinten: Berlin und Brandenburg

Dabei scheint die Gesundheitswelt für die Bürger im dicht bevölkerten Nordrhein-Westfalen noch am ehesten in Ordnung zu sein. 85 Prozent urteilten dort positiv über ihr unmittelbar erlebtes System, der Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. Auf dem zweiten Platz liegt Baden-Württemberg mit 82 Prozent. Ganz hinten in puncto Zufriedenheit befinden sich dagegen Berlin (69 Prozent) und das eher strukturschwache Brandenburg (60 Prozent). In dem ostdeutschen Land war der Rückgang übrigens auch am stärksten, denn 2020 äußerten sich noch 76 Prozent der Brandenburger mit der Gesundheitsversorgung vor Ort zufrieden. In Bayern sank die Zufriedenheitsquote am zweitstärksten, sie fiel von 87 auf 77 Prozent.

Bei der Frage nach den Einzelbereichen erhält die Arzneiversorgung die besten Noten. Hier zeigten sich 90 Prozent der Befragten mit der Situation vor Ort zufrieden, im Jahr davor waren es nur 86 Prozent. Größtes Ärgernis für die Bürger dagegen sind, wie schon im Jahr 2020, die Erfahrungen mit Pflegepersonal und Pflegeheimen. Die Frage, ob die Anzahl der Pflegekräfte und stationären Einrichtungen ausreichend ist, bejahten diesmal lediglich 46 Prozent. Aufgrund der anhaltenden Pandemie sind die Ressourcen in diesem Sektor offensichtlich auch im Empfinden der Bevölkerung immer stärker am Limit. Im Jahr 2020 betrug die Quote der Zufriedenen noch 52 Prozent.

Terminvergabe bei Fachärzten ärgert jeden Zweiten

Der Mangel an Pflegekräften dürfte sich auch bei der Einschätzung der Versorgung in den Krankenhäusern niedergeschlagen haben: Der Positivwert für die Kliniken sank binnen eines Jahres von 84 auf 80 Prozent, er liegt damit nun auf dem niedrigsten Niveau seit 2018. Insbesondere Menschen, die auf dem Land und in kleineren Städten leben, erlebten die Versorgung in den Kliniken deutlich schlechter als früher. Zwischen den Bundesländern gibt es hier keine großen Unterschiede. Interessant ist allerdings, dass sowohl der höchste als auch der niedrigste Zufriedenheitswert mit den Krankenhäusern in Ostdeutschland gemessen wurde. Sachsen-Anhalt kam auf 82 Prozent, Brandenburg auf 69.

Die Hausarztversorgung wurde insgesamt von 83 Prozent der Befragten positiv beurteilt, die Facharztversorgung von 75 Prozent. Und die Pflegeangebote vor Ort schafften es auf eine Zufriedenheitsquote von 73 Prozent. Die besten Noten erhielten hier Hessen und Rheinland-Pfalz (jeweils 77 Prozent), die schlechtesten Hamburg (63) und Brandenburg (62).

Was die Beurteilung der Arztpraxen betrifft, ärgerten sich die Befragten noch mal deutlich stärker über lange Wartezeiten auf Termine und auch vor der Behandlung. Aus der Sicht der Studienautorinnen Tanja Fink und Sandra Bräunlein-Reuß dürfte das stark durch die Pandemie-Auswirkungen beeinflusst sein. Jedenfalls äußerten sich bei den Hausärzten nur 66 Prozent und bei den Fachärzten nur 47 Prozent zufrieden mit der Terminvergabe. Für die Wartezeiten auf Termine und Behandlungen in Kliniken waren die Ergebnisse ähnlich, auch hier äußerte sich nur jede:r Zweite positiv. Bei der Entfernung zur nächsten Hausarztpraxis liegt übrigens Nordrhein-Westfalen vorne und Brandenburg hinten. Am schnellsten im nächsten Krankenhaus sind nach eigenen Angaben die Hamburger, am weitesten haben es die Bewohner von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Distanz zur nächsten Apotheke wiederum ist in Sachsen am kürzesten und in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls am längsten.

Apotheker genießen höchstes Vertrauen

Interessanterweise genießen im Gesundheitssystem hierzulande nicht etwa die Ärzte, sondern die Apotheker vor Ort das größte Vertrauen. Während die Mediziner:innen auf einen Positivwert von 73 Prozent kommen und damit Platz Zwei belegen, liegt der für Apotheker:innen bei 77 Prozent. Es folgen Krankenhäuser (60 Prozent), gesetzliche Kassen (51 Prozent) und Arzneihersteller (46 Prozent).

Das Vertrauen in die Pharmaindustrie stieg binnen eines Jahres um fünf Prozentpunkte. Hier könnte sich, mutmaßen die Studienautorinnen, die Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen und Medikamenten positiv ausgewirkt haben. Jedenfalls punkteten die Arzneihersteller vor allem bei Männern, bei 15- bis 29-Jährigen, bei Landbewohnern und bei Personen mit niedrigerem Haushalts-Nettoeinkommen. Auch bemerkenswert: Mit Versandapotheken kommen Menschen, die in ländlichen Regionen leben, zunehmend besser klar. Die Frage, ob Versandapotheken ein geeigneter Ersatz für die Apotheken vor Ort seien, bejahten diesmal 67 Prozent – im Jahr davor waren es nur 58. Möglicherweise seien solche Vertriebswege aufgrund von Ausgangsbeschränkungen und aus Vorsicht in der Coronakrise häufiger genutzt oder auch erstmals ausprobiert worden, heißt es dazu in der Studie.

Die Verlierer: Privatversicherer und Pflegeeinrichtungen

Ebenfalls auffällig ist das niedrige Vertrauen der Befragten zu privaten Krankenversicherern. Hier sank der Wert nochmals deutlich von 41 auf 34 Prozent – er liegt jetzt also 17 Punkte unter dem Vergleichswert für gesetzliche Versicherer. Getoppt wird das nur noch durch das Misstrauen gegenüber der Bundesregierung, die von 31 auf 29 Prozent abrutschte. Die Pflegeeinrichtungen genießen ebenfalls kein sonderlich hohes Vertrauen, sie kommen auf bescheidene 38 Prozent.

Auch was die Zukunft der Gesundheitsversorgung vor Ort betrifft, ist die Bevölkerung im vergangenen Jahr deutlich pessimistischer geworden. Mittlerweile sind 31 Prozent der Meinung, dass sich die Situation hier weiter verschlechtern wird, im Jahr 2020 waren es lediglich 26 Prozent. Negativ äußerten sich insbesondere Frauen zwischen 30 und 59, die größten Pessimisten sitzen in Thüringen und Sachsen (45 Prozent). Und massiv verschlechtert haben sich die Prognosen zur künftigen Gesundheitsversorgung vor allem bei Menschen, die in Metropolen leben: Die Quote der Befragten mit entsprechender Negativerwartung stieg dort von 24 auf 36 Prozent der Befragten.

Befragt wurden für die repräsentative Studie im November 2021 insgesamt 2000 Personen in Deutschland ab 15 Jahren. Durchgeführt wurde die Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Nielsen IQ.

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