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Her mit den Waren! Gut 5000 Rossmann-Artikel flattern einem jetzt auch mit Amazon ins Haus.

© dpa

Onlinehandel: Amazon, der unerbittliche Wettbewerber

Amazon liefert jetzt auch Rossmann-Produkte - und das wird nicht alles sein. Für die Kunden heißt das: Wer Wochenmärkte und kleine Läden mag, muss sich den Kauf per Klick verkneifen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Vor 23 Jahren hat Jeff Bezos Amazon gegründet. Und schon damals lautete seine Vision: Es soll nichts geben, was es bei Amazon nicht gibt. Sein Ziel, das 1994 größenwahnsinnig anmutete, hat der US-Internetunternehmer inzwischen fast erreicht.

Mit der Übernahme der US-amerikanischen Bio-Supermarktkette Whole Foods ist ihm Anfang Mai der Einstieg in den Lebensmitteleinzelhandel gelungen, eine der letzten großen Lücken im Amazon-Sortiment konnte damit geschlossen werden. Strategisch in eine ähnliche Richtung geht auch die am Mittwoch vorgestellte Kooperation mit der deutschen Drogeriekette Rossmann, die zu den zehn größten Lebensmittelhändlern in Deutschland gehört. Etwa ein Drittel des Rossmann-Sortiments kann jetzt über Amazon bestellt werden.

Gegen einen Aufpreis von 6,99 Euro erhält der Kunde die Ware innerhalb von einer Stunde oder kostenlos in einem von ihm wählbaren Zweistundenfenster bei einem Mindestbestellwert von 20 Euro. Der Service ist erst mal auf Berlin beschränkt und steht ausschließlich Amazon-Prime-Kunden zur Verfügung, die für ihre Prime-Mitgliedschaft schon eine Jahresgebühr von 69 Euro entrichten müssen.

Rossmann gewonnen zu haben, ist für Amazon ein Erfolg

Für Amazon ist es schon ein Erfolg, Rossmann als Kooperationspartner gewonnen zu haben, gilt der deutsche Lebensmittelhandel sonst nämlich nicht gerade als besonders innovationsfreudig. Aus Sicht der Amerikaner wäre jetzt der nächste konsequente Schritt, in Deutschland eine Supermarktkette ähnlich wie Whole Foods komplett zu übernehmen, die anders als Rossmann auch frische Lebensmittel führt. Gelingt Amazon ein solcher Einstieg in den stationären Lebensmittelhandel, könnten sich die Amerikaner schnell zu einer Bedrohung selbst für große deutsche Anbieter wie Edeka, Aldi oder Lidl entwickeln, die den Onlinehandel mit Lebensmitteln bisher weitestgehend verschlafen haben.

Sie wähnten sich bisher sicher vor ausländischer Konkurrenz, weil die Markteintrittsbarrieren in Deutschland aufgrund des harten Preiswettbewerbs und der mickrigen Margen sehr hoch sind. Aber Amazon hat in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen, dass man bereit ist, Anfangsverluste in Kauf zu nehmen, um Marktanteile zu erobern.

Der entscheidende Vorteil der Amerikaner besteht allerdings darin, dass sie gerade ihre Prime-Kunden und deren Einkaufsverhalten sehr gut kennen, während die deutsche Konkurrenz über ihre Supermarktbesucher so gut wie gar nichts weiß. Den Vorsprung aufzuholen, dürfte für die deutschen Anbieter sehr schwierig werden. Mit einem eigenen Filialnetz könnte Amazon stationären Handel und Onlinegeschäft intelligent miteinander verzahnen, den Kunden maßgeschneiderte Angebote unterbreiten, in den Filialen Abholzentren für Bestellungen aller Art einrichten und dem letzten Skeptiker beweisen, dass sie auch Lebensmittelverkauf beherrschen.

Man wollte die Globalisierung, jetzt hat man sie. Konzerne und Händler profitieren, warum nicht auch der Verbraucher?

schreibt NutzerIn Zunke

Die Margen im Einzelhandel sind klein, das wird jetzt zum Bumerang

Dann muss der E-Commerce-Hegemon aus Seattle nur noch warten. Denn nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman werden in den kommenden Jahren sechs bis acht Milliarden Euro vom stationären Handel zu den Lieferdiensten abwandern. Dann wird der harte Preiskampf für die deutschen Anbieter schnell zum Bumerang. Schon wenn die Kunden im Schnitt nur ein bis drei Euro pro Einkauf weniger ausgeben, heißt es in der Studie, sind 1500 bis 1700 Supermärkte bundesweit nicht mehr rentabel, wodurch etwa 40 000 Arbeitsplätze gefährdet wären.

Angesichts der Erfahrungen, die Branchen wie Buch- und Textilhandel bereits mit Amazon gemacht haben, scheint die Entwicklung kaum aufzuhalten zu sein. Man muss dann aber auch festhalten, dass der Kunde eine Mitverantwortung trägt. Zwar gehören Windeln einkaufen oder Getränke nach Hause schleppen nicht zu den attraktivsten Tätigkeiten im Leben, doch zahlen die Menschen für ihre Bequemlichkeit einen hohen Preis: Denn Einkaufen ist weit mehr als die reine Versorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs – Einkaufen prägt das Zusammenleben in der Gesellschaft, weil es die Menschen zusammenbringt. Wer einen lebendigen, hochwertigen Einzelhandel haben will, muss dort einkaufen. Wer Wochenmärkte mit Produkten aus der Region vor der Tür haben möchte, darf nicht alles online bestellen. Wer für endlose Reihen von Lieferfahrzeugen sorgt, darf sich nicht über öde Innenstädte beschweren.

Langfristig könnten auch weitere Supermarktketten Kooperationen mit dem Internethegemon eingehen. Dann kann Amazon die verschiedenen Anbieter im Wettbewerb auf der eigenen Plattform gegeneinander ausspielen. Die Beteuerungen des Rossmann-Chefs, er habe innerhalb der Kooperation mit Amazon bei der Auswahl der Produkte und der Gestaltung der Preise die Hoheit, wirken da jetzt schon wie ängstliches Pfeifen im Walde.

Jeff Bezos ist bisher zumindest nicht für übermäßige Rücksichtnahme bekannt. Bevor er sich für Amazon als Namen entschied, wollte er sein Unternehmen relentless.com nennen. Das heißt so viel wie unerbittlich. Die Domain besitzt er noch.

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