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Neue Spitze. Ola Källenius (l.) löst Daimler-Chef Dieter Zetsche nach fast 13 Jahren ab.

© imago/HochZwei

Update

Ola Källenius wird Daimler-Chef: Dieter Zetsche wechselt in den Aufsichtsrat

Ola Källenius löst im Mai 2019 Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche ab. Der soll nach fast 13 Jahren Aufsichtsratsvorsitzender werden.

Wer unvermittelt von Ola Källenius geduzt wird, darf sich nicht wundern. Der künftige Daimler-Chef ist gebürtiger Schwede – und das „Du“ gehört bei den Skandinaviern zum guten Ton. Die freundlich-unkomplizierten Umgangsformen sind ein Markenzeichen des 49-Jährigen. Sie halfen ihm, als er Vertriebschef von Mercedes-Benz war, der oberste Verkäufer der Marke mit dem Stern. Und stetig steigende Absatzzahlen brachten Källenius weiter nach oben. Bald nach seiner Beförderung zum Forschungsvorstand des Daimler-Konzerns im Januar 2017 wurde er als Kronprinz von Dieter Zetsche gehandelt.

Nun ist es so weit: Im kommenden Jahr, auf der Hauptversammlung im Mai, löst Källenius Zetsche als Vorstandsvorsitzenden ab. Das teilte der Stuttgarter Autobauer am Mittwoch mit. Fast 13 Jahre Zetsche-Ära gehen zu Ende. Doch der Mann mit dem Schnauzbart, dessen Vertrag Ende 2019 regulär ausläuft, wird weiter Einfluss nehmen. Zetsche wird erwartungsgemäß in den Aufsichtsrat wechseln. Nach einer „Abkühlungsphase“ von zwei Jahren rückt er 2021 an die Spitze des Kontrollgremiums und ersetzt Manfred Bischoff, der dann 78 Jahre alt sein wird. Ein Wechsel, den Zetsche und Bischoff schon vor Jahren so geplant haben.

Das 100 Jahre alte Kerngeschäft wandelt sich

Er kommt etwas früher als erwartet, eine Überraschung ist er dennoch nicht. Denn wie allen Autoherstellern stehen Daimler raue Zeiten des Wandels bevor, für die ein jüngerer Mann an der Spitze gebraucht wird. Die „Blechbieger“ werden zu Mobilitätsdienstleistern. Das seit mehr als 100 Jahren erfolgreiche Kerngeschäft, die Produktion von Autos mit Verbrennungsmotor, wird in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören. Elektromobilität, Digitalisierung, autonomes Fahren, der globale Klimaschutz und veränderte Mobilitätsbedürfnisse – die Industrie steht vor Umwälzungen, die Investitionen in Milliardenhöhe verlangen.

„Der Aufsichtsrat will in Anbetracht der Herausforderungen der Transformation in der Automobilbranche frühzeitig die Weichen für eine geeignete Nachfolge stellen“, erklärte Daimler den Führungswechsel. Die Mitteilung fällt in eine kritische Zeit. Der Konzern steht wegen überhöhter Abgaswerte von Dieselautos massiv in der Kritik. Auch bei der Elektromobilität kommen die Stuttgarter nur langsam in Fahrt. Im Juni musste Daimler eine Gewinnwarnung aussprechen, die guten Ergebnisse des Vorjahres wird man 2018 nicht mehr erreichen. Damit ist Daimler nicht allein. Es läuft insgesamt nicht mehr so rund in der Industrie. Das zeigte auch die Gewinnwarnung von BMW am vergangenen Dienstag.

Investoren und Analysten sehen bei Daimler hausgemachte Baustellen. „Die Ära Zetsche hat ziemlich lange gedauert. Da schleift sich manches ein“, sagte Frank Schwope, Analyst bei der NordLB. „Dieselkrise, Kartellvorwürfe, Elektromobilität und autonomes Fahren, die neue Konzernstruktur: Källenius wird die Arbeiten angehen müssen.“ Auch das gute Verhältnis zur Politik, das Zetsche gerne auf offener Bühne mit der Bundeskanzlerin zelebrierte, hat gelitten. „Man kann nur hoffen, dass Källenius auch einen neuen Ton mitbringt“, sagte Schwope.

Ein neuer Ton wird in der Politik erwartet

Der Lobbyismus der Autoindustrie sei über Jahrzehnte ein Selbstläufer gewesen. Das habe sich mit dem Dieselskandal geändert. „Politik und Öffentlichkeit sind verärgert, fühlen sich betrogen“, meinte der Beobachter. „Da wird auf den Daimler-Chef eine Menge Arbeit zukommen.“ Schwope rechnet aus, dass Daimler in den USA noch ein erhebliches Dieselrisiko hat. „Strafen und Schadenersatzzahlungen könnten einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag ausmachen.“

Mit Ola Källenius ziehen gleichzeitig Kontinuität und Veränderung in die Chefetage ein. Anders als Zetsche ist Källenius kein Ingenieur. Er hat International Management und Finance and Accounting in Stockholm und St. Gallen studiert. Doch der Schwede kennt sich bei Daimler aus. Seit 1993 hat er auf diversen Stationen bewiesen, dass er nicht nur Ahnung von Zahlen, sondern auch von Autos hat. So war er unter anderem Chef der Tuning-Sparte AMG. Schon im Jahr 2000 beschäftigte er sich – damals noch bei Daimler-Chrysler – mit dem Motor- und Abgasmanagement. Källenius bringe außerdem eine wertvolle internationale Perspektive mit, lobte Zetsche seinen Nachfolger. Die wird er nicht nur auf dem US-Markt brauchen, der vom Protektionismus des US-Präsidenten belastet wird. Ein Jahr war Källenius Leiter des Pkw-Werks in Tuscaloosa in den USA. Auch hat es Källenius seit Anfang des Jahres mit dem chinesischen Milliardär Li Shufu zu tun, dem Gründer des Autokonzerns Geely, der fast zehn Prozent der Daimler-Aktien hält.

Zetsche hat Daimler aus der Chrysler-Krise geführt

Zetsches Abschied zur Hauptversammlung 2019 hatte man in Daimler-Kreisen schon länger für einen günstigen Zeitpunkt gehalten. Die kommenden Monate werden für den scheidenden Chef indes nicht leicht – gilt er doch in den schwierigen Verhandlungen um Dieselnachrüstungen oder die CO2-Regulierung als „lame duck“ – einer, der noch im Amt ist, aber operativ bald nichts mehr zu sagen hat. Unter Zetsches Führung hatte Daimler zuletzt den Konzernumbau begonnen. Geplant ist eine neue Struktur mit drei eigenständigen Einheiten (Pkw/Vans, Trucks/Busse sowie Finanzdienstleistungen) unter einer gemeinsamen Dachgesellschaft.

Zetsche ist seit 1976 für Daimler tätig. Als Konzernchef zog er den Schlussstrich unter die Fusion mit Chrysler, die sein Vorgänger Jürgen Schrempp 1998 durchgezogen hatte. Zetsche war es, der den Konzern nach der Finanzkrise aus der Flaute führte, die Designsprache von Mercedes modernisierte und jüngere Käufer ansprach. 2016 überholte Mercedes BMW an der Weltspitze im Verkauf von Premium-Autos. Der Aufsichtsrat belohnte den promovierten Ingenieur Zetsche nicht nur mit einem millionenschweren Gehalt. Er wird auch demnächst einer der am besten versorgten Rentner sein. Seine Pensionsansprüche belaufen sich auf mehr als 40 Millionen Euro.

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