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Sigmar Gabriel rechtfertigt sich für die Agenda-Politik der SPD.

© dpa

Ortstermin: Eiertanz mit Sigmar Gabriel

SPD-Chef Gabriel ist ein mutiger Mann: Er stellt das neue Buch des gewerkschaftsnahen Ökonomen Gustav Horn vor - der nie ein gutes Haar an der Agenda-Politik der SPD gelassen hat.

War die Agenda 2010 von Gerhard Schröder nun gut, weil sie eine Menge Arbeitsplätze geschaffen hat? Oder war sie eher schlecht, weil durch die Reformen das Lohnniveau hierzulande heftig ins Rutschen gekommen ist? Mit dieser Frage muss sich Sigmar Gabriel, 51, regelmäßig herumärgern, seit er vor 15 Monaten Chef der SPD wurde. Seine Antworten wirken jedes Mal wie ein Eiertanz – Gabriel darf schließlich nicht die SPD-Reformpolitik ins schiefe Licht rücken, an der auch er selbst als Umweltminister in der großen Koalition mitgewirkt hatte. Er muss aber auch jenen Kritikern das Gefühl geben, er interessiere sich für sie, die die Agenda für Teufelszeug halten, für ebenso parteischädigend wie Brioni-Anzüge und Cohiba-Zigarren.

Doch Sigmar Gabriel ist ein mutiger Mann, deshalb hat er Gustav Horn zugesagt, dessen neues Buch vorzustellen. Dazu muss man wissen, dass Horn Ökonom ist und das gewerkschaftsnahe Konjunkturinstitut IMK leitet. Und weder Horn noch die Gewerkschaften haben jemals ein gutes Haar an der Agenda-Politik gelassen. Doch der Titel von Horns Buch klingt schön schmissig, womöglich hat das Gabriel gereizt. „Des Reichtums fette Beute – wie die Ungleichheit unser Land ruiniert“, heißt das neue Werk. Schließlich sind die Zeitungen derzeit voller guter Nachrichten aus der Wirtschaft, da kann es nicht schaden, ein wenig gegen den Strich zu bürsten – gerade im Superwahljahr 2011.

Zudem kann Gabriel, früher Berufsschullehrer, bei der Gelegenheit Wirtschaftskompetenz beweisen. Denn Horn schreibt über eine komplexe Materie: Dass nirgends in Europa die Löhne langsamer steigen als in Deutschland, dass dies die Finanzkrise mit ausgelöst habe. Schuld daran habe auch die SPD – sie habe die Finanzmärkte nicht so stark reguliert, wie es nötig gewesen wäre, sie habe die Steuern für Reiche gesenkt. Zudem habe sie die Agenda 2010 beschlossen – und so die Löhne gerade für einfache Jobs unter Druck gesetzt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wachse, findet Horn, Deutschland sei nun „das Mutterland der Ungleichheit“. Eine zweite Finanzkrise werde die Republik endgültig in den Ruin treiben.

Gabriel antwortet mit einem entschiedenen Sowohl-als-auch. Doch, die Agenda 2010 habe viel Gutes gehabt. Überhaupt kenne sich die SPD mit Wirtschaftspolitik aus, schließlich seien die Rettungs- und Konjunkturprogramme in der Krise ihre Idee gewesen. Allerdings hätten die Agenda-Kritiker nicht unrecht. Ein „Kardinalfehler“ sei die Öffnung des Niedriglohnsektors gewesen. Den versuche man nun mit der Forderung nach Mindestlöhnen auszubügeln. „Sozial ist nicht, was Arbeit schafft, sondern was Arbeit schafft, von der man leben kann“, sagt Gabriel. Seine Partei habe gelernt.

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