zum Hauptinhalt
Wer Ortlieb sucht, soll auch Ortlieb finden, meinen die BGH-Richter.

© imago images / Rüdiger Wölk

Ortlieb klagt erfolgreich gegen Amazon: BGH-Urteil stärkt die Macht von Markenherstellern

Nach einem BGH-Urteil muss Amazon seine Anzeigen-Praxis ändern. Der Versandhändler darf sich die Beliebtheit von Marken nicht mehr unbegrenzt zunutze machen.

Das heutige Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hat einen sehr konkreten Fall zum Anlass: Der Mittelständler Ortlieb, ein Spezialist für Outdoor-Ausrüstung, hatte dagegen geklagt, dass Kunden bei einer Google-Suchanfrage nach „Ortlieb Fahrradtasche“ eine Amazon-Anzeige ausgespielt bekommen, hinter der sich auch Angebote anderer Herstellern verbergen.

Obwohl Amazon die bei Google explizit nach Ortlieb suchenden Kunden in seiner Anzeige mit eben diesem Markennamen lockte, warteten dahinter Inserate von Wettbewerbern wie Vaude oder Pellor. Doch vor dem BGH siegte diesmal David gegen Goliath. Der Nutzer erwarte aufgrund der Gestaltung der Anzeige, dass ihm nur Ortlieb-Produkte angezeigt würden, befanden die Richter. Amazon muss seine Anzeigen-Praxis hier ändern.

Peter Kenning ist sich allerdings sicher, dass dieses Grundsatzurteil Wirkung weit über den konkreten Fall hinaus entfaltet. Es sei ein Erfolg für die ganze Markenartikelindustrie, findet der Wirtschaftsprofessor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Unternehmen investieren oft viel Zeit, Geld und unternehmerisches Verständnis in den Markenaufbau“, so Kenning. „Dass dieses Markenvermögen nicht ohne Weiteres von Dritten genutzt werden kann, um Konkurrenzprodukte zu bewerben und zu verkaufen, trägt dem Rechnung.“

Zudem stärke der BGH damit die Innovationskraft des Mittelstandes. Denn je mehr Amazon seine Marktmacht ausnutze, desto schwerer sei es Investitionen in eigene Marken zurück zu verdienen. „Die Hersteller verlieren dann den Anreiz, innovative Markenprodukte zu entwerfen“, befürchtet Kenning.

Auch die Verbraucher profitieren

Ortlieb selbst begrüßte das Urteil und betonte ebenfalls die weitergehenden Auswirkungen. Man sehe in dem Richtspruch „eine klare Stärkung von Marken im Allgemeinen“, hieß es in einer Mitteilung. „Gerade in der heutigen Zeit, in denen Plattformen wie Amazon die Austauschbarkeit von Marken strategisch vorantreiben, ist Markenhoheit wichtiger denn je.“ Andernfalls wäre langfristig die Aufrechterhaltung des Gütesiegels „made in Germany“ nicht zu gewährleisten.

Außerdem sieht Ortlieb sich in der eigenen Vertriebsstrategie bestätigt, selbst keine Produkte über Amazon zu verkaufen. Der US-Händler könne nicht die gleiche Service- und Beratungsqualität bieten, wie der Fachhandel, so die Begründung. Das bayerische Unternehmen hält auch seine Partner dazu an, die Plattform des US-Konzerns nicht zu nutzen. Auf Amazon-Marketplace sind dennoch Ortlieb-Produkte zu finden.

Nach Einschätzung von Kenning, der auch Vorsitzender des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen im Bundesjustizministerium ist, profitieren auch die Kunden von dem Urteil. „Im stationären Handel erwartet man ja auch, dass der Verkäufer unmittelbar das gewünschten Produkt zeigt – und nicht erst eine Reihe von alternativen Artikeln, nach denen man nicht gefragt hat“, so Kenning. Das gelte kraft des neuen Urteils nun auch im Internet.

Zumal hier die Reihenfolge, in der Produkte angezeigt werden, weitaus bedeutender für die Verkaufschancen sei, als die Platzierung von Ware in einem Geschäft. Dort habe der Kunde grundsätzlich die gesamte Auswahl im Blick. Nicht so bei Amazon und Co. „Wenn man ganz sichergehen möchte, dass ein Produkt nie gefunden wird, sollte man es auf der dritten Seite der Google-Trefferliste platzieren“, unkt der Professor.

In einem ähnlichen Fall bekam Amazon Recht

Amazon teilte mit, das Urteil anzuerkennen, verwies jedoch auf einen sehr ähnlichen Fall, bei dem Amazon vor dem Oberlandesgericht München vor gut einem Jahr gegen Ortlieb gewonnen hatte. Hier ging es darum, dass Kunden nicht bei Google, sondern bei Amazon selbst „Ortlieb Fahrradtasche“ in die Suchleiste eingegeben hatten und ebenfalls eine Trefferliste mit Konkurrenzprodukten ausgespielt bekamen. Das allerdings, urteilten damals die Richter, sei erlaubt.

Kenning erklärt, warum. „Der Unterschied zwischen beiden Urteilen ist darin zu sehen, dass Google als Suchmaschine aus Sicht der Kunden eine andere Funktion übernimmt als Amazon als Händler“, erläutert er. Google solle demnach grundsätzlich neutrale Informationen zur Verfügung stellen und objektiv sein, weil darin das geschäftliche Interesse des Konzerns liegt. Amazon als Händler hingegen dürfe - solange der Wettbewerb funktioniert - auch eigene Produkte in den Vordergrund stellen. „Eine Suche auf Amazon scheint somit aus Sicht des BGH etwas anderes zu sein als die Suche über Google, an die offenbar höhere Anforderungen gestellt werden“, schlussfolgert Kenning.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false