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Der Handel mit Rauschgift und Waffen ist eine lukrative Geldquelle für Kriminelle.

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Organisierte Kriminalität: Milliardenschaden für Staat und Verbraucher

Illegale Geschäfte rund um den Globus boomen. Der Handel mit Waffen und anderen Produkten bringt Kriminellen Milliarden.

Sie schmuggeln Zigaretten und Rauschgift, handeln mit Waffen, gestohlenen Autos, gefälschter Markenkleidung oder Arzneimitteln und verdienen damit Milliarden: Organisierte Kriminalität ist in Deutschland, Europa und der Welt auf dem Vormarsch. „Sie ist das größte Unternehmen der Welt“, sagte Rechtswissenschaftler Arndt Sinn am Dienstag bei der Vorstellung der Studie „Wirtschaftsmacht Organisierte Kriminalität: Illegale Märkte und illegaler Handel“ in Berlin. Sinn ist Professor an der Universität Osnabrück für Internationales Strafrecht und Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien (ZEIS). Allein die Anzahl der beschlagnahmten illegalen Waren an den Außengrenzen der Europäischen Union sei seit 1998 um nahezu 1000 Prozent gestiegen. Die Kontrollen an den Grenzen und die Strafverfolgung kämen dem illegalen Handel nicht hinterher. Für die Untersuchung hat Sinn unter anderem Daten des deutschen Zolls und diverser Polizeistatistiken ausgewertet. Dort finden sich etwa Angaben über die Zahl und Art der Produkte, die von den Behörden innerhalb eines bestimmten Zeitraums beschlagnahmt wurden. „Die Angaben, die wir dort finden, sind aber aber nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Sinn. Dem Wissenschaftler zufolge schädigt Organisierte Kriminalität nicht nur den Staat, sondern auch Unternehmen, die Gesellschaft sowie einzelne Verbraucher. Folgen seien nicht nur zum Teil erhebliche Steuerverluste und Vermögenseinbußen, sondern auch gesundheitliche Schäden sowie der Verlust von Innovationskraft, Reputation, Wohlstand und Arbeitsplätzen.

Die OECD schätzt die Schäden auf 870 Milliarden Dollar

Belastbare Zahlen über den wirtschaftlichen Schaden, der aus diesen Machenschaften erwächst, gibt es indes bislang kaum. „Die Forschung steht hier noch ganz am Anfang“, sagte Sinn mit Blick auf die Datenlage. Er verwies auf eine Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), nach der kriminelle Banden, Netzwerke und Einzeltäter zuletzt insgesamt 870 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 790 Milliarden Euro) pro Jahr erwirtschafteten. Dabei gibt es offenbar keine Branche, vor der die Organisierte Kriminalität Halt macht. Ein besonders großer Wachstumsmarkt sei dabei der Handel mit gefälschten Markenprodukten für den alltäglichen Gebrauch: Kopiert werde alles, was in irgendeiner Weise Profit verspreche. Die Produktpalette reicht dabei von Luxusartikeln über Sportbekleidung, Elektronik und Kosmetik bis hin zu Toilettenartikeln. Aber auch in anderen Bereichen entstehe großer Schaden: So hätten deutsche Anlagen- und Maschinenbauer durch Produkt- und Markenpiraterie pro Jahr Verluste in Höhe von 7,3 Milliarden Euro. Immer wieder entdeckten Zollfahnder bei Stichproben an Flughäfen, in Schiffscontainern oder in Paketen auch falsch deklarierte Nahrungsmittel oder Pflanzengift, das in seiner Zusammensetzung gar nicht zugelassen ist.
Das Internet spielt für die Organisierte Kriminalität eine entscheidende Rolle. „Der legale Vertriebsweg über Onlinestores wird zum Betreiben illegaler Geschäfte ausgenutzt“, heißt es dazu in der Studie. „Fälscher nutzen zunehmend das World Wide Web, um ahnungslose Verbraucher zu täuschen und ihnen die gefälschten Produkte direkt zu verkaufen und die Güter zu versenden. Neue technische Möglichkeiten böten neue Chancen, Angebote leichter und risikoärmer zu platzieren, um die Nachfrageseite für illegale Güter zu steigern.

Der illegale Handel finanziert Terrororganisationen

Besorgniserregend ist laut Strafrechtler Sinn vor allem die Tatsache, dass ein Teil der illegal erwirtschafteten Millionen der Finanzierung des internationalen Terrorismus dient. „Es wird eben nicht nur gehandelt“, sagte er mit Blick auf die Ziele Organisierter Kriminalität. Häufig würden die erzielten Gewinne sofort für terroristische Zwecke reinvestiert oder durch Geldwäsche offiziellen Märkten zugänglich gemacht. Terrororganisationen, die diese Art der Finanzierung nutzten, seien beispielsweise die kolumbianischen Guerillaorganisation Farc, die baskische Separatistengruppe Eta, die arabische Hisbollah-Miliz sowie das weltweit operierende Terrornetzwerk Al Qaida.
Clemens Binninger, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, forderte angesichts der vorgelegten Studie eine bessere Umsetzung des Prümer Vertrages. Das Abkommen über die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ist seit 2011 geltendes EU-Recht und ermächtigt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in nationalen Datenbanken enthaltene Fingerabdrücke, DNA sowie Kfz-Kennzeichen miteinander abzugleichen. „Das wäre ein gigantischer Erkenntnisgewinn“, sagte Binninger. Sinns Studie sieht einen Grund für das Erstarken Organisierter Kriminalität in mangelnder länderübergreifender Kooperation, insbesondere beim Datenaustausch. Laut Binninger setzt derzeit rund ein Drittel der 28 EU-Staaten das Prümer Abkommen gar nicht oder nur teilweise um. Dazu zählen unter anderem Italien, Griechenland, Dänemark sowie Großbritannien. „Alle sollten sich beteiligen“, sagte Binninger.

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